Rz. 30

Die Vererbung bzw. der Übergang von öffentlich-rechtlichen Rechtspositionen (inkl. Pflichten) im Erbfall ist erst seit zwei Jahrzehnten auf eine gesicherte Basis gestellt worden. Im (Einkommen-)Steuerrecht findet bis zum heutigen Tag eine heftige Kontroverse um den Anwendungsbereich und um die Tragweite des Steuerübergangs (insb. der Einkommensteuerverluste des Erblassers) statt.

 

Rz. 31

Im allgemeinen Verwaltungsrecht wird die Diskussion um die Rechtsnachfolge unter zwei Aspekten geführt; erstens geht es um die Nachfolgefähigkeit (das "Ob" des Übergangs) und zweitens um den Nachfolgetatbestand. Mit Letzterem ist die Frage angesprochen, ob sich der Übergang von öffentlich-rechtlichen Ansprüchen und Pflichten (daher auch Pflichtennachfolge) im Sinne und in der Art des BGB, d. h. analog zum Zivilrecht oder ob er sich möglicherweise anders vollzieht. Der öffentlich-rechtliche Nachfolgetatbestand regelt das "Wie" des Übergangs.

 

Rz. 32

  • Unter dem Gesichtspunkt der nachfolgefähigen öffentlich-rechtlichen Positionen können drei weitgehend identische Bereiche erfasst werden.

    • In einer ersten Gruppe handelt es sich um Genehmigungen, wie sie im Bau- und Gewerberecht erteilt werden. Bei Baugenehmigungen herrscht heute darüber Einigkeit, dass erteilte Genehmigungen "für und gegen" jeden Rechtsnachfolger gelten (Grund: sachbezogener Verwaltungsakt). Der Erbe (aber auch der Käufer) ist Nutznießer der seinem Vorgänger erteilten Baugenehmigung; er ist aber auch an die dortigen Auflagen etc. gebunden. Im Gewerberecht (oder allgemein im öffentlichen Wirtschaftsrecht) wird jedoch ein erstes Unterscheidungsmerkmal eingeführt. Im Bereich der Personalkonzessionen (Beispiel: Apothekenkonzession) ist eine Übertragung unter Lebenden ausgeschlossen; dafür gibt es dort meistens ein "Hinterbliebenen-Privileg" im Todesfall. Diese Stellvertretererlaubnis (mit/ohne Übergangszeit) ist daher keine vom Konzessionsinhaber abgeleitete Rechtsposition, sondern eine originäre Erlaubnis des/der Erben.

      Fazit: Sachkonzessionen sind in vollem Umfang übergangsfähig.

    • Die Nachfolge im Sozial- und Beamtenrecht unterstreicht diese Grundregel, indem dort allein vermögensrechtliche Positionen übergangsfähig sind, während Rechte höchstpersönlicher Art vom Übergang ausgeschlossen sind. Am Beispiel des Beamtenrechts lässt sich dies am besten verdeutlichen: Rückständige Besoldungsbezüge sind vererbbar; Beihilfeansprüche erlöschen hingegen und die Witwen- und Waisenbezüge der Hinterbliebenen entstehen mit dem Tode des Beamten als eigenständige Ansprüche dieser Personengruppe, ohne von dem Verstorbenen abgeleitet zu werden.
    • Einen besonders aktuellen Bezug (Maßnahmen gegen "Störtransporte") nimmt die Nachfolge im Recht der Gefahrenabwehr (oder noch allgemeiner: im öffentlich-rechtlichen Sicherheitsrecht) ein. Die Nachfolgethematik ist dort vor allem durch eine geschickte Verschleierungspolitik der beteiligten Kreise ausgelöst. So wird häufig der Betreiber (z. B. die A-GmbH) einer mit einem Abbruch- bzw. Einstellungsbescheid versehenen Anlage versuchen, der Ersatzvornahme durch eine Fusion (z. B. auf die B-GmbH) zu entgehen. Diese und ähnliche Fallkonstellationen führten zu einem Umschwenken in der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte. Seit dem Jahr 1971 geht das Bundesverwaltungsgericht bei der Zustandsverantwortlichkeit (Gefahr geht von der Sache aus) von einem Übergang auf den Einzel- wie Gesamtrechtsnachfolger aus (s. BVerwG vom 18.09.1971, NJW 1971, 1624; seither ständige Rechtsprechung). Diese gilt heute ganz allgemein für grundstücksbezogene Ordnungsmaßnahmen wie z. B. einer baurechtlichen Abrissverfügung. Nur für den Fall des Polizeirechts gibt es noch keine einhellige Auffassung, ob es sich bei sachbezogenen Anordnungen um eine übergangsfähige Allgemeinverfügung handelt oder doch um eine persönliche Aufforderung an den Zustandsstörer. Besonders kontrovers wird die Frage des Übergangs der Nachfolge im Bereich der Verhaltensverantwortlichkeit diskutiert: Ist danach der neue Besitzer für die Schadensbeseitigung (!) des Vorbesitzers verantwortlich? Für den Fall der Einzelrechtsnachfolge (Verkauf/Schenkung) hält man den automatischen Übergang für unzulässig. Dies wird mit der – aus dem Steuerrecht kommenden – Begründung belegt, dass es keine "private" Disposition über öffentlich-rechtliche Pflichten geben dürfe. Im Erbfall hingegen wird der Übergang der Verhaltenshaftung auf den Erben dann befürwortet, wenn der auslösende Verwaltungsakt dem Vorgänger noch bekannt gegeben wurde (s. Schenke, Besonderes Verwaltungsrecht, II Rn. 470).
 

Rz. 33

  • Neben der Nachfolgefähigkeit ist vor allem der Nachfolgetatbestand heftig umstritten.

    • Dies betrifft zunächst die Frage, wie die konkrete Rechts- oder Pflichtenposition beschaffen sein muss, um übergangsfähig zu sein. Mit dem Stichwort des Übergangs auch "unfertiger Rechtslagen" hat sich in den letzten Jahren eine Auffassung durchgesetzt, die den Über­gang nicht mehr von der vorherigen Bekanntgabe des konkretisierten Verwaltung...

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