Tz. 55

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die Finanzbehörde kann die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung von einer Sicherheitsleistung abhängig machen (§ 361 Abs. 2 Satz 5 AO). Die Anordnung der Sicherheitsleistung steht im Ermessen der Behörde ("kann"); aber auch sie setzt voraus, dass die Voraussetzungen für die Gewährung einer AdV vorliegen, also entweder ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder dessen Vollziehung eine unbillige Härte darstellen würde. Das Fehlen dieser Voraussetzungen kann durch eine Sicherheitsleistung nicht kompensiert werden; diese darf nämlich nicht dahingehend verstanden werden, dass bei fehlender Erfolgsaussicht in der Hauptsache eine AdV "erkauft" werden kann (zur Sicherheitsleistung im finanzgerichtlichen AdV-Verfahren § 69 FGO Rz. 23).

 

Tz. 56

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Dennoch ist die Sicherheitsleistung nicht unabhängig von den Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu beurteilen. Der Grad der Erfolgsaussicht beeinflusst das Bedürfnis nach einer Sicherheitsleistung (Seer in Tipke/Kruse, § 69 FGO Rz. 109). Die Verknüpfung der AdV mit einer Sicherheitsanordnung soll Steuerausfälle verhindern, wenn das Verfahren für den Steuerpflichtigen ungünstig ausgeht. Die Gefahr eines Steuerausfalls wird jedoch geringer mit den steigenden Erfolgsaussichten in der Hauptsache. Bei sehr guten Erfolgsaussichten wäre die Anordnung einer Sicherheitsleistung deshalb ermessenswidrig.

 

Tz. 57

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die Anordnung einer Sicherheitsleistung ist eine unselbstständige Nebenbestimmung zum Aussetzungs-Verwaltungsakt (BFH v. 20.06.1979, IV B 20/79, BStBl II 1979, 666). Dabei wirkt die Sicherheitsleistung als aufschiebende Bedingung ("abhängig gemacht werden", § 361 Abs. 2 Satz 5 AO), mit der Folge, dass die Aussetzung erst nach Leistung der Sicherheit wirksam wird (BFH v. 20.06.1979, IV B 20/79, BStBl II 1979, 666; FG Bre v. 20.10.1995, 2 95 093 V 2, EFG 1996, 159; AEAO zu § 361, Nr. 9.2.6; Birkenfeld in HHSp, § 361 AO Rz. 363 m. w. N., der allerdings dem FA die Möglichkeit einräumt, nach pflichtgemäßem Ermessen die Sicherheitsleistung mit aufschiebender oder auflösender Wirkung zu verfügen (Rz. 365); a. A.: Seer in Tipke/Kruse, § 69 FGO Rz. 108, der die Sicherheitsleistung als auflösende Bedingung ansieht, um die Wirkung der AdV ab Bekanntgabe der Verfügung zu erreichen).

 

Tz. 58

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Sicherheit kann immer dann verlangt werden, wenn die wirtschaftliche Lage des Steuerpflichtigen die Verwirklichung der Steuerforderung gefährdet. Dabei sind die Grundsätze einer ordnungsgemäßen Ermessensausübung, insbes. das Übermaßverbot und das Gebot der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Eine unmittelbare Gefährdung der Steueransprüche ist nicht erforderlich (Birkenfeld in HHSp, § 361 AO Rz. 381). Eine Anordnung kommt aber immer dann in Betracht, wenn anzunehmen ist, dass der Steuerpflichtige aufgrund seiner Liquiditätslage die Steuerforderung nach Unterliegen in der Hauptsache nicht erfüllen können wird. Die Anordnung der Sicherheitsleistung ist jedoch ermessensfehlerhaft, wenn bereits im Zeitpunkt der AdV-Entscheidung feststeht, dass eine Realisierung der Steuerforderung in absehbarer Zeit ohnehin ausgeschlossen scheint (FG BW v. 22.05.1995, 2 V 3/95, EFG 1995, 941).

 

Tz. 59

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Eine Sicherheitsleistung darf auch dann nicht angeordnet werden, wenn der Antragsteller im Rahmen zumutbarer Anstrengungen nicht in der Lage ist, die Sicherheit zu leisten (BFH v. 13.08.1991, VIII B 14/87, BFH/NV 1992, 688; BFH v. 31.01.1997, X S 11/96, BFH/NV 1997, 512). Dies ist oftmals der Fall, wenn die Gewährung einer AdV nach der Unbilligkeitsalternative beantragt wird. Trotz Gefährdung des Steueranspruches ist eine Sicherheitsleistung dann nicht gerechtfertigt, wenn die Entscheidung in der Hauptsache mit Gewissheit oder jedenfalls großer Wahrscheinlichkeit zugunsten des Klägers ausfallen wird (BFH v. 29.11.1995, X B 328/95, BStBl II 1996, 322; BFH v. 31.01.1997, X S 11/96, BFH/NV 1997, 512). Ein Obsiegen in der Hauptsache kann sich auch dann abzeichnen, wenn die Finanzbehörde dem Verwaltungsakt eine nicht widerspruchsfreie, unvollständige und ungeordnete Sachverhaltsdarstellung zugrunde gelegt hat, für die sie die Feststellungslast trägt (BFH v. 14.02.1984, VIII B 112/83, BStBl II 1984, 443). Bei der Prüfung, ob der Vollstreckungserfolg und damit der Steueranspruch gefährdet ist, kann auch berücksichtigt werden, ob die Vollstreckung im Ausland vorgenommen werden müsste (BFH v. 26.05.1988, V B 26/86, BFH/NV 1989, 403) oder bereits erlangte Pfandrechte im Wege der Aufhebung der Vollziehung wieder aufgegeben werden müssen (Birkenfeld in HHSp, § 361 AO Rz. 384). Auch solche Nachteile müsste die Finanzbehörde aber hinnehmen, wenn gute Erfolgsaussichten für den Steuerpflichtigen im Hauptsacheverfahren bestehen, denn auch eine Pfändung von Wirtschaftsgütern oder Forderungen führt zu einer Beeinträchtigung der wirtscha...

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