A. Bedeutung und Inhalt der Vorschrift

 

Tz. 1

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die Vorschrift dient der Erleichterung der Bekanntgabe von Verwaltungsakten an Beteiligte ohne Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz im Inland. Bei Bekanntgabe nach § 122 Abs. 2 Nr. 2 AO muss grundsätzlich die Behörde den Zeitpunkt des Zugangs nachweisen (§ 122 AO Rz. 20). § 123 AO führt zur Umkehr der Beweislast, wenn kein inländischer Empfangsbevollmächtigter benannt wird. Der Gegenbeweis bleibt aber nach § 123 Satz 3 AO möglich.

B. Voraussetzungen für das Benennungsverlangen

 

Tz. 2

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§ 123 Satz 1 AO verpflichtet Beteiligte ohne Wohnsitz (s. § 8 AO), gewöhnlichen Aufenthalt (s. § 9 AO), Sitz (s. § 11 AO) oder Geschäftsleitung (s. § 10 AO) im Geltungsbereich der AO, der Finanzbehörde auf Verlangen innerhalb angemessener Frist einen Empfangsbevollmächtigten im Geltungsbereich der AO zu benennen. Der Beteiligtenbegriff entspricht § 78 AO.

 

Tz. 3

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Dies ist sachlich gerechtfertigt, da die gewöhnliche Postübermittlung nach § 122 Abs. 2 AO nur für Postsendungen innerhalb des Geltungsbereichs der AO bzw. aufgrund konkreter zwischenstaatlicher Vereinbarungen zulässig ist (s. § 122 AO Rz. 20, 33). Voraussetzung für die Anwendung der Vorschrift ist, dass feststeht, dass der Beteiligte keine inländische Adresse besitzt. Genaue Kenntnis seiner ausländischen Adresse wird insoweit nicht gefordert. Sie ist jedoch spätestens dann notwendig, wenn das Schriftstück nach fruchtlosem Ablauf der Frist des § 123 Satz 1 AO zur Herbeiführung der Vermutung des Zugangs i. S. des § 123 Satz 2 AO zur Post gegeben oder elektronisch übermittelt werden soll. Ist schlechthin keine Anschrift des Empfängers bzw. die E-Mail-Adresse bei elektronischer Versendung bekannt, verbleibt lediglich die öffentliche Zustellung gem. § 10 VwZG (s. § 122 AO Rz. 34).

 

Tz. 4

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Ob die Finanzbehörde die Benennung eines Empfangsbevollmächtigten verlangt, steht in ihrem pflichtgemäßen Ermessen (§ 5 AO). Dabei ist zu prüfen, ob das Verlangen unter den Umständen des Einzelfalls zumutbar und angemessen ist. Hat der Beteiligte bereits einen inländischen Dritten allgemein bevollmächtigt, so wäre angesichts der gem. § 122 Abs. 1 Satz 3 AO gegebenen Möglichkeit der Bekanntgabe an diesen das Verlangen, außerdem einen Empfangsbevollmächtigten zu benennen, ermessensfehlerhaft. Darüber hinaus wird das Verlangen i. S. des § 123 Satz 1 AO in der Regel nur dann gerechtfertigt sein, wenn mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit wiederholt Steuerverwaltungsakte gegen den Beteiligten ergehen werden.

 

Tz. 5

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Das Verlangen der Finanzbehörde ist ein Verwaltungsakt (§ 118 Satz 1 AO). Diesen Verwaltungsakt bekannt zu geben, wird in der Praxis kaum auf geringere Schwierigkeiten stoßen, als die Bekanntgabe des Steuerbescheides selbst. Da es sich dabei aber um einen Verwaltungsakt handelt, für den weder eine bestimmte Form noch eine bestimmte Bekanntgabeart vorgeschrieben ist, genügt es, wenn der Empfänger des Verlangens auf irgendeine Art und Weise hiervon Kenntnis erlangt. Die Finanzbehörde ist hierfür jedoch nachweispflichtig. Das Verlangen kann den Beteiligten, etwa bei einer vorübergehenden Anwesenheit im Inland, mündlich oder schriftlich im Wege der Postübermittlung gem. § 122 Abs. 2 AO bzw. nach den Voraussetzungen des § 87a AO und § 5a VwZG durch E-Mail bekannt gegeben werden.

 

Tz. 6

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Für die Benennung des Empfangsbevollmächtigten muss dem Beteiligten eine angemessene Frist zugebilligt werden. Befindet sich der Beteiligte zur Zeit der Bekanntgabe des Verlangens im Inland und wird dieser vorübergehende Inlandsaufenthalt noch entsprechende Zeit fortdauern, so wird in der Regel eine Frist von zwei Wochen ausreichen. Ermöglichen die Umstände das entsprechende Tätigwerden des Beteiligten erst vom Ausland aus, muss die Frist dem angepasst werden (Bock, DStZ 1986, 329). Die von der Finanzbehörde gesetzte Frist kann gem. § 109 Abs. 1 Satz 1 AO verlängert werden. Da im Normalfall auch die besonderen Voraussetzungen des § 109 Abs. 1 Satz 2 AO für eine rückwirkende Verlängerung vorliegen dürften, wird sich häufig auch eine stillschweigende Verlängerung bei verspätetem Befolgen des Verlangens anbieten.

C. Folge der Nichtbenennung: Bekanntgabevermutung

 

Tz. 7

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Wird dem Verlangen innerhalb der gestellten Frist nicht Folge geleistet, so kann die Behörde das für den Beteiligten bestimmte Schriftstück zur Post aufgeben bzw. elektronisch übermitteln (s. hierzu aber auch Rz. 3). In diesem Falle fingiert die Vorschrift den Zugang an den Beteiligten mit Ablauf eines Monats nach der Aufgabe zur Post bzw. bei einem elektronischen Dokument am dritten Tag nach der Absendung, vorausgesetzt, dass der Beteiligte auf diese Rechtsfolge vorher hingewiesen worden ist (§ 123 Satz 4 AO). Dieser Hinweis wird zweckmäßigerweise mit dem Verlangen nach Benennung eines Empfangsbevollmächtigten verbunden werden, zumal der Beteiligte u. U. sich erst aufgrund dieses Hinweises dazu entschließen wird, dem Ver...

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