A. Inhalt und Zweck der Vorschrift

 

Tz. 1

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Regelungsgegenstand des § 131 AO ist der Widerruf rechtmäßiger nicht begünstigender (§ 131 Abs. 1 AO) und rechtmäßig begünstigender (§ 131 Abs. 2 AO) sonstiger Verwaltungsakte. Zum Begriff des sonstigen Verwaltungsakts wird auf s. Vor §§ 130–132 AO Rz. 4 ff., zum Begriff der Rechtswidrigkeit auf s. Vor §§ 130–132 AO Rz. 7 ff. und zum Begriff des begünstigenden, bzw. belastenden Verwaltungsakts auf s. Vor §§ 130–132 AO Rz. 10 ff. verwiesen.

 

Tz. 2

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Bei gebundenen Verwaltungsakten, bei denen lediglich eine Entscheidung richtig und rechtmäßig ist, scheidet die Anwendung des § 131 AO grundsätzlich aus (von Wedelstädt in Gosch, § 131 AO Rz. 2). Ein Widerruf des rechtmäßigen Verwaltungsakts nach § 131 AO kommt jedoch dann in Betracht, wenn sich nach dessen Erlass der Sachverhalt durch nachträglich eingetretene Tatsachen ändert (§ 131 Abs. 2 Nr. 3 AO) oder es sich um eine Ermessensentscheidung handelt, die den Erlass unterschiedlicher Verwaltungsakte zulässt (AEAO zu § 131, Nr. 1).

 

Tz. 3

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Der Widerruf wirkt in die Zukunft, sodass er vor allem bei Verwaltungsakten mit Dauerwirkung (s. § 118 AO Rz. 26) von Bedeutung ist. Hat sich der Regelungsgehalt des Verwaltungsakts in einer einmaligen Rechtsfolge erschöpft (z. B. beim Erlass §§ 163, 227 AO), ist ein Widerruf nicht mehr möglich. Voraussetzung für einen Widerruf ist danach, dass der Verwaltungsakt noch nicht vollzogen ist (von Wedelstädt in Bartone/von Wedelstädt, Rz. 332; von Wedelstädt in Gosch, § 131 AO Rz. 4; AEAO zu § 131 AO, Nr. 2 f.).

 

Tz. 4

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Der Widerruf kann auch während des Einspruchs- oder finanzgerichtlichen Verfahrens erfolgen (§ 132 Abs. 1 AO). Wird der zurückgenommene Verwaltungsakt durch einen neuen ersetzt, wird dieser Gegenstand des Verfahrens (s. § 365 AO Rz. 11, s. § 68 FGO Rz. 4, s. § 127 FGO). Bei einer Teilrücknahme bleibt der bestehen bleibende Teil des Verwaltungsakts Gegenstand des Verfahrens, sodass diese Vorschriften keine Anwendung finden (s. § 365 AO Rz. 13).

B. Widerruf rechtmäßiger nicht begünstigender Verwaltungsakte (§ 131 Abs. 1 AO)

 

Tz. 5

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Ein rechtmäßiger nicht begünstigender Verwaltungsakt kann auch, nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise nur für die Zukunft widerrufen werden; ein Widerruf scheidet aus, wenn ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts erneut erlassen werden müsste (BFH v. 04.03.2009, I R 6/07, BStBl II 2009, 625) oder der Widerruf aus anderen Gründen unzulässig ist. Ersteres ist der Fall bei gebundenen Verwaltungsakten und einer Ermessensreduzierung auf null, Letzteres wenn die Finanzbehörde durch Weisungen gebunden ist oder ein Widerruf rechtlich nicht möglich ist, etwa weil sich der Regelungsinhalt – z. B. beim Erlass – erledigt hat (von Wedelstädt in Bartone/von Wedelstädt, Rz. 337 f.; Loose in Tipke/Kruse, § 131 AO Rz. 10 f.; AEAO zu § 131, Nr. 3).

C. Widerruf rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakte (§ 131 Abs. 2 AO)

 

Tz. 6

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Aus Vertrauensschutzgründen ist der Widerruf rechtmäßig begünstigender Verwaltungsakte nur zulässig, wenn einer der abschließend in § 131 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 AO aufgezählten Widerrufsgründe erfüllt ist.

I. Zulassung des Widerrufs durch Rechtsvorschrift oder Vorbehalt (§ 131 Abs. 2 Nr. 1 AO)

 

Tz. 7

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Der Widerruf ist zulässig, wenn er durch Rechtsvorschrift zugelassen oder im Verwaltungsakt vorbehalten worden ist.

 

Tz. 8

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Durch Rechtsvorschrift zugelassen ist der Widerruf z. B. in § 148 Satz 3 AO für den Fall der Buchführungserleichterung, in § 46 Satz 2 UStDV für die Dauerfristverlängerung, in § 44a Abs. 2 Satz 2 EStG hinsichtlich der Abstandnahme vom Steuerabzug.

 

Tz. 9

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Der behördliche Widerrufsvorbehalt ist eine Nebenbestimmung zum Verwaltungsakt und steht nach § 120 Abs. 2 Nr. 3 AO im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde (s. § 120 AO Rz. 6). Ist der Widerrufsvorbehalt bestandskräftig, ist ein Widerruf grundsätzlich auch dann möglich, wenn der Widerrufsvorbehalt rechtswidrig ist, es sei denn dies ist offensichtlich (BFH v. 21.05.1997, I R 38/96, BFH/NV 1997, 904; von Wedelstädt in Bartone/von Wedelstädt, Rz. 344; von Wedelstädt in Gosch, § 131 AO Rz. 10; a. A. Loose in Tipke/Kruse, § 131 AO Rz. 15).

 

Tz. 10

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Der Widerruf nach § 131 Abs. 2 Nr. 1 AO steht selbst im Ermessen der Behörde. Er setzt einen sachlichen Grund voraus, der regelmäßig vorliegt, wenn die Voraussetzungen für den Erlass des Verwaltungsakts weggefallen sind oder sich die Rechts- oder Sachlage nach Erlass des Verwaltungsakts geändert hat. Bei unveränderter Rechts- oder Sachlage ist der Widerruf ermessensfehlerhaft (von Wedelstädt in Gosch, § 131 AO Rz. 10.1).

II. Nichterfüllen einer Auflage (§ 131 Abs. 2 Nr. 2 AO)

 

Tz. 11

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War der rechtmäßige Verwaltungsakt gem. § 120 Abs. 2 Nr. 5 AO mit einer Auflage (s. § 120 AO Rz. 7) verbunden, die vom Betroffenen nicht oder nicht fristgemäß erfüllt wird, kann der Verwaltungsakt nach § 131 Abs. 2 Nr. 2 AO widerrufen werden.

 

Tz. 12

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Der Widerruf setzt grundsätzlich voraus, dass die Auflage rechtmäßig ist (s. §...

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