Schrifttum

Nöcker, Das In-camera-Verfahren im Finanzgerichtsprozess, AO-StB 2009, 214.

 

Tz. 1

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

§ 86 Abs. 1 FGO ergänzt § 82 FGO im Hinblick auf den Urkundsbeweis, soweit Behörden zur Vorlage von Urkunden und Akten verpflichtet sowie zur Übermittlung elektronischer Dokumente im Rahmen des elektronischen Rechtsverkehrs (§ 52a FGO) sind (s. § 82 FGO Rz. 10) und erstreckt sich auch auf Auskünfte, die gegenüber dem FG zu erteilen sind. Gleichzeitig stellt die Vorschrift sicher, dass auch im finanzgerichtlichen Verfahren das Steuergeheimnis gewahrt wird (§ 30 AO; BFH v. 07.12.2006, V B 163/05, BStBl II 2007, 275). Denn das finanzgerichtliche Verfahren darf nicht dazu führen, dass einem Beteiligten die Kenntnis von Umständen verschafft werden, auf die er nach dem Privatrecht keinen Anspruch hat, also beispielsweise einem nichtgeschäftsführenden Gesellschafter unterschiedslos Einblick in den Außenprüfungsbericht zu gewähren. Wegen der Einzelheiten s. § 352 AO Rz. 2. Auch bei Erteilung von Informationen an Verfahrensbeteiligte ist das Steuergeheimnis zu beachten. Soweit das Steuergeheimnis Dritte schützt, hat die beteiligte Behörde die in Betracht kommenden Teile der Akten vor der Übersendung an das Gericht zu entnehmen. Im Streitfalle entscheidet das Gericht (§ 86 Abs. 3 FGO). Die Vorlage- und Auskunftspflicht betrifft alle Behörden, nicht nur die beklagte Finanzbehörde; daher konkretisiert § 86 Abs. 1 FGO auch den Grundsatz der Amtshilfe (§ 13 FGO). Für die beklagte Behörde ist indessen § 71 Abs. 2 FGO zu beachten.

 

Tz. 2

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die ersuchte Behörde muss die angeforderten Akten grds. vollständig vorlegen, es sei denn es liegt ein Verweigerungsgrund vor (s. Rz. 1 und 4). Dazu gehören auch Prüferhandakten, z. B. die Handakte eines Fahndungsprüfers. Zu den Dritten, deren Verhältnisse durch das Steuergeheimnis geschützt werden und deren Verhältnisse durch die Vorlage der Akten nicht unbefugt offenbart werden dürfen, zählen auch die Informationspersonen wie Anzeigenerstatter oder Gewährsleute (BFH v. 08.02.1994, VII R 88/92, BStBl II 1994, 552; BFH v. 07.05.2001, VII B 199/00, BFH/NV 2001, 1366).

 

Tz. 3

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Nach § 86 Abs. 2 Satz 1 FGO kann die oberste Aufsichtsbehörde die Vorlage von Urkunden und Akten in bestimmten Fällen verweigern (sog. Sperrerklärung). Die Entscheidung muss der Behördenleiter oder sein ständiger Vertreter treffen (s. BVerwG v. 19.08.1964, VI B 15.62, BVerwGE 19, 179; Seer in Tipke/Kruse, § 86 FGO Rz. 15). Auch s. § 106 AO.

 

Tz. 4

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

§ 86 Abs. 1 und 2 FGO enthält vier Gründe, bei deren Vorliegen die betroffene Behörde die Vorlage von Urkunden und Akten sowie die Übermittlung elektronischer Dokumente und die Erteilung von Auskünften verweigern darf: Schutz des Steuergeheimnisses Dritter (§ 86 Abs. 1 2. Halbs. FGO, Abwehr von Nachteilen für das Wohl des Bundes oder eines Landes (§ 86 Abs. 2 Satz 1 1. Alt. FGO), Schutz eines gesetzlichen Amtsgeheimnisses (z. B. Sozialgeheimnis i. S. des § 35 SBG I, § 86 Abs. 2 Satz 1 2. Alt. FGO) sowie Schutz von Vorgängen, die ihrem Wesen nach geheim sind (z. B. Akten des Verfassungsschutzes oder der Geheimdienste, § 86 Abs. 2 Satz 1 3. Alt. FGO; zum Ganzen Herbert in Gräber, § 86 FGO Rz. 8 ff; Schallmoser in HHSp, § 86 FGO Rz. 31 ff.; Seer in Tipke/Kruse, § 86 FGO Rz. 8 ff.; eingehend Stiepel in Gosch, § 86 FGO Rz. 27 ff.). Der Verweigerung zur Urkundenvorlage etc. stehen die Regelungen des IFG nicht entgegen. Dieses gilt nach § 1 Abs. 1 IFG zum einen nur gegenüber Behörden des Bundes, nicht gegenüber dem FA als Landesbehörde –, zum anderen besteht ein Anspruch auf Informationszugang nach § 3 Nr. 4 IFG dann nicht, wenn die Information einer durch Rechtsvorschrift geregelten Geheimhaltungs- oder Vertraulichkeitspflicht unterliegt; eine solche Rechtsvorschrift stellt § 30 AO dar (BFH v. 07.12.2006, V B 163/05, BStBl II 2006, 275). Darüber hinaus gilt die Beschränkung der Aktenvorlage (§ 86 Abs. 2 Satz 1 FGO) gem. § 86 Abs. 2 Satz 2 FGO in den Fällen des § 88 Abs. 3 Satz 3 AO und Abs. 5 Satz 4 AO (Weisungen zur Art und zum Umfang von Ermittlungen), § 88 Abs. 5 Satz 4 AO (Einzelheiten der sog. Risikomanagementsysteme) und des § 156 Abs. 2 Satz 3 AO (Weisungen zum Absehen von der Steuerfestsetzung) entsprechend (vgl. eingehend Stiepel in Gosch, § 86 FGO Rz. 39.1 ff.).

 

Tz. 5

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§ 86 Abs. 3 FGO regelt das Verfahren für den Fall, dass die Aktenvorlage verweigert wird. Nach § 86 Abs. 3 Satz 1 FGO in der seit dem 01.05.2005 geltenden Fassung ist für alle nach diesem Zeitpunkt vorgenommenen Verfahrenshandlung ausschließlich der BFH in den Fällen des § 86 Abs. 1 und 2 FGO für Feststellung – auf Antrag eines Beteiligten – zuständig, ob die Verweigerung der Aktenvorlage oder die der Erteilung von Auskünften rechtmäßig ist (BFH v. 07.12.2006, V B 163/05, BStBl II 2007, 275). Die Ablehnung der Erteilung einer Bescheinigung nach § 7h EStG kann daher nicht ...

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