Tz. 10

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Notwendig ist, dass der Stpfl. die Unrichtigkeit seiner Erklärung nach deren Abgabe erkennt. Wer bewusst eine falsche Erklärung abgibt, wird somit nicht zur Selbstbezichtigung verpflichtet; ihm steht lediglich die Möglichkeit der Selbstanzeige gem. § 371 offen (gl. A.: Seer in Tipke/Kruse, § 153 AO Rz. 15; Schindler in Gosch, § 153 AO Rz. 23; Rüping in HHSp, § 371 AO Rz. 208 m. w. N.; a. A.: OLG Hamburg v. 02.06.1992, 1 Ss 119/91, wistra 1993, 274, Heuermann in HHSp, § 153 AO Rz. 12 f.). Während also der Vorsatztäter nicht von der Vorschrift betroffen ist, ergreift die Berichtigungspflicht auch denjenigen, der eine leichtfertige Steuerverkürzung begangen hat. Der allgemeine Grundsatz, dass niemand gezwungen werden darf, sich selbst anzuzeigen, tritt demgegenüber zurück; das Gesetz mutet insoweit die Selbstanzeige zu (h. M., vgl. BVerfG v. 21.04.1988, 2 BvR 330/88, wistra 1988, 302; BGH v. 17.03.2009, 1 StR 479/08, BGHSt 53, 210, BB 2009, 1903, dort auch ausführlich zum Verhältnis des § 153 AO zum Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit ["nemo tenetur se ipsum accusare"]). Hat der Stpfl. die Unrichtigkeit seiner Angaben bei Abgabe der Steuererklärung nicht gekannt, aber billigend in Kauf genommen und damit vorsätzlich gehandelt, und hat er später die sichere Kenntnis erlangt, dass seine Angaben tatsächlich unrichtig waren, ist er zur Berichtigung nach § 153 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO verpflichtet (BGH v. 17.03.2009, 1 StR 479/08, BGHSt 53, 210, BB 2009, 1903; Schindler in Gosch, § 153 AO Rz. 25; krit. Seer in Tipke/Kruse, § 153 AO Rz. 20 ff.).

 

Tz. 11

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Der Stpfl. muss die Unrichtigkeit erkennen; allein das Kennen Können oder Kennen Müssen genügt nicht. Er muss weiterhin erkennen, dass es durch seine Erklärung (i. S. einer Kausalität) zu einer Verkürzung von Steuern kommen kann oder bereits gekommen ist. Nach h. M. genügt es aber, wenn der Stpfl. das Bewusstsein hat, dass es zu einer Steuerverkürzung kommen könnte oder gekommen sein könnte, d. h. eine von ihm vorgenommene rechtliche Würdigung möglicherweise falsch sein könnte, ohne dass er dieses für wahrscheinlich oder sicher halten muss (s. FG Bln v. 27.01.1999, 2 K 2138/97, EFG 1999, 680, 682; s. FG Mchn v. 06.09.2006, 1 K 55/06, EFG 2007, 161 m. Anm. Wüllenkemper; Seer in Tipke/Kruse, § 153 AO Rz. 16 m. w. N.). Diese Auslegung erscheint nicht zutreffend. Vielmehr werden nur die Fälle erfasst, in denen es – in der Zukunft – zu einer Verkürzung kommt, sofern eine Festsetzung überhaupt noch erfolgt. "Kommen kann" ist i. S. eines zeitlichen Moments ("noch kommen kann") ohne Reduzierung des notwendigen Erkenntnisgrades hinsichtlich der verkürzenden Wirkung der unrichtigen Angaben zu verstehen.

 

Tz. 11a

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Für die Beurteilung, ob ein "nachträgliches Erkennen" vorliegt, ist auf die potenziell berichtigungspflichtige Person abzustellen, d. h., die Berichtigungspflicht für den erst später bestellten Geschäftsführer besteht auch, wenn der vorherige Geschäftsführer im Zeitpunkt der Erklärungsabgabe um die Unrichtigkeit der Steuererklärung wusste (BFH v. 07.03.2007, I B 99/06, BFH/NV 2007, 1801).

 

Tz. 12

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Handelt es sich um Steuern, die durch Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern zu entrichten sind, ist eine Anzeige und Richtigstellung gefordert, wenn der Stpfl. bzw. eine der in § 153 Abs. 1 Satz 2 AO bezeichneten Personen nachträglich erkennt, dass die Steuer nicht in der richtigen Höhe entrichtet worden ist.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Kühn, Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung (Schäffer-Poeschel). Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge