Rz. 29

Zur Erfüllung des objektiven Tatbestands ist neben der Unentgeltlichkeit des Vorgangs eine Vermögensbewegung vom Zuwendenden zum Zuwendungsempfänger notwendig, die beim Zuwendenden zu einer Entreicherung und beim Zuwendungsempfänger zu einer Bereicherung führt. Ob eine Bereicherung vorliegt und in welcher Höhe, richtet sich nach zivilrechtlichen Grundsätzen; entsprechend ist der jeweilige Verkehrswert der Zuwendung heranzuziehen (s. Rn. 110 und R E 7.1 Abs. 2 Satz 2 ErbStR). Entreicherung und Bereicherung müssen nicht stoffgleich (deckungsgleich) sein, wie sich am Beispiel der mittelbaren Schenkung zeigt (s. Rn. 143). Transformationsglied zwischen Bereicherung des Zuwendungsempfängers und Entreicherung des Zuwendenden ist der übertragene Vermögensgegenstand.

 

Rz. 30

Eine Bereicherung ist dann unproblematisch, wenn der Vermögenszuwachs beim Zuwendungsempfänger in einer Zuführung von Aktivvermögen besteht. Aber auch in jeder Minderung von Schulden oder Belastungen des Bedachten ist eine Bereicherung zu sehen (s. R E 7.1 Abs. 2 Satz 1 ErbStR). Erforderlich ist allerdings, dass der Zuwendende im Außenverhältnis die Verbindlichkeiten tilgt oder übernimmt oder zumindest im Innenverhältnis eine verbindliche Freistellungserklärung vorliegt.

Nicht erforderlich für das Vorliegen einer freigebigen Zuwendung ist, dass der Zuwendungsempfänger eine Zuwendung aus der Vermögenssubstanz des Zuwendenden erhält. Die Bereicherung muss nur "auf Kosten des Zuwendenden", nicht aber "aus dem Vermögen des Zuwendenden" resultieren. Neben der mittelbaren Schenkung, deren Zulässigkeit durch die vom Zivilrecht abweichende Gesetzesformulierung nochmals verdeutlicht wird, hat dies auch Relevanz für die Hingabe zinsloser Darlehen (s. BFH vom 12.07.1979, BStBl II 1979, 631) sowie ggf. für Fälle der unentgeltlichen Gebrauchs- und Nutzungsüberlassungen (Einzelheiten s. Rn. 79 ff. und s. Rn. 90 ff.).

 

Rz. 31

Eine Bereicherung des Zuwendungsempfängers liegt nur dann vor, wenn der stattfindende Vermögenszuwachs nicht mit einem damit verbundenen Vermögensabfluss einhergeht. Wird die Zuwendung daher durch eine Gegenleistung des Bedachten ausgeglichen, fehlt es an der Unentgeltlichkeit der Zuwendung (Einzelheiten hierzu s. Rn. 239 ff.). Der Begriff Gegenleistung ist dabei in einem weiten Sinne zu verstehen. So kann sich die Gegenleistung aus einer synallagmatischen, aber auch aus einer kausalen oder konditionalen Verknüpfung mit der Zuwendung ergeben (s. Weidenkaff in Grüneberg, § 516 BGB Rn. 8; Gebel in T/G/J/G, § 7 Rn. 146 ff.; Weinmann in M/W, § 7 Rn. 12; Fischer in F/P/W, § 7 Rn. 251; Esskandari, in vO/L, § 7 Rn. 29 ff.; R E 7.1 Abs. 2 Satz 3 ErbStR). Dementgegen liegt aber keine Gegenleistung vor, wenn sich die Ansprüche nur faktisch gegenüberstehen, ohne dass sie rechtlich miteinander verknüpft oder voneinander abhängig sind (BFH vom 21.05.2001, BFH/NV 2001, 1407). Sofern die Höhe der Gegenleistung den Wert der Zuwendung nicht erreicht, liegt eine gemischt-freigebige Zuwendung (gemischte Schenkung) vor.

 

Rz. 32

Weiterhin erfordert eine freigebige Zuwendung die tatsächliche und rechtliche freie Verfügungsmöglichkeit des Bedachten über den Zuwendungsgegenstand. Fehlt es daran, weil der Zuwendungsempfänger bspw. zivilrechtlich zur Rückgewähr verpflichtet ist, liegt keine Bereicherung vor (BFH vom 26.09.1990, BStBl II 1991, 32; vom 25.01.2001, BFH/NV 2001, 908; vom 28.06.2007, BB 2007, 1830, vom 10.12.2008, DB 2009, 380; vom 23.03.2010, DB 2010, 932). Dies hat insbesondere in Fällen von Treuhandverhältnissen Relevanz (zu den Anforderungen an Treuhandverträge zwischen Ehegatten vgl. BFH vom 25.05.2011, DB 2011, 2750). Der Herausgabeanspruch des Zuwendenden kompensiert sodann die Bereicherung. Aus dem gleichen Grunde sollte es in Fällen, in denen der Zuwendungsempfänger dienst- oder arbeitsrechtlich zur Ablieferung der Zuwendung verpflichtet ist, an einer Bereicherung des Zuwendungsempfängers fehlen. Solche Fälle können insbesondere im klerikalen Bereich auftreten, wo Pfarrer nach Kirchenbeamtenrecht und Ordensangehörige nach Ordensstatut derartigen Pflichten unterliegen (s. § 13 Abs. 1 Nr. 16 ErbStG sowie Kemmer, ZEV 2004, 492), aber auch bei Pflegepersonal in Krankenhäusern und Pflegeheimen, wenn das Tarifrecht entsprechende Regelungen vorsieht.

 

Rz. 32a

Das FG Hamburg (Urteil vom 12.06.2018, EFG 2018, 1559; vgl. hierzu auch Lange, DStR 2019, 953) hatte einen Fall zu entscheiden, bei dem der Kläger seine Lebensgefährtin auf eine Luxusreise (Kreuzfahrt) mitgenommen hatte und für die gesamten Kosten aufkam. Die Lebensgefährtin selbst wäre wirtschaftlich nicht in der Lage gewesen, die (anteiligen) Kosten zu tragen. Das FG verneinte eine Bereicherung der Lebensgefährtin. Sie habe zwar im Vollzugsverhältnis zum Reiseveranstalter einen eigenen rechtlichen Anspruch erhalten (Vertrag zugunsten Dritter), im Valutaverhältnis zum Kläger habe sie darüber allerdings nicht frei verfügen können. Vielmehr hätte sie die Luxusreise "nur" als Begleitung des Klägers w...

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