Rz. 29

Neben dem Ehegatten gehören zur Steuerklasse I die unter § 15 Abs. 1 Steuerklasse I Nr. 2 ErbStG aufgeführten Kinder. Kind i. S. d. Erbschaftsteuerrechts sind das eheliche Kind und die gesetzlich nicht mehr besonders aufgeführten nichtehelichen Kinder und Adoptivkinder. Kinder, die zur Zeit des Erbfalls noch nicht lebten, aber bereits gezeugt waren, gelten erbrechtlich als vor dem Erbfall geboren (§ 1923 Abs. 2 BGB; sog. Nasciturus); dies gilt auch erbschaftsteuerlich.

Die erbschaftsteuerrechtliche Begünstigung von Kindern folgt aus der im bürgerlichen Familien- und Erbrecht angelegten Mitberechtigung der Kinder am Familiengut. Kinder haben aufgrund ihres Unterhaltsanspruchs gegen ihre Eltern (§ 1601 BGB) an deren Vermögensverhältnissen teil. Beim Tode der Eltern stehen ihnen ein gesetzliches Erbrecht als Erben der ersten Ordnung (§ 1924 BGB) und ein Pflichtteilsanspruch (§ 2303 Abs. 1 BGB) zu. Diese Rechte sollen nach dem Willen des Gesetzgebers die Weitergabe des in der Familie gebildeten Vermögens an die nächste Generation fördern. Damit korrespondiert das Schutzziel des Familienprinzips, kleine und mittlere Vermögen als Grundlage der privaten Lebensgestaltung möglichst ungeschmälert in der Generationenfolge zu erhalten. Dem trägt die Einordnung von Kindern in die Steuerklasse I Rechnung.

Unter Beachtung dieses Gesetzeszwecks ist es sachgerecht, den erbschaftsteuerrechtlichen Kindsbegriff auf Kinder i. S. d. Abstammungsrechts (§ 1592 BGB) zu beschränken. Allein die bürgerlich-rechtliche Abstammung begründet Unterhaltspflichten sowie das gesetzliche Erbrecht und den Anspruch auf den Pflichtteil. Demgegenüber bestehen i. R.d. biologischen Vaterschaft diese gesetzlichen finanziellen Verpflichtungen, die zur Bildung und Weitergabe von Familienvermögen beitragen, nicht. Dies rechtfertigt es, ein Kind bei Erwerben von seinem biologischen Vater auf die ungünstigere Steuerklasse III zu verweisen.

 

Rz. 30

In seinem Urteil vom 05.12.2019 (BStBl II 2020, 322) nahm der BFH Stellung zur maßgebenden Steuerklasse beim Erwerb vom biologischen Vater. Im Streitfall klagte der biologische (leibliche), der aber nicht der rechtliche Vater i. S. d. § 1592 BGB seiner Tochter war. Rechtlicher Vater war ein anderer Mann, mit dem die Mutter zum Zeitpunkt der Geburt der Tochter verheiratet war. Der Kläger schenkte seiner Tochter einen Geldbetrag und begehrte die Anwendung der Steuerklasse I. Dies lehnte das FA mit der Begründung ab, Steuerklasse I finde nur im Verhältnis der Tochter zu ihrem rechtlichen Vater Anwendung, und besteuerte den Erwerb nach Steuerklasse III. Die rechtliche Vaterschaft zu einer anderen Person schließt nach Ansicht des FA die rechtliche Anerkennung der Vaterschaft als biologischer Vater nach § 1594 Abs. 2 BGB aus. Der hiergegen gerichtete Einspruch des Klägers blieb ohne Erfolg. Das FG gab jedoch der Klage statt. Nach Ansicht des FG ist eine einschränkende Auslegung des Begriffs des Kindes i. S. d. Abstammungsfiktion nach § 1592 Nr. 1 BGB (gesetzliche Vaterschaft des während einer Ehe geborenen Kindes) weder nach dem Wortlaut noch nach dem Sinn und Zweck des § 15 Abs. 1 Steuerklasse I Nr. 2 ErbStG zwingend und berücksichtige weder die Rspr. des BVerfG noch die Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) und die daraus resultierende Vorschrift des § 1686a BGB hinreichend. Außerdem stünde eine schenkungsteuerliche Privilegierung des biologischen Vaters mit der Begünstigung der biologischen Eltern im Falle der Adoption eines Kindes nach § 15 Abs. 1a ErbStG im Einklang. Daraufhin legte das FA gegen das Urteil Revision ein und machte eine Verletzung des § 15 Abs. 1 Steuerklasse I Nr. 2 ErbStG geltend. Der BFH kam in Übereinstimmung mit dem FA zum Ergebnis, dass beim Erwerb eines Kindes von seinem leiblichen Vater (biologischer Vater), der nicht auch der rechtliche Vater ist, Steuerklasse III Anwendung findet.

Begründung: Für die Steuerklasseneinteilung nach § 15 Abs. 1 ErbStG sind die bürgerlich-rechtlichen Vorschriften über die Abstammung und Verwandtschaft maßgebend. Nach § 1589 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Personen, deren eine von der anderen abstammt, in gerader Linie verwandt. Vater eines Kindes in diesem Sinne ist der Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter verheiratet ist, der die Vaterschaft anerkannt hat oder dessen Vaterschaft gerichtlich festgestellt ist (§ 1592 BGB; gesetzliche Vermutungsregelung). Das Vorliegen einer der drei Voraussetzungen führt dazu, dass ein Mann als zivilrechtlicher Vater angesehen wird. Diese zivilrechtliche Abstammung begründet für das Kind Unterhaltsansprüche sowie das gesetzliche Erbrecht und den Anspruch auf den Pflichtteil. Demgegenüber bestehen i. R.d. biologischen Vaterschaft diese gesetzlichen finanziellen Verpflichtungen nicht. Dies rechtfertigt es, ein Kind bei Erwerben von seinem biologischen Vater auf die ungünstigere Steuerklasse III zu verweisen.

Dies begegnet auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Begründung familiärer Rechtsb...

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