Haftungsinanspruchnahme eines GmbH-Geschäftsführers

Der Geschäftsführer einer GmbH kann sich gegenüber der Haftungsinanspruchnahme nicht darauf berufen, dass er aufgrund seiner persönlichen Unfähigkeit nicht in der Lage gewesen sei, den Aufgaben eines Geschäftsführers nachzukommen.

Hintergrund: Haftungsbescheid gegen den GmbH-Geschäftsführer

A war alleiniger Geschäftsführer der A-GmbH, und zwar vom Zeitpunkt ihrer Gründung in 2002 bis April 2012. Faktischer Geschäftsführer der GmbH war allerdings sein Sohn B, der formal als Prokurist der GmbH angestellt war. Im April 2012 übernahm der Enkelsohn C die Geschäftsführung.

Eine Fahndungsprüfung bei der GmbH kam zu dem Ergebnis, dass A und B USt, KSt und GewSt für 2004 bis 2011 verkürzt hätten. A habe in Kenntnis aller Umstände zumindest geduldet, dass B als faktischer Geschäftsführer Scheinrechnungen nicht existierender Firmen und beleglose Buchungen für angebliche Wareneinkäufe und Fremdleistungen in die Buchführung der GmbH eingestellt und zur Grundlage der Jahressteuererklärungen und USt-Voranmeldungen gemacht habe. Den Rechnungen hätten keine realen Leistungen zugrunde gelegen.

Das FA erließ in 2012 entsprechende Änderungsbescheide gegenüber der GmbH. Diese wurden nicht angefochten und sind damit bestandskräftig geworden.

In 2014 nahm das FA den A wegen Steuerschulden der GmbH für 2005 bis 2012 nach §§ 191, 69, 71 und 370 AO in Haftung. Das FG bestätigte die Haftung des A und wies dessen Klage gegen den Haftungsbescheid ab.

Entscheidung: Überwachungsverschulden des GmbH-Geschäftsführers

Der BFH wies die Revision als unbegründet zurück. A haftet als Geschäftsführer der GmbH, da er schuldhaft für die GmbH keine bzw. unzutreffende Steuererklärungen eingereicht hat und nicht dafür gesorgt hat, dass die fälligen Steuern beglichen wurden. 

Verschulden bei Beschäftigung von Hilfspersonen

Der Geschäftsführer einer GmbH kann die steuerlichen Angelegenheiten der GmbH Hilfspersonen übertragen. Er bleibt jedoch verpflichtet, diese sorgfältig auszuwählen und laufend zu überwachen. Mangelhaftes Überwachen der zur Pflichterfüllung herangezogenen Personen ist regelmäßig als grob fahrlässige Pflichtverletzung ("Überwachungsverschulden") zu werten. An die Überwachungsmaßnahmen eines Geschäftsführers sind umso Höhere Anforderungen zu stellen, je weniger er die zuverlässige Erledigung der steuerlichen Angelegenheiten der Gesellschaft durch Hilfspersonen beurteilen kann (BFH v. 5.3.1998, VII B 36/97, BFH/NV 1998, S. 1325). Hiervon ausgehend liegt im Streitfall mangelnde Überwachung vor. A hat die faktische Geschäftsführung durch seinen Sohn (B) geduldet und ihm das "Tagesgeschäft" überantwortet. Er hat sich um die Geschäftsführung der GmbH tatsächlich nicht gekümmert. Er hat insbesondere auch keine geeigneten Aufsichtsmaßnahmen ergriffen, mit denen er hätte sicherstellen können, dass die steuerlichen Pflichten der GmbH ordnungsgemäß und rechtzeitig erfüllt worden wären.

Die Nichterkennbarkeit der Buchungsfehler ist unerheblich

Der Einwand des A, auch ein sorgfältig handelnder Geschäftsführer hätte die Scheinrechnungen und beleglosen Buchungen ohne zusätzliche Ermittlungen nicht bemerken können, verkennt, dass der dem A anzulastende Vorwurf gerade darin besteht, dass er sich auf die Konstruktion einer faktischen Geschäftsführung durch B eingelassen hat und dass er B ohne Kenntnis der Hintergründe der von diesem abgeschlossenen Geschäfte hat gewähren lassen. Unabhängig davon hat das FG festgestellt, dass A durch einen Blick in die Buchführung durchaus hätte erkennen können, dass beleglose Buchungen getätigt worden waren.

Kein Einwand des eigenen Unvermögens

Soweit A geltend machte, er wäre aufgrund seiner persönlichen Kenntnisse und Fähigkeiten und insbesondere wegen seines fortgeschrittenen Alters gar nicht in der Lage gewesen, "Geschäftsvorfälle in der Firmen-EDV nachzuvollziehen", kann er sich damit ebenfalls nicht entschuldigen. Sollte dies zutreffen, so hätte er die Geschäftsführung der GmbH gar nicht erst übernehmen bzw. die faktische Geschäftsführung durch seinen Sohn nicht dulden dürfen. Denn wer den Anforderungen an einen gewissenhaften Geschäftsführer nicht entsprechen kann, muss von der Übernahme des Geschäftsführeramtes absehen bzw. dieses Amt niederlegen (BFH v. 5.3.1998, VII B 36/97, BFH/NV 1998, S. 1325).

Hinweis: Pflichtwidrigkeit indiziert Verschulden

Die objektive Pflichtwidrigkeit des Verhaltens des Geschäftsführers indiziert den haftungsbegründenden Schuldvorwurf i.S. von § 69 Satz 1 AO (BFH v. 27.9.2017, XI R 9/16, BStBl II 2018, S. 515). Es wäre daher Aufgabe des A gewesen, die durch die festgestellte objektive Pflichtverletzung indizierte Annahme eines grob fahrlässigen Verschuldens zu entkräften. Dies ist ihm nicht gelungen.

Rügeverlust

Der BFH wies die Rüge mangelnder Sachaufklärung (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) zurück. A hatte schriftsätzlich beim FG den Beweisantrag gestellt, C als Zeugen zu vernehmen. Dem kam das FG nicht nach, d.h. C wurde nicht geladen und vernommen. Da A (anwaltlich vertreten) dies in der mündlichen Verhandlung vor dem FG nicht gerügt hatte, hat er sein Rügerecht verloren. A hat (ausweislich des Sitzungsprotokolls) in der mündlichen Verhandlung weder die  unterlassene Zeugenladung und -vernehmung gerügt noch den Beweisantrag wiederholt. Die Rüge mangelnder Sachaufklärung kann im Revisionsverfahren nur durchdringen, wenn der Verfahrensmangel vor dem FG geltend gemacht wurde. Etwas anderes kann bei einem fachkundig vertretenen Verfahrensbeteiligten (ausnahmsweise) nur dann gelten, wenn er aufgrund des Verhaltens des FG die Rüge für entbehrlich halten durfte (ständige Rechtsprechung, BFH v. 19.3.2019, VII R 27/17, BStBl II 2020, S. 31, Rz. 41;

BFH, Beschluss v. 15.11.2022, VII R 23/19, veröffentlicht am 16.3.2023

Alle am 16.3.2023 veröffentlichten BFH-Entscheidungen



Schlagworte zum Thema:  Haftung, GmbH-Geschäftsführer, Lohnsteuer