Tz. 10

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

§ 46 Abs. 2 FGO dehnt den Rechtsschutz des § 46 Abs. 1 FGO auf die Fälle aus, in denen eine oberste Finanzbehörde des Bundes oder der Länder, desgleichen eine der anderen der in § 348 Nr. 3 und 4 AO bezeichneten Stellen die Entscheidung über den bei ihr beantragten Erlass eines Verwaltungsaktes hinauszögert und somit die Verpflichtungsklage die statthafte Klageart darstellt. In diesen Fällen ist gem. § 348 AO kein außergerichtlicher Rechtsbehelf gegeben, sodass das FG ohne außergerichtliches Vorverfahren angerufen werden kann. Die Klage, die hier eine echte Verpflichtungsklage darstellt, kann nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit Antragstellung erhoben werden, wenn nicht wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist. Wie bei der Untätigkeitsklage nach § 46 Abs. 1 FGO kann auch hier das Gericht im Wege der Aussetzung des Verfahrens der Finanzbehörde Gelegenheit geben, den beantragten Verwaltungsakt noch nachträglich zu erlassen oder anderweitig über den gestellten Antrag zu entscheiden (s. Rz. 5 und 8).

 

Tz. 11

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Nicht von § 46 Abs. 2 FGO erfasst sind die Fälle, in denen das FA (HZA) die Entscheidung über den Erlass eines beantragten VA hinauszögert. Dies ist die Fallkonstellation, die von § 347 Abs. 1 Satz 2 AO geregelt wird (Untätigkeitseinspruch; s. § 347 AO Rz. 27 ff.; vgl. BFH v. 19.05.2004, III R 36/02, BFH/NV 2004, 1655; BFH v. 05.07.2012, V R 58/10, BFH/NV 2012, 1953). Erst wenn über diesen Untätigkeitseinspruch nicht in angemessener Frist und ohne Mitteilung eines hinreichenden Grundes nicht entschieden wird, ist in diesem Fall der doppelten Untätigkeit der Weg für die Verpflichtungsklage in Form der Untätigkeitsklage i. S. des § 46 Abs. 1 FGO frei (gerichtet auf Erlass des ursprünglich beantragten Verwaltungsakts; z. B. BFH v. 07.09.2017, X B 52/17, BFH/NV 2018, 221; s. Rz. 1; vgl. BFH v. 12.10.2010, V B 134/09, BFH/NV 2011, 326). Eine Untätigkeitssprungklage ist im Gesetz nicht vorgesehen und daher unzulässig (BFH v. 19.05.2004, III R 36/02, BFH/NV 2004, 1655; BFH v. 25.09.2014, III R 54/11, BFH/NV 2015, 477). Dementsprechend ist auch eine Untätigkeitsklage, die der Kläger nach Einlegung eines nicht beschiedenen Einspruchs gegen einen Steuerbescheid einlegt, mit dem Antrag, das FA zur Bescheidung des Einspruchs zu verpflichten, gesetzlich nicht vorgesehen und daher unzulässig (BFH v. 09.09.2014, VIII B 133/13, BFH/NV 2015, 45).

 

Tz. 12

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die Untätigkeit der Behörde ist nach § 46 FGO nur die Zulässigkeitsvoraussetzung, nicht aber der Gegenstand der Klage. Das Rechtsschutzbegehren des Klägers ist daher auch in den Fällen des § 46 FGO auf Aufhebung oder Änderung eines Verwaltungsaktes oder auf Verurteilung zum Erlass eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsaktes gerichtet und nicht auf ein Tätigwerden der Behörde überhaupt, also eine "irgendwie geartete" Reaktion des beklagten FA (vgl. BFH v. 27.06.2006, VII R 43/05, BFH/NV 2007, 396; BFH v. 18.11.2015, XI R 24-25/14, BFH/NV 2016, 418; vgl. auch von Beckerath in Gosch, § 46 FGO Rz. 217; Seer in Tipke/Kruse, § 46 AO Rz. 16; Steinhauff in HHSp, § 46 FGO Rz. 396). Denn dem Kläger kommt es nicht auf irgendeine Entscheidung der Behörde an, sondern letztlich auf den Erlass des von ihm beantragten Verwaltungsakts. Auch in der vorgenannten Konstellation bleibt die Untätigkeitsklage eine Verpflichtungsklage, die lediglich – ausnahmsweise abweichend von § 44 Abs. 1 FGO – nicht den erfolglosen Abschluss des Einspruchsverfahrens voraussetzt (Rz. 1). Erlässt das FA im Fall der "doppelten Untätigkeit" den begehrten Verwaltungsakt, so ist folglich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, da der Kläger sein mit der (Untätigkeits-)Klage verfolgtes Ziel letztlich erreicht hat (Levedag in Gräber, § 46 FGO Rz. 1; Steinhauff in HHSp, § 46 FGO Rz. 390). Auf eine Entscheidung des Untätigkeitseinspruchs kommt es nicht mehr an. Dementsprechend erledigt sich eine ursprünglich erhobene Untätigkeitsklage nach Erlass der Einspruchsentscheidung, mit der dem Einspruch ganz oder teilweise nicht stattgegeben wird, nicht; denn dadurch hat die Finanzbehörde nicht, wie § 46 Abs. 1 Satz 3 FGO dies voraussetzt, den "beantragten" Verwaltungsakt erlassen. In einem solchen Fall ist das ursprüngliche Klageverfahren als Verpflichtungsklage fortzusetzen (BFH v. 19.04.2007, V R 48/04, BStBl II 2009, 315; BFH v. 18.11.2015, XI R 24-25/14, BFH/NV 2016, 418; Steinhauff in HHSp, § 46 FGO Rz. 390; Levedag in Gräber, § 46 FGO Rz. 28, 31; Seer in Tipke/Kruse, § 46 FGO Rz. 20). Dies gilt auch, wenn das FA eine (negative) Einspruchsentscheidung erlässt: Auch in diesem Fall ist das bereits anhängige Klageverfahren fortzuführen (BFH v. 18.11.2015, XI R 24-25/14, BFH/NV 2016, 418; von Beckerath in Gosch, § 46 FGO Rz. 191). Denn das Ziel des Klägers ist es – wie bereits ausgeführt –, eine Entscheidung in der Sache (Erlass des begehrten Verwaltungsakts) zu erlangen. Diesem Begehren w...

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