A. Allgemeines

 

Tz. 1

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Eines der wichtigsten in § 92 AO genannten Beweismittel ist der in § 93 AO normierte Beweis durch Auskünfte. Als Mittel zur Beweiserhebung setzen Auskunftsverlangen voraus, dass die begehrte Auskunft zur Aufklärung des für die Besteuerung relevanten Sachverhalts geeignet und notwendig ist, die Erfüllung des Auskunftsverlangens für den Betroffenen (voraussichtlich) möglich und die Inanspruchnahme des Betroffenen erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar ist (BFH v. 21.03.2002, VII R 152/01, BStBl II 2002, 495; BFH v. 23.10.1990, VIII R 1/86, BStBl II 1991, 277). Die Vorschrift bietet keine Rechtsgrundlage für ein Ermitteln "ins Blaue hinein", setzt also einen konkreten Anhaltspunkt für das Anfordern von Auskünften voraus (BFH v. 19.07.2015, X R 4/14, BStBl II 2016, 135). Diese Gesichtspunkte muss die Finanzbehörde bei der Ausübung des ihr in § 92 Satz 1 AO eingeräumten Ermessens beachten. Dies gilt auch für die in § 93 Abs. 7 und 8 AO eröffnete Möglichkeit eines Datenabrufs bei Kreditinstituten. Die Möglichkeiten der Erhärtung der Auskünfte durch Eid bzw. eidesstattliche Versicherung sind in den §§ 94 und 95 AO enthalten, während die Auskunftsverweigerungsrechte in den §§ 101ff. AO behandelt werden. Wegen der Entschädigung der Auskunftspflichtigen s. § 107 AO.

B. Bedeutung und Anwendungsbereich der Vorschrift

 

Tz. 2

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Ein Auskunftsersuchen ist ein vergleichsweise einfaches Mittel, im Rahmen der Sachaufklärung zu Erkenntnissen zu gelangen. Deshalb machen die Finanzbehörden in vielfältiger Hinsicht von diesem Aufklärungsmittel Gebrauch. Die Vorschrift hat ihre vorrangige Bedeutung zweifelsohne im Festsetzungsverfahren; sie gilt aber gleichermaßen im Rechtsbehelfsverfahren wie auch im Erhebungs- und Vollstreckungsverfahren (BFH v. 22.02.2000, VII R 73/98, BStBl II 2000, 366; BFH v. 19.12.2006, VII R 46/05, BStBl II 2007, 365; m. w. N.). Gegenüber einem Vorlageverlangen nach § 97 AO ist das Auskunftsersuchen nach § 93 AO vorrangig (BFH v. 24.02.2010, II R 57/08, BFH/NV 2010, 968; BFH v. 30.03.2011, I R 75/10, BFH/NV 2011, 1287). Im Steuerstrafverfahren findet § 93 AO wegen der spezielleren Vorschrift des § 385 AO keine Anwendung. Darüber hinaus schließen auch einige andere Vorschriften die Anwendung der Vorschrift ganz oder teilweise aus (z. B. § 200 Abs. 1 Satz 4 AO, § 208 Abs. 1 Satz 3 AO, § 211 AO, auch wenn Letztere nicht ausdrücklich auf § 93 AO Bezug nimmt). Auch außersteuerliche Gesetze können die Auskunftspflicht, insbes. für andere Behörden, begrenzen (Nachweise bei Seer in Tipke/Kruse, § 93 AO Rz. 12). Von besonderer Bedeutung sind die Regelungen des automatisierten Kontenabrufs, der nicht nur der FinVerw, sondern auch anderen Behörden zugutekommt, s. Rz. 15 ff.

§ 93 Abs. 7 bis Abs. 10 AO enthalten spezielle Regelungen für einen Abruf von Kontoinformationen. Seit dem VZ 2009 trägt die Regelung des § 93 Abs. 7 AO dem Umstand Rechnung, dass für Einkünfte aus Kapitalvermögen eine Abgeltungssteuer besteht (s. Rz. 15 ff.).

Zum zeitlichen Anwendungsbereich der verschiedenen Fassungen von § 93 Abs. 7 Satz 2 und Abs. 8 AO bis zum 31.12.2019 bzw. ab 01.01.2020 s. Art. 97 § 26 EGAO.

Art. 97 § 26 EGAO lautet:

(3) § 93 Absatz 7 Satz 2 erster Halbsatz und Absatz 8 sowie § 93b Absatz 1a und 2 der Abgabenordnung in der am 25. Juni 2017 geltenden Fassung sind ab dem 1. Januar 2020 anzuwenden. Bis zum 31. Dezember 2019 ist § 93 Absatz 7 Satz 2 Halbsatz 1 und Absatz 8 sowie § 93b Absatz 2 der Abgabenordnung in der am 24. Juni 2017 geltenden Fassung weiter anzuwenden.

C. Tatbestandliche Voraussetzungen der Auskunftspflicht nach Abs. 1 bis 6

I. Die Auskunftspflichtigen

 

Tz. 3

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Auskunftspflichtig sind die Beteiligten und andere Personen. Die Auskunftspflicht trifft also natürliche und juristische Personen sowie nicht rechtsfähige Vereinigungen, Vermögensmassen, Behörden und Betriebe gewerblicher Art der Körperschaften des öffentlichen Rechts. Nicht natürliche Personen kommen ihrer Auskunftspflicht durch ihre gesetzlichen Vertreter, besonderen Beauftragten, Leiter oder Mitglieder nach (s. §§ 34, 79 AO; s. auch § 103 Satz 1 AO). Natürliche Personen, die nicht handlungsfähig sind, sind auskunftsfähig und neben den für sie handelnden Personen auskunftspflichtig. Den Beteiligten stehen in Hinsicht auf die Auskunftspflicht gleich die gesetzlichen und gewillkürten Vertreter (ggf. auch der nach § 81 AO bestellte Vertreter); solche Personen sind im Verhältnis zum Beteiligten nicht Dritte.

Die Auskunftspflicht betrifft nicht nur den Beteiligten, sondern auch "andere Personen". Zum Beteiligtenbegriff s. § 78 AO. Beteiligter in diesem Sinne ist auch derjenige, an den die Finanzbehörde einen Haftungsbescheid richten will, und zwar auch bezüglich des Haftungsumfangs (BFH v. 11.07.1989, VII R 81/87, BStBl II 1990, 357); insoweit muss sich das Auskunftsverlangen auf den haftungserheblichen Sachverhalt erstrecken (BFH v. 18.03.1987, II R 35/86, BStBl II 1987, 419). Die Auskunftspflicht Dritter rechtfertigt sich aus dem Interesse der Allgemeinheit an zutreffender, gleichmäßiger und unverkürzter Beste...

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