Rz. 333

Die Finanzverwaltung folgt in Altfällen (vor dem 01.01.2009) der Rechtsprechung des BFH zur gemischt-freigebigen Zuwendung und hat zu Detailfragen der Berechnung in R E 17 ErbStR 2003 Stellung genommen. In Neufällen (ab dem 01.01.2009) wendet sie die Einheitstheorie an.

 

Rz. 334

Gem. R E 7.4 Abs. 1 Satz 2 ErbStR ermittelt sich die Bereicherung des Bedachten beim Bestehen einer Gegenleistung oder Auflage dadurch, dass vom nach § 12 ErbStG ermittelten Wert der Leistung der ebenfalls nach § 12 ErbStG ermittelte Wert der Gegenleistung, Leistungs- oder Duldungsauflage abgezogen wird, wobei der Abzug insoweit beschränkt ist, als der Zuwendungsgegenstand nach §§ 1313d ErbStG steuerbefreit ist.

 

Beispiel 1:

Vater V überträgt 2020 seinem Sohn S ein unbebautes Grundstück. Der Verkehrswert und steuerliche Wert des Grundstücks beträgt 1,2 Mio. EUR. S übernimmt eine Darlehensverbindlichkeit des V von 300.000 EUR, die durch eine auf dem unbebauten Grundstück lastende Hypothek gesichert ist.

Lösung:

Die Übernahme der Darlehensverbindlichkeit stellt eine Gegenleistung dar, so dass eine gemischt-freigebige Zuwendung vorliegt. Die steuerliche Bereichung des S ermittelt sich gem. R E 7.4 Abs. 1 Satz 2 ErbStR wie folgt:

 

Beispiel 2:

Wie Beispiel 1, es handelt sich jedoch um ein nach § 13d ErbStG begünstigtes Mietwohngrundstück.

Lösung:

Die steuerliche Bereicherung des S ermittelt sich gem. R E 7.4 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 ErbStR 2011 wie folgt:

 

Beispiel 3:

Wie Beispiel 1, es handelt sich jedoch um einen KG-Anteil, der nach §§ 13a, 13b ErbStG zu 85 % steuerfrei ist. S übernimmt von V eine private Verbindlichkeit über 300.000 EUR.

Lösung:

Die steuerliche Bereicherung des S ermittelt sich gem. R E 7.4 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 ErbStR 2011 wie folgt:

 

Rz. 335

Ein weiterer in der Praxis bisher als gemischt-freigebige Zuwendung behandelter Fall wurde mit Urteil des BFH vom 01.07.2008 (BStBl II 2008, 876) – allerdings für einen Erwerb von Todes wegen – in anderer Weise gelöst.

 

Rz. 336

Errichtet jemand ein Gebäude auf einem Grundstück, das einem anderen gehört, in Erwartung einer geplanten künftigen freigebigen Zuwendung dieses Grundstücks und wird das Grundstück nach Fertigstellung des Gebäudes tatsächlich geschenkt, so wurde bisher die Bereicherung nach den Grundsätzen der freigebig-gemischten Zuwendung ermittelt. Derartige Fälle spielen sich regelmäßig im Kreise der Familie ab, weshalb dem Bedachten (Bauherr) auch das formlose (und daher nichtige) Schenkungsversprechen des Grundstückseigentümers ausreicht.

 

Rz. 337

Bei dieser Konstellation wäre es im Ergebnis nicht sachgerecht, von einer Zuwendung des bebauten Grundstücks auszugehen. Daher sahen Finanzverwaltung (H 17 Abs. 1 ErbStR 2003) und Finanzgericht (FG Rheinland-Pfalz vom 17.04.2003, DStRE 2003, 995) den in Folge der Schenkung nicht zu leistenden Aufwendungsersatzanspruch gem. § 951 Abs. 1 i. V. m. § 812 Abs. 1 BGB als Gegenleistung des Bedachten (Bauherr) an und gingen von einer gemischt-freigebigen Zuwendung aus.

 

Rz. 338

Der BFH (Urteil vom 01.07.2008, BStBl II 2008, 876) geht hingegen davon aus, dass sich die Bereicherung des Erwerbers um den Betrag mindert, um den die vom Bedachten durchgeführten Baumaßnahmen den Grundbesitzwert erhöhen. Das FG Hessen hat mit Urteil vom 18.05.2009 (ErbBstg 2010, 33) diese Betrachtungsweise auch auf freigebige Zuwendungen ausgedehnt (s. auch Pahlke, NWB 2009, 539). Die FinVerw folgt dieser Rspr. (FinMin Baden-Württemberg vom 31.07.2009, ZEV 2009, 480; H E 7.1 ErbStH 2011). Im Ergebnis bleibt daher die durch die Baumaßnahme entstandene Werterhöhung – mangels Bereicherung – von der Besteuerung ausgenommen, was sachgerecht erscheint.

 
Praxis-Beispiel

Vater V hat seiner Tochter T die Schenkung eines Baugrundstücks versprochen (formlos). T errichtet auf dem Grundstück (vor Eigentumsübertragung) ein Gebäude. Der Bauaufwand beträgt 500.000 EUR. Nach Fertigstellung des Gebäudes hat das Grundstück einen Verkehrswert von 800.000 EUR.

T zieht nach Fertigstellung in das Gebäude ein. Fünf Jahre später überträgt V das Grundstück auf T. Der Grundbesitzwert im Zeitpunkt der Schenkung beträgt 800.000 EUR. Der fiktive Grundstückwert des unbebauten Grundstücks zu diesem Zeitpunkt beträgt 300.000 EUR.

Lösung:

Der Grundbesitzwert hat sich durch die Bebauung um 500.000 EUR (800.000 EUR ./. 300.000 EUR) erhöht. Diese bleiben bei der Ermittlung der Bereicherung der T außen vor, so dass sich eine Bemessungsgrundlage von 300.000 EUR (800.000 EUR ./. 500.000 EUR) ergibt.

 

Rz. 339

Hingegen ist bei einem Grundstückstausch eine gemischt-freigebige Zuwendung gegeben, wenn ein wertvolles Grundstück gegen ein weniger wertvolles Grundstück getauscht wird. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass zunächst die einzelnen Werte, aus denen die Zuwendung und die Gegenleistung(en) bestehen, ermittelt werden müssen.

 
Praxis-Beispiel

Mutter M und Tochter T tauschen Mietwohngrundstücke. Das Grundstück der Mutter hat einen Verkehrs- und Grundbesitzwert von 1,6 Mio. EUR und ist mit 400.000 EUR Grundschulden b...

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