(1) Gemäß Artikel 9 Absatz 5 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 kann die ESMA, wenn die Bedingungen der Absätze 2 und 3 erfüllt sind, in der Union vorübergehend Folgendes verbieten oder beschränken:

 

a)

die Vermarktung, den Vertrieb oder den Verkauf von bestimmten Finanzinstrumenten oder von Finanzinstrumenten mit bestimmten Merkmalen oder

 

b)

eine Form der Finanztätigkeit oder -praxis.

Ein Verbot oder eine Beschränkung kann unter von der ESMA festgelegten Bedingungen oder vorbehaltlich von Ausnahmen geltend gemacht werden.

 

(2) Die ESMA fasst einen Beschluss gemäß Absatz 1 nur, wenn alle folgenden Bedingungen erfüllt sind:

 

a)

Die vorgeschlagene Maßnahme begegnet erheblichen Bedenken hinsichtlich des Anlegerschutzes oder einer Gefahr für das ordnungsgemäße Funktionieren und die Integrität der Finanz- oder Warenmärkte oder für die Stabilität des gesamten Finanzsystems in der Union oder eines Teils davon,

 

b)

die regulatorischen Anforderungen nach dem Unionsrecht, die auf das jeweilige Finanzinstrument oder die jeweilige Finanztätigkeit anwendbar sind, wenden die Gefahr nicht ab,

 

c)

eine oder mehrere zuständige Behörden haben keine Maßnahmen ergriffen, um der Bedrohung zu begegnen, oder die ergriffenen Maßnahmen werden der Bedrohung nicht gerecht.

Wenn die Voraussetzungen nach Unterabsatz 1 erfüllt sind, kann die ESMA das Verbot oder die Beschränkung nach Absatz 1 vorsorglich aussprechen, bevor ein Finanzinstrument vermarktet, vertrieben oder an Kunden verkauft wird.

 

(3) Bei der Ergreifung von Maßnahmen im Sinne dieses Artikels stellt die ESMA sicher, dass die Maßnahme

 

a)

keine negativen Auswirkungen auf die Effizienz der Finanzmärkte oder auf die Anleger hat, die in keinem Verhältnis zu den Vorteilen der Maßnahme stehen,

 

b)

kein Risiko einer Aufsichtsarbitrage schafft und

 

c)

nach Anhörung der für die Beaufsichtigung, Verwaltung und Regulierung der landwirtschaftlichen Warenmärkte gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 zuständigen öffentlichen Stellen ergriffen wurde, sofern die Maßnahme Derivate auf landwirtschaftliche Grunderzeugnisse betrifft.

Haben eine oder mehrere zuständige Behörden eine Maßnahme nach Artikel 42 ergriffen, kann die ESMA die in Absatz 1 genannten Maßnahmen ergreifen, ohne die in Artikel 43 vorgesehene Stellungnahme abzugeben.

 

(4) Bevor die ESMA beschließt, Maßnahmen nach diesem Artikel zu ergreifen, unterrichtet sie die zuständigen Behörden über ihr vorgeschlagenes Vorgehen.

 

(5) Die ESMA gibt auf ihrer Website jeden Beschluss einer nach diesem Artikel zu ergreifenden Maßnahme bekannt. Die Mitteilung erläutert die Einzelheiten des Verbots oder der Beschränkung und nennt einen Zeitpunkt nach der Veröffentlichung der Mitteilung, an dem die Maßnahmen wirksam werden. Ein Verbot oder eine Beschränkung gelten erst dann, wenn die Maßnahmen wirksam geworden sind.

 

(6)[1] Die ESMA überprüft ein Verbot oder eine Beschränkung gemäß Absatz 1 in geeigneten Zeitabständen, und mindestens alle sechs Monate. Nach mindestens zwei aufeinanderfolgenden Verlängerungen kann die ESMA auf der Grundlage einer ordnungsgemäßen Analyse zur Bewertung der Auswirkungen auf die Verbraucher die jährliche Verlängerung des Verbots oder der Beschränkung beschließen.

Bis 31.12.2021:

(6) Die ESMA überprüft ein Verbot oder eine Beschränkung gemäß Absatz 1 in geeigneten Zeitabständen, mindestens aber alle drei Monate. Wird das Verbot oder die Beschränkung nach Ablauf dieser drei Monate nicht verlängert, treten sie automatisch außer Kraft.

 

(7) Eine gemäß diesem Artikel beschlossene Maßnahme der ESMA erhält Vorrang vor allen etwaigen früheren Maßnahmen einer zuständigen Behörde.

 

(8) Die Kommission nimmt delegierte Rechtsakte gemäß Artikel 50 an, in denen die Kriterien und Faktoren festgelegt werden, die von der ESMA bei der Bestimmung der Tatsache zu berücksichtigen sind, wann erhebliche Bedenken hinsichtlich des Anlegerschutzes gegeben sind oder die ordnungsgemäße Funktionsweise und die Integrität der Finanzmärkte oder der Warenmärkte oder aber die Stabilität des gesamten oder eines Teils des Finanzsystems in der Union im Sinne von Absatz 2 Buchstabe a gefährdet ist.

Diese Kriterien und Faktoren schließen unter anderem Folgendes ein:

 

a)

den Grad der Komplexität eines Finanzinstruments und den Bezug zu der Art von Kunden, an die es vermarktet und verkauft wird,

 

b)

das Volumen oder den Nominalwert bei Ausgabe eines Finanzinstruments,

 

c)

den Innovationsgrad eines Finanzinstruments, einer Finanztätigkeit oder einer Finanzpraxis,

 

d)

den Leverage-Effekt eines Finanzinstruments oder einer Finanzpraxis.

[1] Abs. 6 geändert durch Verordnung (EU) 2019/2175. Anzuwenden ab 01.01.2022.

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