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Bis in die jüngste Zeit kontrovers wird das Verhältnis zwischen der Erbschaft-/Schenkungsteuer und der Einkommensteuer diskutiert. Die h. M. hält sich an die Vorgabe des Gesetzgebers in § 2 EStG und sieht den Kreis der einkommensteuerbaren Einkünfte auf die sieben Einkunftsarten beschränkt, bei denen eben der Erbfall fehlt. Danach stehen die beiden Steuern konkurrenzlos nebeneinander, so dass es alleine wegen der unterschiedlichen Erhebungstechnik (Periodensteuer kontra Stichtagsteuer) zu einer Doppelbelastung kommen kann. So werden der Erbschaftsteuer als Stichtagsteuer die Vermögenswerte ohne Berücksichtigung einer etwaigen latenten ESt-Belastung zugrunde gelegt. Das ErbStG selbst schließt die Berücksichtigung solcher latenter, d. h. noch nicht durch Bescheid aktualisierter, ESt-Nachlassverbindlichkeiten aus. Nicht unerwähnt bleiben sollte in diesem Zusammenhang die "Vorgänger"-Regelung des § 35 EStG, der zufolge bis 1998 die (aktuell wie damals) bestehende Nichtabzugsfähigkeit von latenten ESt-Schulden bei der ErbSt dadurch ausgeglichen hat, dass – umgekehrt – die Einkommensteuer ermäßigt werden konnte. Die Bestimmung ist aus steuersystematischen Gründen ab VZ 2000 nicht mehr anzuwenden.

Wiederum andere sehen in § 24 Nr. 2 EStG (nachträgliche Einkünfte des Rechtsnachfolgers) die Eintrittspforte erbschaftsteuerlicher Vorgänge in die Einkommensteuer ("achte Einkunftsart") oder gehen in Bezug auf die einmalige Leistungsfähigkeit aus verfassungsrechtlichen Überlegungen von einem (zumindest) wirtschaftlichen Interdependenzverhältnis zwischen beiden Steuern aus. Aus diesen Gründen spricht sich die wohl h. M. im Schrifttum (statt aller Mellinghoff/Birk, DStJG 1999, 73 ff., 121, 161) für die Berücksichtigung der latenten ESt-Verbindlichkeit als Nachlassverbindlichkeit gem. § 10 Abs. 5 ErbStG gerade in den Fällen des Generationenübergangs aus.

Einer solchen Berücksichtigung ist jedoch der BFH im Beschluss vom 16.08.2006 (BFH/NV 2006, 2261) für den Fall entgegengetreten, dass sich der Erbfall vor 1999 ereignete. Umgekehrt behandelt allerdings § 10 Abs. 1 Satz 3 ErbStG 2008 etwaige ESt-Erstattungsansprüche des Erblassers als Vermögensanfall des Erben, wobei der Grund für die Neufassung in der Vermögenserfassung der materiell entstandenen ESt-Erstattungsansprüche liegt (s. auch § 37 Abs. 2 AO); auf die Festsetzung wird nicht gewartet.

Schließlich sind die o. g. Bedenken gegen die Abschaffung des § 35 EStG aufgegriffen worden. Sie führten – jetzt als § 35b EStG – zur Wiedereinführung der alten Regelung. Damit wird eine Doppelbelastung mit Erbschaftsteuer und Einkommensteuer vermieden. Die Kollisionsnorm ist beschränkt auf Fälle, in denen beim Erben Einkünfte tatsächlich mit Einkommensteuer belastet werden, die zuvor als Vermögen oder Bestandteil von Vermögen bereits der Erbschaftsteuer unterlagen. Zu den Einkünften gehören dabei auch Gewinne aus der Veräußerung oder Entnahme einzelner Wirtschaftsgüter (Aufdeckung stiller Reserven), die beim Erblasser Betriebsvermögen waren und als Betriebsvermögen auf den Erwerber übergegangen sind, oder aus der Veräußerung oder Aufgabe eines ganzen Gewerbebetriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils nach § 16 EStG.

Ein rechtstechnisches Problem liegt in der Fixierung der einzelnen Verschonungsobjekte nach § 13b Abs. 1 und 2 ErbStG an ertragsteuerlichen Vorgaben.

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