Stand: EL 106 – ET: 02/2018

Ob Gemeinnützigkeit gegeben ist, richtet sich im Einzelfall nach dem satzungsmäßigen und tatsächlich verfolgten Zweck der Bürgerinitiative. Jedenfalls sind Bürgerinitiativen nicht per se gemeinnützig. Voraussetzung ist vielmehr auch hier, dass in dem von der Bürgerinitiative verfolgten Zweck eine Förderung der Allgemeinheit zu sehen ist. Insofern gelten die allgemeinen Grundsätze auch für Bürgerinitiativen. Zudem ist es unerlässlich, dass es sich bei der Bürgerinitiative um eine Körperschaft handelt, s. § 51 Abs. 1 Satz 2 AO (Anhang 1b). Andernfalls (z. B. bei einer Personengesellschaft oder einem losen Zusammenschluss, der ggf. als Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu beurteilen wäre, würde die Gemeinnützigkeit von vornherein ausscheiden. Der für Bürgerinitiativen in Betracht kommende rechtliche Mantel einer juristischen Person des Privatrechts dürfte regelmäßig der (rechtsfähige oder der nichtrechtsfähige) Verein sein.

Im BFH-Urteil vom 13.12.1978, HFR 1979, 371 hat der BFH zur Anerkennung der Gemeinnützigkeit folgende Kriterien herausgearbeitet:

„Die für die Anerkennung als gemeinnützig erforderlichen Satzungsbestimmungen (AO 1977: Die Satzungszwecke und die Art ihrer Verwirklichung) müssen so genau bestimmt sein, dass aufgrund der Satzung die satzungsmäßigen Voraussetzungen für steuerliche Vergünstigungen geprüft werden können (formelle Satzungsmäßigkeit). Es reicht aus, wenn sich die satzungsmäßigen Voraussetzungen aufgrund einer Auslegung aller Satzungsbestimmungen ergeben.

Ob die Tätigkeit einer Körperschaft die Allgemeinheit fördert und dem allgemeinen Besten auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet nützt, richtet sich nach objektiven Kriterien. Bei der Beurteilung ist in der Regel an einzelne oder eine Vielzahl von Faktoren (Werten) anzuknüpfen (z. B. herrschende Staatsverfassung, geistige und kulturelle Ordnung, Wissenschaft und Technik, Wirtschaftsstruktur, Wertvorstellungen der Bevölkerung)”.

Der unbestimmte Rechtsbegriff "Förderung der Allgemeinheit" wird in § 52 AO (Anhang 1b) im gleichen Sinne vom Gesetzgeber verstanden wie in dem bis zum 31.12.1976 geltenden Gemeinnützigkeitsrecht. Die begünstigte Tätigkeit setzt jedoch nach § 52 Abs. 1 AO (Anhang 1b) – anders als nach § 17 Abs. 1 und 2 StAnpG – nicht die Vollendung der Förderung voraus; es genügen u. U. schon vorbereitende Handlungen ("darauf gerichtet ist").

Eine zeitliche oder gegenständliche Begrenzung der steuerbegünstigten (gemeinnützigen) Tätigkeit einer Körperschaft schließt die bei Verfolgung gemeinnütziger Zwecke vorgesehenen steuerlichen Vergünstigungen nicht aus.

Der Anerkennung der Steuerbegünstigung wegen Gemeinnützigkeit steht grundsätzlich nicht entgegen, dass sich die satzungsmäßigen Bestrebungen einer Körperschaft, Natur, Umwelt und Landschaft unter Beachtung der geltenden Rechtsvorschriften zu schützen, gegen die Planungen staatlicher Stellen und technische Großprojekte der Deutschen Bundesbahn (hier: Bau einer Schnellbahntrasse), richten. Wichtig ist aber, dass sich die Körperschaft und die für sie zurechenbar Handelnden stets auf dem Boden der Rechtsordnung bewegen müssen, siehe hierzu unten. Eine Körperschaft handelt selbstlos i. S. d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 AO (Anhang 1b), wenn sie weder selbst noch zugunsten ihrer Mitglieder eigennützige oder eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgt. Das kann bei einer Bürgerinitiative unter Umständen problematisch sein, weil diese häufig Sonderinteressen einzelner Weniger verfolgen (z. B. Verhinderung eines Baus einer Autobahnabschnitts durch einen bestimmten Stadtteil). Die Verfolgung von Sonderinteressen stellt aber nur in Ausnahmefällen zugleich eine Förderung der Allgemeinheit dar.

Durch BFH-Urteil vom 29.08.1984, BStBl II 1984, 844 wird die Gemeinnützigkeit einer klagenden Bürgerinitiative bejaht, die nach ihrer Satzung den Umweltschutz zum Ziele hatte.

Dabei vertritt der BFH in dieser Entscheidung die Auffassung, dass der weite Bereich "Umweltschutz" als Satzungszweck eine Vielzahl verschiedenartiger Betätigungen der Bürgerinitiative zulasse. Dazu zählen grundsätzlich auch dem Satzungszweck entsprechende Aktivitäten zur Verhinderung des Baus einer nuklearen Entsorgungsanlage und deren Betrieb.

Das gelte auch dann, wenn dabei eine gewisse Beeinflussung der politischen Meinung bezüglich der Energiepolitik nicht auszuschließen sei und sich die Tätigkeiten gegen Maßnahmen richteten, die im Rahmen der geltenden atomrechtlichen Bestimmungen von den zuständigen staatlichen Organen schon genehmigt worden seien.

Das satzungsmäßige Wirken einer Bürgerinitiative könne ebenso wie der Einsatz einzelner Bürger zur objektiven Meinungsbildung für die Lösung der mit einem Entsorgungsvorhaben verbundenen Umweltprobleme beitragen, die damit zusammenhängenden widerstreitenden Interessen (Energieversorgung, wirtschaftliches Wachstum, Sicherung von Lebensqualität und Wohlstand, Bewahrung der natürlichen Lebensgrundlage, der Natur, der Tier- und Pflanzenwelt) ausgleichen sowie die dem...

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