Schrifttum

Bartone, Die Sprungklage (§ 45 FGO), AO-StB 2010, 275.

A. Bedeutung der Vorschrift

 

Tz. 1

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Grundsätzlich muss vor Erhebung einer Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage (§ 40 Abs. 1 FGO) ein außergerichtliches Rechtsbehelfsverfahren (Einspruchsverfahren) durchgeführt werden (§ 44 Abs. 1 FGO). § 45 FGO begründet eine Ausnahme vom Vorliegen dieser Sachentscheidungsvoraussetzung (s. § 44 FGO Rz. 1 f.; s. Vor FGO Rz. 30). Die Sprungklage stellt dabei keine eigene Klageart dar, sondern wird je nach Klagebegehren als Anfechtungsklage oder Verpflichtungsklage erhoben. § 45 FGO gilt nicht nur für alle Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen gegen das FA, sondern auch gegen das HZA wegen Zollsachen, wenn diese auch im UZK geregelt sind. Zwar schreibt Art. 44 Abs. 2 UZK ein Verwaltungs- und ein gerichtliches Verfahren vor, doch stehen dem Recht des Betroffenen, auf das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren zu verzichten, keine gemeinschaftsrechtlichen Regelungen entgegen. Die Sprungklage hat keine Entsprechung in der VwGO und im SGG. Da § 45 FGO seinem Wortlaut nach und aufgrund des Regelungszusammenhangs mit § 44 Abs. 1 FGO ausschließlich für Klagen gilt, kommt eine analoge Anwendung auf die AdV dergestalt, dass AdV beim Gericht der Hauptsache mit Zustimmung des FA unmittelbar beantragt werden könnte, ohne dass die Voraussetzungen des § 69 Abs. 4 FGO erfüllt wären, nicht in Betracht (Bartone, AO-StB 2010, 275, 27; Levedag in Gräber, § 45 FGO Rz. 4).

B. Statthaftigkeit der Sprungklage

 

Tz. 2

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

§ 45 Abs. 1 Satz 1 FGO lässt in allen Fällen, in denen ein außergerichtliches Vorverfahren gegeben ist (§ 44 Abs. 1 FGO; vorstehend s. Rz. 1), die unmittelbare Anrufung des FG ohne Durchführung des Einspruchsverfahrens zu (sog. Sprungklage), wenn die Behörde, die zur Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf berufen ist, dieser zustimmt. Begrifflich kommt eine Sprungklage damit nicht in Betracht bei sonstigen Leistungsklagen (s. § 40 FGO Rz. 8), bei Feststellungsklagen und in den Fällen des § 348 AO (dazu auch s. § 46 FGO Rz. 1). Auf die Art des angefochtenen Verwaltungsakts bzw. desjenigen, dessen Vornahme begehrt wird, kommt es nicht an. Der anzufechtende VA muss jedoch erlassen sein; eine zu dessen Erlass erhobene Sprungklage ist unzulässig, da § 45 FGO durch § 46 FGO verdrängt wird. Das Gesetz kennt keine Untätigkeitssprungklage (BFH v. 19.05.2004, III R 36/02, BFH/NV 2004, 1655). Daher setzt eine zulässige Sprungklage bei einem Verpflichtungsbegehren voraus, dass die Finanzbehörde zuvor einen Antrag auf Erlass des begehrten Verwaltungsaktes mindestens durch einen Verwaltungsakt abgelehnt hat (BFH v. 19.05.2004, III R 36/02, BFH/NV 2004, 1655; BFH v. 05.07.2012, V R 58/10, BFH/NV 2012, 1953). Die unmittelbare Klage ist auch gegeben, soweit es sich um Ermessenssachen handelt, und zwar trotz der insoweit durch § 102 Satz 1 FGO eingeschränkten Überprüfbarkeit. Im Hinblick darauf, dass einerseits die Erhebung der Sprungklage nur zur Disposition des Rechtssuchenden gestellt ist und andererseits die Zustimmung der zur Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf berufenen Behörde erforderlich ist, besteht u. E. kein Anlass, den Anwendungsbereich der Vorschrift in Bezug auf Ermessensentscheidungen generell oder wenigstens soweit es sich um Billigkeitsmaßnahmen handelt (Stundung, Erlass usw.) durch teleologische Reduktion einzuschränken (Bartone, AO-StB 2010, 275, 276; gl. A. Seer in Tipke/Kruse, § 45 FGO Rz. 1; von Beckerath in Gosch, § 45 FGO Rz. 12, 32; Levedag in Gräber, § 45 FGO Rz. 8; a. A. Steinhauff in HHSp, § 45 FGO Rz. 11). Im Übrigen kommt nach Einlegung des Einspruchs (§ 347 AO) grds. keine Sprungklage in Betracht (BFH v. 04.08.2005, II B 80/04, BFH/NV 2006, 74); aber s. Rz. 3.

C. Klagefrist

 

Tz. 3

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die Erhebung der Sprungklage ist fristgebunden. Die Frist von einem Monat beginnt nach § 47 Abs. 1 FGO mit der (wirksamen) Bekanntgabe (§ 122 AO) des Verwaltungsakts. Bei unverschuldeter Versäumung der Frist kommt Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht (§ 56 FGO; auch BFH v. 16.11.1984, VI R 176/82, BStBl II 1985, 266). Die Klage ist bei dem FG schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erheben (§ 64 Abs. 1 FGO; vgl. aber auch § 52a FGO); zur Fristwahrung im Falle der Anbringung der Klage bei der Behörde (§ 47 Abs. 2 FGO). Die Klageschrift muss den Mindestanforderungen jeder Klage genügen. Die Umdeutung eines außergerichtlichen Rechtsbehelfs in eine Sprungklage und umgekehrt ist wegen der Unterschiede des Rechtsschutzbegehrens nach Inhalt und Ziel nicht möglich (gl. A. Levedag in Gräber § 45 FGO Rz. 16; Steinhauff in HHSp, § 45 FGO Rz. 13). Zwar kann eine Sprungklage nicht neben einem Einspruch erhoben werden und umgekehrt (BFH v. 27.09.1994, VIII R 36/89, BStBl II 1995, 353; BFH v. 04.08.2005, II B 80/04, BFH/NV 2006, 74). Jedoch begegnet die Erhebung der unmittelbaren Klage nach Einlegung eines Einspruchs innerhalb der Rechtsbehelfsfrist keinen Bedenke...

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