Tz. 14

Stand: EL 113 – ET: 09/2019

Wird ein Steuerbescheid vom Steuerpflichtigen angefochten, kann das Finanzamt, das den Steuerbescheid erlassen hat, die Vollziehung des Bescheides ganz oder teilweise aussetzen (Aussetzung von Amts wegen), vgl. § 361 Abs. 1 Satz 1 AO (Anhang 1b). Der Steuerpflichtige kann die Aussetzung der Vollziehung beantragen. Das Finanzamt soll auf Antrag die Aussetzung anordnen, wenn

  • ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des vom Steuerpflichtigen angefochtenen Steuerbescheids bestehen oder wenn
  • die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende Interessen gebotene Härte zur Folge hat.

Hinweis:

Es kann also unter zwei Bedingungen zur Anordnung der AdV kommen: Das Finanzamt kann diese von Amts wegen anordnen, was in der Praxis eher selten vorkommt. Viel häufiger kommt es zur Anordnung der AdV auf Antrag des Steuerpflichtigen. Idealerweise sollte der Antrag auf AdV zeitgleich mit der Einlegung des Einspruchs erfolgen. Zwingend ist dies jedoch nicht: Vielmehr kann der Antrag auf AdV auch noch nach Einlegung des Einspruchs und auch noch außerhalb der Einspruchsfrist gestellt werden. Solange der Antrag jedoch nicht gestellt ist, kann das Finanzamt aus dem Steuerbescheid jederzeit vollstrecken. Um einen aus der Vollstreckung eintretenden Schaden von vornherein zu vermeiden, sollte der AdV-Antrag daher möglichst frühzeitig gestellt werden. Tatsächlich tritt die Wirkung einer AdV erst mit Gewährung durch das Finanzamt ein. Faktisch hemmt aber bereits der Antrag die Vollstreckung durch das Finanzamt, da das Finanzamt in der Praxis keine Vollstreckungsmaßnahmen bei gestelltem AdV-Antrag vornimmt.

 

Tz. 15

Stand: EL 113 – ET: 09/2019

Das Finanzamt "soll" die Aussetzung anordnen, wenn "ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit" des Steuerbescheids bestehen. Solche ernstlichen Zweifel sind gegeben, wenn bei einer überschlägigen (die Gerichte sprechen von einer "summarischen") Prüfung des Steuerbescheides gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit des Steuerbescheids sprechende Gründe vorliegen. "Ernstlich" sind die Zweifel, wenn ein Obsiegen des Antragstellers im Hauptsacheverfahren (Einspruchsverfahren oder Klage) mindestens nicht völlig ausgeschlossen ist. Es reichen nicht schon irgendwelche Zweifel, andererseits muss der Erfolg im Rechtsbehelfsverfahren nicht überwiegend wahrscheinlich sein. Ist die Rechtslage nicht eindeutig, ist die Vollziehung im Regelfall auszusetzen, s. Birkenfeld, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, § 361 Rdnr. 176.

Hinweis:

Über die Anordnung einer AdV soll nach Möglichkeit sehr schnell entschieden werden können. Deshalb dürfen keine allzu hohen Anforderungen an die ernstlichen Zweifel hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des Steuerbescheids gestellt werden. Daher reicht es bereits aus, wenn die Zweifel nicht ganz fernliegend sind. Entsprechendes muss im Rahmen des Einspruchs und des Antrags auf Gewährung der AdV vorgetragen werden. Hierbei müssen entsprechende Umstände, die zur Rechtswidrigkeit führen (können) bzw. die Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Steuerbescheids begründen, nicht bewiesen, sondern nur glaubhaft gemacht werden. Glaubhaftmachung liegt vor, wenn der Vortrag dazu geeignet ist, das Finanzamt bzw. das Finanzgericht vom Vorliegen der Umstände nach überschlägiger Prüfung zu überzeugen.

 

Tz. 16

Stand: EL 113 – ET: 09/2019

Wenn keine ernstlichen Zweifel an der Rechtsmäßigkeit bestehen, kommt eine AdV in Betracht, wenn die Vollziehung des Steuerbescheids für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende Interessen gerechtfertigte Härte darstellt. Es handelt sich um einen zweiten selbständigen Aussetzungsgrund neben den Bedenken an der Rechtmäßigkeit des Steuerbescheids. Eine unbillige Härte liegt vor, wenn dem Steuerpflichtigen durch die sofortige Vollziehung wirtschaftliche Nachteile drohen, die über die eigentliche Verwirklichung des Regelungsinhalts des Bescheids (z. B. Zahlung der Steuern) hinausreichen. Das ist insbesondere der Fall, wenn ein Tun, Dulden oder Unterlassen gefordert wird, dessen nachteilige Folgen nicht mehr oder nur schwer rückgängig gemacht werden können oder existenzbedrohend sind, s. Birkenfeld, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, § 361 Rdnr. 214.

Hinweis:

Auch für den zweiten Grund der Anordnung einer AdV muss bei Einlegung des Einspruchs bereits ausreichend vorgetragen werden. Es muss insbesondere dargelegt werden, worin die existenzbedrohenden Folgen bestehen und dass diese durch Anordnung einer AdV verhindert werden können.

 

Tz. 17

Stand: EL 113 – ET: 09/2019

Stets entscheidet das Finanzamt über die Gewährung der AdV. Das gilt auch für die Zeit während der Anhängigkeit eines Rechtsstreits über die Wirksamkeit eines Steuerbescheids beim Finanzgericht. Entsprechend ist es nicht möglich, sich unmittelbar an das Finanzgericht zu wenden und dort einen Antrag auf Gewährung der AdV zu stellen. Der Antrag beim Finanzgericht wird als unzulässig zurückgewiesen. Allenfalls nach erfolgloser Antragstellung beim Finanzamt ist ein AdV-Antr...

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