Tz. 9

Stand: EL 117 – ET: 06/2020

Der Begriff "keine Erwerbszwecke" hat Identität mit dem Erfordernis der "Selbstlosigkeit" i. S. v. § 55 Abs. 1 Nr. 1 AO (Anhang 1b). Verfolgt die Einrichtung ausschließlich eigennützige (in erster Linie eigenwirtschaftliche) Zwecke, wird insoweit gegen das Gebot "keine Erwerbszwecke" und somit gegen die Selbstlosigkeit verstoßen. Eine Anerkennung wegen Verfolgung steuerbegünstigter Zwecke kommt dann nicht mehr in Betracht.

Der BFH hat im Urteil vom 18.09.2007, BStBl II 2009, 126 im Fall von Rettungs- und Krankenfahrten einen Zweckbetrieb verneint, wenn die Sorge für notleidende und gefährdete Mitmenschen um des Erwerbs wegen ausgeübt wird. Der BFH macht den Begriff des Erwerbs wegen davon abhängig, ob Bedingungen vorliegen, unter denen die Tätigkeit ausgeübt werden, die objektiv geeignet sind, Gewinne zu erzielen. Der BFH geht davon aus, dass dies regelmäßig der Fall ist, wenn die gleichen Leistungen zu denselben Bedingungen von nicht steuerbefreiten Anbietern erbracht werden und deren Tätigkeit als Gewerbebetrieb einzuordnen ist. Die Entscheidung stellt auf einen Vergleich zwischen gewerblichen und gemeinnützigen Betrieben ab und bringt somit den Wettbewerbsgedanken ins Spiel ohne auf den Rahmen der Katalogzweckbetriebe (§ 6668 AO) einzugehen (s. a. Droege in Winheller/Geibel/Jachmann-Michel, Teil 2 Tz. 9). Die Finanzverwaltung hat dieses Urteil mit einem Nichtanwendungserlass belegt (BMF vom 20.01.2009, DStR 2009, 165).

 

Tz. 10

Stand: EL 117 – ET: 06/2020

Auch im Urteil des BFH vom 17.02.2010 (DB 2010, 1104) geht der BFH darauf ein, dass die Wohlfahrtspflege gemäß § 66 Abs. 2 AO (Anhang 1b) nicht um des Erwerbs Willen ausgeübt werden darf. In Abgrenzung zum o.g. BFH-Beschluss vom 18.02.2007 hat der BFH im neuen Urteil vom 27.11.2013, BStBl II 2016, 68 entschieden, dass der Begriff "des Erwerbs wegen" nicht schon vorliegt, weil eine Wohlfahrtseinrichtung ihre Leistungen zu denselben Bedingungen anbietet wie gewerbliche Unternehmen. Entscheidend ist, dass mit dem Betrieb keine Gewinne angestrebt werden, die über den Finanzierungsbedarf hinausgehen. Der BFH hat hierbei auf den eigenen Finanzierungsbedarf abgestellt und hat wesentliche Grundsätze zu der Frage entwickelt, unter welchen Voraussetzungen ein Zweckbetrieb i. S. d. § 66 AO (Anhang 1b) Gewinne erzielen darf (Alber, Gemeinnützigkeit im Ertragssteuerrecht, I Tz. 6.4.1.) Der BFH stellt in diesem Urteil nicht mehr auf die objektive Möglichkeit der Gewinnerzielung ab, sondern vielmehr darauf, ob Gewinne angestrebt werden, die den jeweiligen Finanzierungsbedarf der Einrichtung überschreiten und lässt erkennen, dass die Erzielung von Gewinnen in gewissem Umfang möglich sei. Insbesondere wird festgelegt, dass keine Wettbewerbsklausel in § 66 AO (Anhang 1b) begründet sei und geht von einer Erwerbsorientierung nur dann aus, solange sich diese nicht auf einen Inflationsausgleich oder betriebliche Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen beschränkt. Die Finanzverwaltung sieht wohl heute das Tatbestandsmerkmal "nicht des Erwerbs wegen" als darzulegendes Negativum, bei dem die Rechtsprechung davon ausgeht, dass erst bei Vorliegen bestimmter Indizien eine erhöhte Darlegungspflicht bestehe (Seeger/Brox/Leichinger, DStR 2018, 2002f.). U.E. wird hier der teilweise Wertungswiderspruch im Urteil des BFH vom 27.11.2013 fortgesetzt, da einerseits ein Fremdvergleich angeordnet wird und ein marktüblicher Gewinnaufschlag gefordert wird; andererseits aber eine Gewinnerzielung über den konkreten Finanzierungsbedarf für die Anwendung des § 66 AO (Anhang 1b) unzulässig sei. Der AEAO löst diesen Wertungswiderspruch dadurch, dass er bei gemeinnützigen Unternehmen einen Gewinnzuschlag nicht als marktüblich ansieht. Diese Fragestellung wird Vereine der Wohlfahrtspflege jedoch vor große Herausforderungen stellen.

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