Tz. 12

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Eine Berichtigung nach § 129 AO setzt voraus, dass die Unrichtigkeit offenbar ist, d. h. bei Offenlegung des Sachverhalts für jeden unvoreingenommenen Dritten klar und deutlich auf der Hand liegt. Die Erkennbarkeit der Unrichtigkeit anhand des Bescheids ist nicht erforderlich. Ausreichend ist, dass der Fehler bei Offenlegung des Sachverhalts, z. B. durch Akteneinsicht, für jeden objektiven Dritten klar und deutlich als offenbare Unrichtigkeit erkannt werden kann (ständige Rechtsprechung, s. z. B. BFH v. 16.07.2003, X R 37/99, BStBl II 2003, 867; BFH v. 22.02.2006, I R 125/04, BFH/NV 2006, 992 m. w. N.). Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des § 129 Satz 1 AO, der sich auf die offenbare Unrichtigkeit "beim Erlass eines Verwaltungsaktes" bezieht, im Gegensatz zur offenbaren Unrichtigkeit "in einem Verwaltungsakt" (so § 42 VwVfG), sowie aus dem Gesetzeszweck, nach dem § 129 AO den Bedürfnissen des Besteuerungsverfahrens als Masseverfahren gerecht werden soll (s. hierzu auch von Wedelstädt in Bartone/von Wedelstädt, Rz. 153 und von Wedelstädt in Gosch, § 129 AO Rz. 38).

 

Tz. 13

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Gegen diese Auslegung des § 129 AO, der sich die höchstrichterliche Rechtsprechung angeschlossen hat, wird eingewandt, der Ausschluss des Vertrauensschutzes durch § 129 AO finde nur dann seine Rechtfertigung, wenn die Unrichtigkeit für den Steuerpflichtigen erkennbar sei. Dies entspreche der Regelung des § 124 Abs. 1 Satz 2 AO, nachdem es bei der Bekanntgabe des Regelungsinhalts nicht auf das Gewollte, sondern auf das für den Steuerpflichtigen erkennbar Offenbarte ankomme (Seer in Tipke/Kruse, § 129 AO Rz. 6). Da § 129 AO die Regelung des § 124 Abs. 1 Satz 2 AO unberührt lässt (s. Rz. 1) erscheint dieses Argument auch im Hinblick darauf, dass der Steuerpflichtige die Unrichtigkeit durch den Vergleich seiner Unterlagen in der Regel erkennen wird, wenig überzeugend (ebenso von Wedelstädt in Bartone/von Wedelstädt, Rz. 154, von Wedelstädt in Gosch, § 129 AO Rz. 38.1 f.; Intemann in Koenig, § 129 AO Rz. 19). Jedenfalls bejaht der BFH auch in den Fällen, in denen die Unrichtigkeit sich ausschließlich aus den Finanzamtsakten ergibt, die Anwendung des § 129 AO (s. z. B. BFH v. 02.03.1993, IX R 93/89, BFH/NV 1993, 704 und BFH v. 17.11.1998, III R 2/97, BStBl II 1999, 62).

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