Tz. 2

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Bindungswirkung besagt, dass die im Feststellungsbescheid getroffenen Feststellungen für die Folgebescheide verbindlich sind, soweit die Feststellungen für diese von Bedeutung sind. Dies hängt grundsätzlich von der Abgrenzung der den Grundlagenbescheiden einerseits und den Folgebescheiden andererseits zugewiesenen Regelungsbereiche ab (BFH v. 11.12.1997, III R 14/96, BStBl II 1999, 401; BFH v. 23.08.2000, X R 63/96, BFH/NV 2001, 729 m. w. N.). Was durch Grundlagenbescheid zu regeln ist, darf nicht durch Folgebescheid geregelt werden und umgekehrt (BFH v. 12.07.1989, X R 32/86, BFH/NV 1990, 366). Ein wirksamer Feststellungsbescheid entfaltet auch insoweit Bindungswirkung, als der von ihm erfasste Sachverhalt nicht im Rahmen des Folgebescheidsverfahrens überprüft werden darf; wegen der Ausnahmeregelung des § 155 Abs. 2 AO s. § 155 AO Rz. 16. Der Umfang der Bindungswirkung eines Feststellungsbescheids wird grundsätzlich nach dessen Verfügungssatz und damit danach bestimmt, in welchem Umfang und mit welchem Inhalt die Behörde Besteuerungsgrundlagen in den Tenor dieses Verwaltungsakts aufgenommen hat, nicht jedoch nach den Gründen; diese können zur Bestimmung seines Tenors nur dann herangezogen werden, wenn der Verfügungssatz selbst Raum zu Zweifeln über seinen Inhalt lässt (BFH v. 08.11.2005, VIII R 11/02, BStBl II 2006, 253 m. w. N.; BFH v. 18.07.2012, X R 28/10, BStBl II 2013, 444). Gegebenenfalls bedarf es der Auslegung des Feststellungsbescheids. Hierbei ist entsprechend § 133 BGB darauf abzustellen, wie ein verständiger Empfänger nach den ihm bekannten Umständen den Bescheid unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen musste (BFH v. 10.05.2016, IX R 4/15, BFH/NV 2016, 1425). Die Bindungswirkung eines Grundlagenbescheids reicht grundsätzlich nur so weit wie sein notwendiger oder möglicher, d. h. nach den einzelnen Gesetzesbestimmungen zulässiger Inhalt; bindend sind dabei sowohl die positiven wie die negativen Feststellungen (BFH v. 09.03.1995, X B 242/94, BFH/NV 1995, 858 m. w. N.).

 

Tz. 2a

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die Feststellungswirkung eines gesonderten und einheitlichen Feststellungsbescheids bezieht sich stets nur auf die gemeinschaftlich in der Personengesellschaft/-gemeinschaft verwirklichten Tatbestandsmerkmale, nicht aber auf Tatbestandsmerkmale außerhalb der Beteiligung im Bereich der persönlichen Einkünfteerzielung. Diese treten vielmehr zu den verbindlich festgestellten Besteuerungsgrundlagen im Bereich der persönlichen Tatbestandsverwirklichung der Gesellschafter hinzu. Sie gehören nicht in den Regelungsbereich des Grundlagenbescheids, sondern in den des Folgebescheids (BFH v. 11.04.2005, GrS 2/02, BStBl II 2005, 679; BFH v. 18.04.2012, X R 34/10, BStBl II 2012, 647 m. w. N.). Daher ist es zulässig, bei Gesellschaftern einer sog. Zebragesellschaft (s. § 180 AO Rz. 17 ff.), die ihren Anteil im Betriebsvermögen halten, Art und Höhe der in der Gesellschaft erzielten und dort festgestellten Einkünfte im Rahmen der Steuerfestsetzung dieser Gesellschafter umzuqualifizieren und zu bestimmen (BFH v. 09.10.2008, IX R 72/07, BStBl II 2009, 231), den Gewinn aus der Veräußerung eines Anteils an einer grundbesitzenden Personengesellschaft, der im Feststellungsbescheid als Veräußerungsgewinn ausgewiesen ist, in einen laufenden Gewinn im Rahmen eines vom Stpfl. betriebenen gewerblichen Grundstückshandels umzuqualifizieren (BFH v. 18.04.2012, X R 34/10, BStBl II 2012, 647 m. w. N.; s. auch BFH v. 21.01.2014, IX R 9/13, BFH/NV 2014, 745 für die Frage der Verwirklichung eines Spekulationsgewinns durch den Gesellschafter) oder im Rahmen der Steuerfestsetzung zu entscheiden, ob die von einem beschränkt steuerpflichtigen Gesellschafter getätigten Versorgungsleistungen als Sonderausgabe (dauernde Last) abzugsfähig sind (BFH v. 10.06.2015, I R 63/12, BFH/NV 2016, 1). Im Feststellungsbescheid nach § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO wird bindend entschieden, ob es sich um laufende Gewinne oder um Veräußerungsgewinne i. S. der § 14, § 14a Abs. 1, § 16, § 18 Abs. 3 EStG handelt, sowie über den Umfang der Beteiligung des Gesellschafters am Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG, nicht aber über die Höhe des Freibetrags, über die wegen der persönlichen Voraussetzungen im Festsetzungsverfahren des Beteiligten zu entscheiden ist (BFH v. 17.12.2014, IV R 57/11, BStBl II 2015, 536 m. w. N.; Brandis in Tipke/Kruse, § 180 AO Rz. 58 m. w. N.). Lässt sich die Reichweite einer gesonderten Feststellung nicht eindeutig bestimmen, so darf und muss zur Auslegung des materiellen Regelungsgehalts auf dessen Gründe zurückgegriffen werden (BFH v. 18.04.2012, X R 34/10, BStBl II 2012, 647).

 

Tz. 3

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Voraussetzung für die Bindung ist ein Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10 AO), der gem. § 124 Abs. 1 AO wirksam ist. Das ist der Fall, wenn er ordnungsgemäß adressiert und bekannt gegeben wurde und wenn er nicht nichtig ist (h. M., u. a. BFH v. 16.03.1993, XI R 42/90, ...

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