Tz. 16

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Verfahrenshandlungen eines oder gegenüber einem Handlungsunfähigen sind i. d. R. unwirksam. Die Frage der Wirksamkeit hat nicht nur unmittelbar Bedeutung z. B. für das Schicksal eines VA, sondern auch mittelbar für die weiteren Folgen einer Handlung. So hat der BFH entschieden, dass eine Fahndungsprüfung gegenüber einem Geschäftsunfähigen nicht zur Ablaufhemmung der Verjährung nach § 171 Abs. 5 AO führen kann (BFH v. 16.04.1997, XI R 61/94, BStBl II 1997, 595).

 

Tz. 17

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Verfahrenshandlungen i. S. der Vorschrift sind sowohl Willenserklärungen als auch Wissenserklärungen und tatsächliche Handlungen, an die sich steuerliche Konsequenzen anknüpfen.

 

Tz. 18

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Die bürgerlich-rechtlichen Bestimmungen über die Auswirkungvon Willensmängeln (s. §§ 116ff. BGB), über die Auslegung von Willenserklärungen (s. § 133 BGB), ihr Wirksamwerden und ihre Widerrufbarkeit haben keine unmittelbare Geltung für steuerliche Verfahrenshandlungen. Häufig ist aber ihre sinngemäße Geltung anerkannt, insbes. soweit es sich um allgemeine Rechtsgrundsätze handelt. Einen solchen allgemeinen Rechtsgrundsatz hat der BFH (BFH v. 18.08.1972, VI R 154/68, BStBl II 1973, 99) z. B. für die Auslegungsregel des § 133 BGB angenommen (BFH v. 10.10.2002, VI R 13/01, BStBl II 2003, 156).

 

Tz. 19

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die im Steuerwesen sehr bedeutsamen Wissenserklärungen folgen weitgehend einer eigenen Gesetzlichkeit. Der Erklärende muss sie (z. B. in der Steuererklärung) bis zum Nachweis des Gegenteils gegen sich gelten lassen, kann sie aber sonst frei abändern, soweit das Verfahren neues Vorbringen zulässt. Im Übrigen ist es eine Frage der Beweiswürdigung, ob der Inhalt einer Wissenserklärung wahr ist. Dabei spielt auch widersprüchliches Vorbringen eine große Rolle.

 

Tz. 20

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Prozessuale Willenserklärungen in Steuersachen, insbes. formelle Anträge und die Wirkung von damit zusammenhängenden Willens- oder Erklärungsmängeln, werden entsprechend der im Zivilprozess geltenden Grundsätze behandelt. Willensmängel sind grundsätzlich bedeutungslos (BFH v. 21.01.1965, V 128/62, HFR 1965, 376), soweit nicht die Rücknahme einer Handlung gestattet ist (s. § 362 AO), eine unerlaubte Willensbeeinflussung vorliegt (BFH v. 09.11.1961, IV 73/59 U, BStBl III 1962, 91) oder falsche Belehrungen ursächlich sind (BFH v. 15.08.1961, IV 176/59 S, BStBl III 1962, 107). Bei der Auslegung sind im Zweifelsfalle der Zweck der Erklärung und die Begleitumstände zu berücksichtigen. Eine formalisierende Auslegung ist nicht zweckdienlich (BFH v. 10.10.2002, VI R 13/01, BStBl II 2003, 156). Zwar bedeutet § 357 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 AO für das steuerliche Rechtsbehelfsverfahren eine wesentliche Auflockerung der prozessualen Strenge. Hieraus kann jedoch kein allgemeiner Verzicht des Gesetzgebers auf Klarheit und Rechtssicherheit im steuerlichen Verwaltungsverfahren gefolgert werden. Wie bei Prozesserklärungen besteht die grundsätzliche Bedingungsfeindlichkeit, sofern der Gegenstand der Bedingung nicht ein Vorgang des Verwaltungsverfahrens selbst ist (sog. unechte Bedingung).

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