Tz. 1

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die Vorschrift befasst sich mit der Verwirklichung des zu den Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis (s. § 37 AO) zählenden Haftungsanspruchs, für den der in § 191 AO geregelte Haftungsbescheid die Grundlage bildet (s. § 218 Abs. 1 AO). Die Bestimmung erklärt sich aus der Subsidiarität des Haftungsanspruchs. Zum Erlass des Haftungsbescheids s. § 191 AO und die dortige Rz. 3. Die Inanspruchnahme des Haftungsschuldners auf Zahlung bedarf eines zusätzlichen Verwaltungsakts. Liegen die Voraussetzungen § 219 Satz 1 AO bereits im Zeitpunkt des Erlasses des Haftungsbescheids vor, so können Haftungsbescheid und Leistungsgebot miteinander verbunden werden (s. Rz. 5). Die Zahlungsaufforderung ist das Leistungsgebot i. S. des § 254 Abs. 1 AO (BFH v. 26.03.1995, VII S 39/92, BFH/NV 1995, 950). Daher gilt die Vorschrift für das Duldungsgebot entsprechend.

 

Tz. 2

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Grundsätzlich darf nach § 219 Satz 1 AO der Haftungsschuldner nur auf Zahlung in Anspruch genommen werden, soweit die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen (s. §§ 281 bis 321 AO) des Stpfl. entweder ohne Erfolg geblieben oder anzunehmen ist, dass die Vollstreckung aussichtslos sein würde. Auch der Rückforderungsschuldner einer an ihn zedierten und zu Unrecht erstatteten Steuervergütung ist vorrangig zur Leistung verpflichtet (BFH v. 08.07.2004, VII B 257/03, BFH/NV 2004, 1523). Ist der Anspruch teilweise befriedigt worden, kommt unter den genannten Voraussetzungen die Inanspruchnahme des Haftungsschuldners auf Zahlung des noch offenen Betrags in Betracht. Die Ausnahmen von diesem Grundsatz normiert § 219 Satz 2 AO (s. Rz. 3). Die Gewissheit der Erfolglosigkeit der Vollstreckung ist nicht erforderlich. Ebenso wenig ist das FA gezwungen, erfolglose Vollstreckungsversuche vorzunehmen und nachzuweisen (BFH v. 24.04.2008, V B 262/07, BFH/NV 2008, 1448.; BFH v. 30.08.2017, II R 48/15, BStBl II 2018, 24). Die voraussichtliche Aussichtslosigkeit von Vollstreckungsmaßnahmen muss sich aus den Akten ergeben. Sie kann z. B. darauf beruhen, dass der Stpfl. unbekannten Aufenthalts oder im Ausland ist, Insolvenz beantragt hat, nach Aufgabe seines Wohnsitzes eine längere Freiheitsstrafe abbüßt, erweislich von der Sozialhilfe lebt u. Ä. Die tatsächliche Erfolglosigkeit von Vollstreckungsmaßnahmen setzt im Übrigen voraus, dass die Zwangsvollstreckung ernstlich versucht worden ist. Es reicht nicht aus, nur die Vollstreckung in das Betriebsvermögen des Stpfl. zu versuchen, wenn die Möglichkeit besteht, dass die Vollstreckung in das Privatvermögen erfolgreich ist. Das FA darf weitere Vollstreckungsversuche nicht etwa allein deshalb unterlassen, weil feststeht, dass die wirtschaftliche Situation des Haftungsschuldners ungleich günstiger und daher die Verwirklichung des Haftungsanspruchs mit geringerem Aufwand zu erreichen sein wird. Es ist nicht erforderlich, vor der Zahlungsinanspruchnahme des Haftungsschuldners in jedem Fall auch die Vollstreckung in das unbewegliche Vermögen (s. §§ 322, 323 AO) zu versuchen. Es kann aber der Ausübung pflichtgemäßen Ermessens entsprechen, zuvor die Immobiliarvollstreckung zu betreiben, wenn sie rasch Erfolg verspricht – was aber eher die Ausnahme ist.

 

Tz. 3

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Es besteht keine Veranlassung für die Schonung des Haftungsschuldners, wenn die Entstehung eines Steuerrückstands ganz oder überwiegend seinem ihm vorwerfbaren Verhalten zuzurechnen ist. Beruht die Haftung darauf, dass der Haftungsschuldner Steuerhinterziehung (s. § 370 AO) oder Steuerhehlerei (s. § 374 AO) begangen hat (s. § 71 AO), so braucht sich das FA nicht grundsätzlich zuerst an den Stpfl. zu halten (s. § 219 Satz 2 AO). In diesen Fällen muss der Haftungsbescheid auf § 71 AO gestützt sein (BFH v. 26.03.1995, VII S 39/92, BFH/NV 1995, 950). Schließlich hebt § 219 Satz 2 AO die Subsidiarität der Haftungs- gegenüber der Steuerschuld dann auf, wenn die Haftung auf der gesetzlichen Verpflichtung des Haftungsschuldners beruht, Steuern einzubehalten und abzuführen (Steuerabzugsbeträge, s. § 42d EStG) oder zulasten eines anderen zu entrichten (s. § 69 i. V. m. § 34 Abs. 1 Satz 2 AO). Auch hier liegen eigene Pflichtverletzungen des Haftungsschuldners vor, die seine grundsätzliche Gleichbehandlung mit dem Stpfl. rechtfertigen. Aber auch in diesen Fällen kann es der Ausübung pflichtgemäßen Ermessens entsprechen, dass sich das FA zunächst an den Stpfl. hält (s. AEAO zu § 219, Nr. 2).

 

Tz. 4

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Wegen der Haftung für schuldhaft nicht abgeführte Umsatzsteuer enthält § 25d Abs. 4 UStG die Aussage, dass § 219 AO nicht gilt. Daraus kann aber nicht gefolgert werden, dass für einen Haftungsbescheid nach § 25d UStG ein Leistungsgebot grundsätzlich entbehrlich wäre. Durch den Haftungsbescheid nach § 25d UStG soll es dem FA möglich werden, gegen einen Steuererstattungs- oder -vergütungsanspruch aufzurechnen. Mit Erlass des Haftungsbescheids besteht die Aufrechnungslage nach § 226 AO (...

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