Tz. 18

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Erforderlich ist, dass der Erlass des Grundlagenbescheids sich verzögert, aber beabsichtigt ist, dass es sich also um eine vorläufige Regelung handelt, die einem noch zu erlassenden Grundlagenbescheid vorgreift. § 155 Abs. 2 AO eröffnet nicht die Möglichkeit, in einem Folgebescheid abschließend über Sachverhalte zu befinden, deren Beurteilung einem Grundlagenbescheid vorbehalten ist (u. a. BFH v. 25.09.2013, II R 2/12, BStBl 2014, 329 m. w. N.; s. § 179 AO Rz. 4 f.). Das FA muss sich bei Erlass des Folgebescheids der Notwendigkeit eines Grundlagenbescheids bewusst sein (BFH v. 19.04.1989, X R 3/86, BStBl II 1989, 596 m. w. N.). Hält es die gesonderte Feststellung einer Besteuerungsgrundlage irrtümlich nicht für erforderlich und erlässt daher einen endgültigen Steuerbescheid, so ist der Steuerbescheid rechtswidrig (BFH v. 02.12.2003, II B 76/03, BStBl II 2004, 204 m. w. N.). Der Grundlagenbescheid kann allerdings nachgeholt werden.

 

Tz. 19

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die Berücksichtigung feststellungsbedürftiger Besteuerungsgrundlagen im Steuerbescheid vor Ergehen des entsprechenden Grundlagenbescheids ist eine vorläufige Entscheidung über diese Besteuerungsgrundlagen. Daher muss aus dem auf der Grundlage des § 155 Abs. 2 AO ergehenden Folgebescheid selbst oder aus den Umständen für den Adressaten des Folgebescheids deutlich erkennbar sein, dass eine bestimmte Besteuerungsgrundlage von der Regelung in einem noch zu erlassenden Grundlagenbescheid abhängig ist,er muss verlässlich beurteilen können, ob und in welchem Umfang der Bescheid materiell bestandskräftig wird, insbes. ob ihm ein endgültiger Rechtsverlust droht, wenn er den Bescheid nicht anficht (st. Rspr.; BFH v. 11.12.1997, III R 14/96, BStBl II 1999, 401 m. w. N.); fehlt dies, ist der Folgebescheid rechtswidrig (BFH v. 08.11.2006, II R 13/05, BFH/NV 2007, 641, 643 m. w. N.).

 

Tz. 20

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die Entscheidung, ob ein Folgebescheid gem. § 155 Abs. 2 AO erlassen wird, steht im pflichtgemäßen Ermessen der Finanzbehörde (BFH v. 14.05.2014, X R 7/12, BStBl II 2015, 12 m. w. N.). Dabei sind das fiskalische Interesse an einer schnellen aber ggf. vorläufigen Steuerfestsetzung gegen das Interesse des Stpfl. abzuwägen. Der BFH (v. 5.4.2011 – II B153/10, BStBl. II 2011, 942) lässt offen, ob das Ermessen einer Begründung bedarf oder ob insoweit die Ausübung sog. intendierten Ermessens vorliegt.

 

Tz. 21

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Erlässt das FA nach § 155 Abs. 2 AO einen Folgebescheid vor dem Grundlagenbescheid, muss es sich zunächst an der Erklärung des Stpfl. orientieren, wenn ihm keine Anhaltspunkte vorliegen, dass die Angaben des Stpfl. unrichtig sind (BFH v. 03.08.2000, III B 179/96, BStBl II 2001, 33; Rüsken in Klein, § 155 AO Rz. 41 m. w. N.). Es muss alle betroffenen Besteuerungsgrundlagen berücksichtigen und selbst überprüfen (BFH v. 14.05.2014, X R 7/12, BStBl II 2015, 12). Es darf aber keine eigenen Ermittlungen zu diesen Besteuerungsgrundlagen vornehmen, denn die Ermittlungskompetenz hinsichtlich der Besteuerungsgrundlagen des Grundlagenbescheids liegt allein bei dem für den Grundlagenbescheid zuständigen FA (BFH v. 25.09.2013, II R 2/12, BStBl 2014, 329 m. w. N.; v. Wedelstädt, AO-StB 2014, 349, 351 m. w. N.; s. Rz. 18). Gegebenenfalls sind die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, wenn sich die Besteuerungsgrundlagen nicht ohne Weiteres ermitteln lassen, bei vorliegender Steuererklärung auch abweichend von der Steuererklärung (§ 155 Abs. 2 AO ggf. i. V. m. § 162 Abs. 5 AO; BFH v. 03.08.2000, III B 179/96, BStBl II 2001, 120). Die allgemeinen Voraussetzungen des § 162 Abs. 1 und 2 AO müssen nicht erfüllt sein (BFH v. 18.07.2012, X S 19/12, BFH/NV 2012, 2008 m. w. N.; Seer in Tipke/Kruse, § 155 AO Rz. 29 m. w. N.; s. auch § 162 AO Rz. 40 ff.).

 

Tz. 21a

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Um eine Änderung im Falle des Ausbleibens des Grundlagenbescheids gleichwohl zu sichern (s. dazu Rz. 22c),kann das FA den auf § 155 Abs. 2 i. V. m. § 162 Abs. 5 AO gestützten Steuerbescheid im Hinblick auf diese Besteuerungsgrundlagen gem. § 165 Abs. 1 Satz 1 AO für vorläufig erklären (BFH v. 14.05.2014, X R 7/12, BStBl II 2015, 12; Rüsken in Klein, § 155 AO Rz. 41).

 

Tz. 22

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Der Erlass eines Folgebescheids gem. § 155 Abs. 2 AO ist unzulässig und damit rechtswidrig, wenn

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