Rz. 856

Damit eine Vermögensübertragung gegen Versorgungsleistungen als unentgeltlich einzustufen ist und somit beim Übergeber zu einer dauernden Last und beim Übernehmer zu Sonderausgaben führt, sind diverse Voraussetzungen erforderlich, die sich – jedenfalls teilweise – nicht unmittelbar aus dem Gesetzestext ergeben. Die Finanzverwaltung hat daher mit BMF-Schreiben vom 11.03.2010 (BStBl I 2010, 227, Rentenerlass IV) Stellung genommen. Das BMF-Schreiben ist auf alle Neufälle (Abschluss des schuldrechtlichen Übertragungsvertrages nach dem 31.12.2007) anzuwenden. Für Altverträge gilt das BMF-Schreiben vom 16.09.2004 (BStBl I 2004, 922; Rentenerlass III auch nach 2007 fort. Bei Mischfällen (Abschluss Übergabevertrag vor 2008 aber Änderung der Verhältnisse, z. B. Vermögensumschichtung, nach 2007) gilt eine differenzierte Anwendbarkeit von Rentenerlass III und Rentenerlass IV. Einzelheiten ergeben sich aus Tz. 81 ff., Rentenerlass IV. Im Einzelnen sind nach der aktuellen Gesetzeslage folgende Voraussetzungen erforderlich:

 

Rz. 857

  • Das übertragene Vermögen muss in einen Betrieb, Teilbetrieb oder Mitunternehmeranteil an einer Personengesellschaft, die eine Tätigkeit i. S. d. §§ 13, 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder 18 Abs. 1 EStG ausübt, bestehen oder einen mindestens 50 %igen Gesellschaftsanteil an einer GmbH darstellen, an der der Übergeber bis zur Übertragung als Geschäftsführer tätig war und der Übernehmer nach der Übertragung als Geschäftsführer tätig ist (§ 10 Abs. 1a Nr. 2a EStG). Gem. BFH vom 20.03.2017 (BStBl II 2017, 985) ist erforderlich, dass der Übergeber nach der Übergabe nicht mehr als Geschäftsführer tätig ist. Die Übertragung von Grundstücken, Geldvermögen, typisch stillen Beteiligungen, aber auch von Beteiligungen an Kapitalgesellschaften unter 50 % ist nicht begünstigt. Dies gilt für Anteile an Kapitalgesellschaften selbst dann, wenn es sich um eine personalistisch strukturierte Kapitalgesellschaft handelt. Die Nichteinbeziehung von Anteilen an Kapitalgesellschaften unter 50 % ist m. E. unsystematisch. So ist bedauerlich, dass der Gesetzgeber sich nicht durchringen konnte, einen Gleichklang mit der Regelung der §§ 13a-c ErbStG herbeizuführen, nach der Anteile an Kapitalgesellschaften, wenn der Übergeber zu mehr als 25 % beteiligt ist, als begünstigtes Betriebsvermögen verstanden werden.
 

Rz. 858

  • Des Weiteren muss das übertragene Vermögen wenigstens teilweise eine die Existenz sichernde ertragsbringende Wirtschaftseinheit darstellen. Nach BFH (Urteile vom 12.05.2003, BStBl II 2004, 95, zu C.II.6.; vom 15.10.2010, BStBl II 2011, 641, 643; vom 17.03.2010, BStBl II 2011, 622, Tz. 25) ist dies für Gewerbebetriebe, Teilbetriebe und Mitunternehmeranteile sowie für atypisch stille Beteiligungen widerleglich zu vermuten. Dieser Sichtweise hat sich auch die Finanzverwaltung angeschlossen (BMF vom 16.09.2004, BStBl I 2004, 922, Tz. 10; vom 11.03.2011, BStBl I 2010, 227, Tz. 29).
 

Rz. 859

  • Der Voraussetzung der ertragsbringenden Wirtschaftseinheit war früher größeres Gewicht beizumessen, da sie die Vermögensübergabe nicht ertragsbringender Wirtschaftseinheiten, wie z. B. Kunstsammlungen, unbebaute Grundstücke (Brachland), Bargeld, von Existenz sichernden Wirtschaftseinheiten abgrenzte. Eine Existenz sichernde, ertragsbringende Wirtschaftseinheit ist nach neuerer BFH-Rechtsprechung dann gegeben, wenn die Versorgungsleistungen aus den Nettoerträgen des überlassenen Vermögens bestritten werden können, wobei eine Abweichung nach unten von 10 % (Geringfügigkeitsgrenze) unschädlich sein soll (BFH vom 18.08.2010, BStBl II 2011, 633, Tz. 20; vom 17.03.2010, BStBl II 2011, 622, Tz. 24, 51; vom 16.06.2004, BStBl II 2005, 130; offen BMF vom 11.03.2010, BStBl I 2010, 227, Tz. 34 f. bezüglich der Geringfügigkeitsgrenze).
 

Rz. 860

  • Nach der aktuellen Gesetzeslage stellt sich diese Frage lediglich noch in Bezug auf Umschichtungsmöglichkeiten. Der BFH (Urteile vom 24.07.1996, BStBl II 1997, 315; vom 17.06.1998, BStBl II 2002, 646; BFH GrS vom 12.05.2003, BStBl II 2004, 95 unter C.II.6.a) hat für Altfälle die Übertragung von ertragslosem Vermögen mit der Maßgabe, dieses in eine Existenz sichernde Wirtschaftseinheit, z. B. einen Betrieb, umzuschichten zugelassen und als unentgeltliche Vermögensübertragung einer Existenz sichernden Wirtschaftseinheit gegen Versorgungsleistungen behandelt. Dem hat sich die Finanzverwaltung – Altfälle betreffend – weitgehend angeschlossen (BMF vom 16.09.2004, BStBl I 2004, 922, Tz. 13 ff.), wobei sie im Ergebnis fordert, dass die Bestimmung der Vermögensneuanlage im Übergabevertrag eindeutig geregelt ist und die Umschichtung innerhalb von drei Jahren erfolgt. Liegen diese Voraussetzungen vor, gewährt die Finanzverwaltung einen Abzug der Versorgungsleistungen als Sonderausgaben ab dem Zeitpunkt der Umschichtung. Voraussetzung für die Anerkennung der Umschichtung ist allerdings immer, dass zwischen den Parteien eine Regelung getroffen wurde, aus der hervorgeht, dass die Umschichtung auf einem einheitlichen...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Preißer, Erbschaft- und Schenkungsteuer (Schäffer-Poeschel). Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge