Schrifttum

Bartone, Gesellschafterfremdfinanzierung – Die Frage der Vereinbarkeit des § 8a KStG mit Verfassungs-, Europa- und Völkerrecht; 2001 (zugl. Diss. Saarbrücken 2000);

Grube, Der Einfluss des EU-Beihilfenrechts auf das deutsche Steuerrecht, DStZ 2007, 371;

Hummel, Zur innerstaatlichen Bindungswirkung von auf Doppelbesteuerungsabkommen beruhenden Konsultationsvereinbarungen – Betrachtungen anlässlich der Ergänzung von § 2 AO durch das Jahressteuergesetz 2010, IStR 2011, 397;

Zorn/Twardosz, Gemeinschaftsgrundrechte und Verfassungsgrundrechte im Steuerrecht, DStR 2007, 2185;

Sauer, Staatsrecht III, 2. Aufl. 2013;

Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, 7. Aufl. 2016.

A. Bedeutung der Vorschrift

 

Tz. 1

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

§ 2 Abs. 1 AO soll klarstellen, dass "völkerrechtliche Vereinbarungen, soweit sie innerstaatliches Recht geworden sind, Vorrang vor den innerstaatlichen Steuergesetzen haben und deshalb allein durch spätere innerstaatliche Gesetze nicht abgeändert werden können" (BT-Drs. 7/4292, 15). Dieses Ziel kann durch § 2 Abs. 1 AO indessen nicht erreicht werden, da durch diese Norm des einfachen Bundesrechts kein allgemeiner Vorrang völkerrechtlicher Verträge begründet werden kann (s. Rz. 14 f.). Allerdings ist die Norm kein bloß deklaratorischer Programmsatz, der lediglich die Völkerrechtsfreundlichkeit der deutschen Rechtsordnung zum Ausdruck bringen soll, sondern eine Norm zur Auflösung von Kollisionen zwischen transformiertem Völkervertragsrecht und nationalem Recht (s. Rz. 16 ff.). Von § 2 Abs. 1 AO nicht erfasst ist das Europarecht, da dessen Anwendungsvorrang für das inländische Recht auf Art. 23 GG beruht (s. Rz. 9).

 

Tz. 2

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§ 2 Abs. 2 Satz 1 AO, der durch das JStG 2010 eingefügt wurde, ermächtigt das BMF, zur Sicherung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung oder doppelten Nichtbesteuerung mit Zustimmung des Bundesrates Rechtsverordnungen (Art. 80 GG) zur Umsetzung von Konsultationsvereinbarungen, wie sie in § 2 Abs. 2 Satz 2 AO und in den DBA vorgesehen sind (vgl. Art. 25 Abs. 3 OECD-MA (s. Rz. 23), zu erlassen. Hierdurch soll eine umfassende Bindungswirkung dieser Konsultationsvereinbarungen erreicht werden (Oellerich in Gosch, § 2 AO Rz. 3).

B. Anwendungsbereich

I. Verträge mit anderen Staaten i. S. des Art. 59 Abs. 2 GG

 

Tz. 3

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Verträge mit anderen Staaten i. S. des Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG sind völkerrechtliche Verträge, in denen die politischen Beziehungen des Bundes geregelt werden oder die sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung (in Abgrenzung zur Bundesverwaltung) beziehen. Sie bedürfen der Zustimmung oder der Mitwirkung der jeweils für die Bundesgesetzgebung zuständigen Körperschaften in der Form eines Bundesgesetzes (Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG). Da ein Völkerrechtsvertrag nur die am Zustandekommen beteiligten Völkerrechtssubjekte bindet, bedarf es der "Überführung" in die innerstaatliche Rechtsordnung. Diese Transformation geschieht durch ein Zustimmungsgesetz, das zum einen den Bundespräsidenten im Innenverhältnis ermächtigt, für die Bundesrepublik einen Völkerrechtsvertrag abzuschließen. Gleichzeitig ist damit nach geltender Staatspraxis eine weitere Regelung verbunden, nämlich die Transformation der völkervertraglichen Regelungen in innerstaatliches Recht (BVerfG v. 22.03.1983, BvR 475/78, BVerfGE 63, 343, 355; BVerfG v. 14.05.1986, 2 BvL 2/83, BVerfGE 72, 200, 241; zu den Einzelheiten z. B. Drüen in Tipke/Kruse, § 2 AO Rz. 5; Sauer, Staatsrecht III, § 6 Rz. 3 ff.).

 

Tz. 4

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Völkerrechtliche Verwaltungsabkommen i. S. des Art. 59 Abs. 2 Satz 2 GG fallen nach dem klaren Wortlaut des § 2 Abs. 1 AO nicht in dessen Anwendungsbereich. Als völkerrechtliche Verwaltungsabkommen gelten alle Regelungen, die, falls sie durch einen innerstaatlichen Rechtsakt festgelegt würden, durch eine Verwaltungsvorschrift, einen Verwaltungsakt oder sonstige Verwaltungszwangsmaßnahmen geregelt würden (administrative Verwaltungsabkommen). Auch normative Verwaltungsabkommen, die Gegenstände innerhalb einer Verordnungsermächtigung zugunsten der Bundesregierung oder eines Fachministers nach Art. 80 Abs. 1 GG regeln, fallen nicht unter § 2 AO (Drüen in Tipke/Kruse, § 2 AO Rz. 6).

 

Tz. 5

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vorläufig frei

II. Verträge über Steuern

 

Tz. 6

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§ 2 Abs. 1 AO bezieht sich nur auf solche völkerrechtlichen Verträge, welche die Zulässigkeit oder das Ausmaß der steuerlichen Eingriffe zum Inhalt haben (Koenig in Koenig, § 2 AO Rz. 2; Musil in HHSp, § 2 AO Rz. 36), die also Fragen der Besteuerung zum Gegenstand haben oder zumindest wirtschaftliche Sachverhalte regeln, die unmittelbaren Einfluss auf die Besteuerung haben können (Musil in HHSp, § 2 AO Rz. 15; Oellerich in Gosch, § 2 AO Rz. 22). Verträge in diesem Sinne sind in erster Linie DBA (s. Rz. 7).

1. Doppelbesteuerungsabkommen (DBA)

 

Tz. 7

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DBA bilden den wichtigsten Anwendungsfall des § 2 Abs. 1 AO. Sie werden zwischen Völkerrechtssubjekten geschlossen, um Doppelbesteuerungen hinsichtlich desselben Stpfl. zu vermeiden. Hierzu...

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