Tz. 2

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die Beschwerde an den BFH ist das gegen Entscheidungen der FG, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide (§ 90a FGO) sind, gegebene Rechtsmittel, über das durch Beschluss im schriftlichen Verfahren entschieden wird. Jedoch ist es dem BFH unverwehrt, seine Entscheidung aufgrund mündlicher Verhandlung zu erlassen (§ 90 Abs. 1 Satz 2 FGO). Gegenstand der Beschwerde können auch Entscheidungen des Vorsitzenden, des Einzelrichters nach § 6 FGO, des konsentierten Einzelrichters (§ 79a Abs. 3, 4 FGO) oder des Berichterstatters (§ 65 Abs. 2 Satz 1 FGO), nicht aber Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten sein (s. BFH v. 16.07.1974, VII B 31/74, BStBl II 1974, 716); hierzu enthalten § 133 FGO und § 149 FGO Sonderreglungen (auch s. Rz. 1). Die Beschwerde ist nur statthaft gegen eine "Entscheidung" des Gerichts. Eine Untätigkeitsbeschwerde gegen das FG ist nicht vorgesehen (BFH v. 17.09.2007, I B 93/07, BFH/NV 2008, 387; BFH v. 28.07.2009, I B 64–66/09 u. a., BFH/NV 2010, 46), sodass das FG nicht über den BFH zu einer Entscheidung veranlasst werden kann. Gegen sog. Schein- oder Nichtbeschlüsse, also Schriftstücke, die nicht als Beschluss zu qualifizieren sind, ist eine Beschwerde mit dem Ziel zulässig, den Rechtsschein des "Beschlusses" zu beseitigen (BFH v. 11.11.2010, III B 191/09, BFH/NV 2011, 440). Unzulässig ist aber eine "Fortsetzungsfeststellungsbeschwerde" nach Erledigung des angefochtenen VA (BFH v. 17.07.2013, III B 30/13, BFH/NV 2013, 1625).

 

Tz. 3

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Unter welchen Voraussetzungen eine beschwerdefähige Entscheidung vorliegt, ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Allerdings enthält § 128 Abs. 2 FGO eine Aufzählung von Entscheidungen, gegen die eine Beschwerde nicht gegeben ist. Nicht selbstständig beschwerdefähig sind danach prozessleitende Verfügungen, die der Vorbereitung der mündlichen Verhandlung und ihrer Durchführung dienen (BFH v. 17.09.2007, I B 93/07, BFH/NV 2008, 387; BFH v. 28.07.2009, I B 64–66/09 u. a., BFH/NV 2010, 46). Es muss sich um Entscheidungen handeln, die einen gesetzmäßigen und zweckfördernden Verlauf des Verfahrens, eine erschöpfende und doch schleunige Verhandlung und eine Beendigung des Rechtsstreits auf kürzestem Weg zum Ziele haben. Es handelt sich also regelmäßig um Maßnahmen des Gerichts zur Förderung des Verfahrens. So ist z. B. die Aufforderung bzw. das Unterlassen der Aufforderung durch den Vorsitzenden, Schriftsätze einzureichen (§ 77 Abs. 1 FGO), eine Maßnahme der Prozessleitung und daher nicht selbstständig anfechtbar. Gleiches gilt für die Anforderung einer Prozessvollmacht (BFH v. 06.04.2011, IX B 54/11, BFH/NV 2011, 1373) und zur Benennung eines Zustellungsbevollmächtigten (BFH v. 06.07.2012, V B 103/11, BFH/NV 2012, 1980). Ebenso wenig kann die Entscheidung über die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (§ 93 Abs. 3 Satz 2 FGO) gesondert angefochten werden (BFH v. 15.12.1982, I B 41/82, BStBl II 1983, 230). Auch die Entscheidung des FG, ein Verfahren in den Registern zu löschen, ist prozessleitende Verfügung, da das Verfahren nicht formell beendet wird, sondern jederzeit wieder aufgenommen werden kann. Auch gerichtliche Ausschlussfristen nach § 65 Abs. 2 FGO oder nach § 79b FGO, aus deren Nichtbefolgung sich für die Beteiligten negative Konsequenzen ergeben, sind nicht mit der Beschwerde anfechtbar (BFH v. 19.08.2011, VII S 18/11, BFH/NV 2012, 52). Bei den weiter in § 128 Abs. 2 FGO genannten Ausschlusstatbeständen handelt es sich teils um spezielle Fälle prozessleitender Verfügungen (Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über die Vertagung oder Bestimmung einer Frist, Beschlüsse über die Trennung von Verfahren und Ansprüchen (BFH v. 21.03.2011, IX B 137/10, BFH/NV 2011, 1369), Ladung (BFH v. 04.09.2017, IX B 83/17, BFH/NV 2017, 1619; die Beschwerde des geladenen Zeugen ist jedoch möglich: BFH v. 04.08.2015, IX B 95/15, BFH/NV 2015, 1436), Beschlüsse nach §§ 91a und 93a FGO über die Durchführung einer Videokonferenz), teils sind Beschlüsse mit materiellen Regelungsgehalt umfasst. Hierzu gehören Beweisbeschlüsse und die Ablehnung von Beweisbeschlüssen (§ 82 FGO) sowie Beschlüsse über die Ablehnung von Gerichtspersonen, Sachverständigen und Dolmetschern. Die gesonderte Anfechtbarkeit dieser Entscheidungen würde die Gefahr erheblicher Verzögerungen mit sich bringen. Allerdings sind die Beteiligten nicht rechtsschutzlos, da die Rüge prozessleitender Anordnungen unter dem Gesichtspunkt des Verfahrensmangels im Rahmen einer gegen das Urteil zu richtenden Revision unberührt bleibt. Unanfechtbar ist der verfahrensbeendende Einstellungsbeschluss nach Klagerücknahme. Dies ist schon deshalb gerechtfertigt, weil dieser Beschluss nur deklaratorischer Natur ist und zudem bei einem Streit über die Wirksamkeit einer Klagerücknahme der ursprüngliche Prozess fortgeführt wird. Auch Beschlüsse im Verfahren über die Prozesskostenhilfe können nicht mit der Beschwerde angefochten werden. Di...

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