Im Zusammenhang mit einer befugt erbrachten Hilfeleistung in Steuersachen kann in bestimmten Fällen auch auf anderen nicht steuerlichen Rechtsgebieten eine Beratung als Nebenleistung i. S. d. § 5 Abs. 1 des Gesetzes über außergerichtliche Rechtsdienstleistungen erbracht werden (Annexberatung).[1]

[1] Rechtsdienstleistungsgesetz – RDG v. 12.12.2007, BGBl 2007 l S. 2840,

Gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder zum Umfang der Beratungsbefugnis der Lohnsteuerhilfevereine v. 13.2.2023, BStBl 2023 I S. 399, Abschnitt I.

5.13.1 Steuerklassenwahl

Bei Verheirateten oder eingetragenen Lebenspartnern kann sich eine geschickte Kombination der Lohnsteuerklassen positiv auf Arbeitslosen-, Kranken-, Mutterschafts- oder Elterngeld auswirken. Seit 2018 werden Frischvermählte automatisch in die Steuerklasse IV eingruppiert. Ehegatten können jedoch verschiedene Kombinationen von Lohnsteuerklassen wählen. Durch eine günstige Zusammenstellung gibt es mehr Netto vom Gehalt, wobei es sich bei der Lohnsteuer nur um eine Vorauszahlung handelt. Die tatsächliche Steuerschuld wird erst später mit der Einkommensteuer errechnet. Die Beratung bei Fragen rund um die Steuerklassenwahl dürfen Lohnsteuerhilfevereine erbringen. Die Vertretung der Mitglieder gegenüber den zuständigen Stellen stellt eine notwendige Nebenleistung zur steuerlichen Beratung dar. Der Berater sollte gegenüber der Sozialbehörde eine schriftliche Bevollmächtigung vorlegen können.[1]

5.13.2 Beantragung von Sozialleistungen (z. B. Wohngeld, BAFöG, Arbeitslosengeld II, Kinderzuschlag)

Die Beantragung reiner Sozialleistungen stellt keine Annexberatung dar, weil kein sachlicher Zusammenhang zwischen der Hauptleistung, der steuerlichen Beratung, und der Nebenleistung, der Beantragung der Sozialleistungen, besteht. Auch die zur Erlangung der Sozialleistung erforderlichen steuerlichen Angaben (Einkommen, Einkünfte etc.) führen nicht dazu, dass ein ausreichender Zusammenhang hergestellt werden könnte. Lohnsteuerhilfevereine haben keine Beratungsbefugnis.

5.13.3 Lohnersatzleistungen

Anders sieht es bei den Lohnersatzleistungen, wie z. B. Kurzarbeitergeld, Arbeitslosengeld I, Krankengeld, Insolvenzgeld oder Elterngeld aus. Diese Leistungen ersetzen regelmäßig die wegfallenden Arbeitnehmereinkünfte. Aus diesem Grund besteht ein sachlicher Zusammenhang zur steuerlichen Beratung. Die Lohnsteuerabzugsmerkmale wirken sich unmittelbar auf die Höhe dieser Leistungen aus. Steuerpflichtige, die sich von einem Lohnsteuerhilfeverein vertreten lassen, erwarten zu Recht von ihrem Berater eine rechtliche Würdigung. Die Festsetzung der Leistungen beruht im Übrigen ausschließlich auf steuerlichen Werten. Eine Beratungsbefugnis der Lohnsteuerhilfevereine liegt vor.

5.13.4 Kindergeld nach BKGG

Lohnsteuerhilfevereine beraten auch Arbeitnehmer mit Wohnsitz in anderen EU-Staaten. Sie prüfen in diesen Fällen regelmäßig, ob unbeschränkte oder beschränkte Steuerpflicht vorliegt. Liegt nur beschränkte Steuerpflicht vor, richtet sich der Kindergeldanspruch nach dem BKGG. Trotz gleicher Anspruchsvoraussetzungen liegt in diesem Fall keine Steuervergütung, sondern eine Sozialleistung vor. Es findet folglich das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) Anwendung. Am 28.3.2019 hat das Bundessozialgericht entschieden, dass es sich bei der Beantragung von Kindergeld nach dem BKGG weder um eine erlaubnisfreie Tätigkeit ohne Rechtsanwendung i. S. d. § 2 Abs. 1 RDG noch um eine zulässige Annexberatung gem. § 5 Abs. 1 RDG handelt.

Diese überraschende Entscheidung führt dazu, dass Lohnsteuerhilfevereine genau prüfen müssen, auf welcher Rechtsgrundlage der Kindergeldanspruch beruht. Eine abschließende Berurteilung kann aus materiellrechtlichen Gründen (Aufenthaltsdauer als Tatbestandsmerkmal) häufig erst nach Ablauf des Jahres erfolgen. Dadurch kann es vorkommen, dass die Familienkasse zunächst von einer beschränkten Steuerpflicht ausgeht mit der Folge fehlender Beratungsbefugnis, bei rückwirkender Betrachtung aber Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz gewährt wird. Seit 2018 kommt in diesem Fall erschwerend hinzu, dass eine Beschränkung der Auszahlung auf 6 Monate vor der Antragstellung eingeführt wurde. Der Gesetzgeber sollte zugunsten der betroffenen Eltern und der Berater in den Lohnsteuerhilfevereinen korrigierend tätig werden und den Lohnsteuerhilfevereinen für diese Fälle die Beratungsbefugnis ausdrücklich einräumen.[1]

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