Tz. 12

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die Finanzbehörde hat die Sache ohne Bindung an Anträge in vollem Umfang erneut zu überprüfen (BFH v. 24.10.1995, III B 171/93, BFH/NV 1996, 289; BFH v. 10.09.1997, VIII B 55/96, BFH/NV 1998, 282; BFH v. 28.11.1989, VII R 40/84, BStBl II 1990, 561). Sie darf sich deshalb nicht darauf beschränken, den Regelungsinhalt des Verwaltungsakts auf seine Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen, sondern muss über den gesamten Lebenssachverhalt neu entscheiden. Die Überprüfung findet ihre Grenze aber im angefochtenen Verwaltungsakt (BFH v. 19.01.1994, II R 32/90, BFH/NV 1994, 758; BFH v. 22.10.2000, IX R 62/97, BStBl II 2001, 124 zum Einspruch gegen einen Änderungsbescheid). Der Lebenssachverhalt, der dem angefochtenen Verwaltungsakt zugrunde liegt, darf nicht durch einen anderen Sachverhalt ersetzt werden; er muss also hinsichtlich der Personen, Steuern, Zeiträume und erwerbsteuerlichen Vorgänge gleichbleiben. Die Einspruchsbehörde muss den Sachverhalt jedoch nur dann umfassend neu ermitteln, wenn sich aus Aktenlage und Einspruchsbegründung Anhaltspunkte ergeben, dass der Sachverhalt bislang nicht hinreichend ermittelt worden ist (BFH v. 30.04.1965, III 25/65 U, BStBl III 1965, 464; Seer in Tipke/Kruse, § 367 AO Rz. 18).

 

Tz. 13

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Wird eine Ermessensentscheidung der Finanzbehörde angefochten, so hat die Entscheidungsbehörde ihr eigenes Ermessen auszuüben. Ihrer Begründung hat sie dabei den Sachverhalt zugrunde zu legen, der im Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung vorliegt (Dumke in Schwarz/Pahlke, § 367 AO Rz. 14; BFH v. 19.11.2007, VIII B 30/07, BFH/NV 2008, 335). Auch eine fehlende Begründung einer Ermessensentscheidung kann durch die Einspruchsbehörde nachgeholt werden (Seer in Tipke/Kruse, § 367 AO Rz. 12).

 

Tz. 14

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Grenzen der Nachprüfung können sich aus der Bindung an andere Verwaltungsakte ergeben. Dabei kommen insbes. unanfechtbare Verwaltungsakte, die in einem Änderungsverfahren korrigiert wurden (§ 351 Abs. 1 AO) oder Grundlagenbescheide (§ 351 Abs. 2 AO) in Betracht. Nicht mehr erfasst sind Verwaltungsakte, deren Festsetzungsfrist während des Einspruchsverfahrens abgelaufen ist. Entgegen der früheren Rechtslage, hemmt der Einspruch gegen einen Verwaltungsakt nunmehr den Ablauf der Festsetzungsfrist hinsichtlich des gesamten Steueranspruchs, sodass eine Begrenzung der Nachprüfung durch bereits verjährte Teile des Verwaltungsakts nicht mehr in Betracht kommt (§ 171 Abs. 3a AO). Hier kommt es nicht mehr auf den Einspruchsantrag an. Eine Ablaufhemmung tritt auch ein, wenn der Einspruch nach Ablauf der Festsetzungsverjährung eingelegt wird. Steht der angefochtene Verwaltungsakt unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 AO) oder ist er mit Vorläufigkeitsvermerk ergangen (§ 165 AO), so ist die Einspruchsbehörde nicht gezwungen, eine endgültige Entscheidung zu treffen, sondern kann sowohl den Vorbehalts- als auch den Vorläufigkeitsvermerk aufrechterhalten (BFH v. 16.10.1984, VIII R 162/80, BStBl II 1985, 448).

 

Tz. 15

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Eine Teilanfechtung gibt es im finanzbehördlichen Verfahren grundsätzlich nicht (Dumke in Schwarz/Pahlke, § 367 AO Rz. 16; a. A. Birkenfeld in HHSp, § 367 AO Rz. 148; der eine Teilanfechtung dann zulässt, wenn sie sich auf mehrere selbstständige Regelungen bezieht oder Regelungen mit teilbarem Inhalt betreffen). Zur Besonderheit der Teilbestandskraft bei Bescheiden über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen § 179 AO Rz. 7. Die Tatsache, dass der Einspruchsführer in seiner Begründung nur einzelne rechtliche oder tatsächliche Gesichtspunkte vorträgt, begrenzt nicht die Nachprüfungspflicht der Einspruchsbehörde (BFH v. 07.07.1994, XI B 3/94, BStBl II 1995, 785; BFH v. 10.09.1997, VIII B 55/96, BFH/NV 1998, 282). Zu beachten ist jedoch § 364b AO, der der Finanzbehörde die Befugnis gibt, für den Vortrag von Beweismitteln und Erklärungen eine Frist mit ausschließender Wirkung zu setzen.

 

Tz. 16

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

vorläufig frei

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