Tz. 12

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Steuerbescheide und ihnen gleichstehende Bescheide (s. Rz. 2) können in vollem Umfang unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergehen, eine Beschränkung des Vorbehalts auf einzelne Punkte oder Besteuerungsgrundlagen ist nicht zulässig (AEAO zu § 164, Nr. 3 Satz 2; BFH v. 23.03.1999, III B 107/98, BFH/NV 1999, 1307 m. w. N.; BFH v. 27.09.2007, IX B 19/07, BFH/NV 2008, 27). Ist mit der unter Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Steuerfestsetzung eine Billigkeitsmaßnahme gem. § 163 AO verbunden, steht die Billigkeitsentscheidung nach § 163 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AO unter dem Vorbehalt des Widerrufs (AEAO zu § 164, Nr. 9; s. auch § 163 AO Rz. 27). Die Festsetzung einer Vorauszahlung ist stets eine Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 Satz 2 AO; s. Rz. 3).

 

Tz. 13

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Sofern eine abschließende Prüfung noch nicht stattgefunden hat, kann der Vorbehaltsvermerk auch erstmals im Einspruchsverfahren in die Steuerfestsetzung aufgenommen werden. Da der Vorbehalt auch die jederzeitige Änderung zuungunsten des Stpfl. zulässt, wirkt er – auch – belastend, sodass der Stpfl. nach § 367 Abs. 2 Satz 2 AO auf die beabsichtigte Ergänzung um den Vorbehalt hinzuweisen ist, wenn der Vorbehalt zu einer Verböserung führt (BFH v. 12.06.1980, IV R 23/79, BStBl II 1980, 527; AEAO zu § 367, Nr. 5 Abs. 3 Satz 1). Ein ohne Verböserungshinweis verfügter Vorbehalt der Nachprüfung ist rechtswidrig, aber wirksam. Wegen des Verbots der reformatio in peius darf der Vorbehalt der Nachprüfung dagegen im finanzgerichtlichen Verfahren nicht mehr nachträglich angebracht werden (Frotscher in Schwarz/Pahlke, § 164 AO Rz. 39). Ein aufgrund im Klageverfahren nachgereichter Steuererklärung erlassener Änderungsbescheid kann aber mit Zustimmung des Stpfl. unter Vorbehalt der Nachprüfung ergehen (u. a. BFH v. 30.10.1980, IV R 168-170/79, BStBl II 1981, 150;AEAO zu § 367, Nr. 5 Abs. 3 Satz 2; Heuermann in HHSp, § 164 AO Rz. 13; s. Rz. 6)

 

Tz. 14

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die erstmalige Aufnahme des Vorbehalts der Nachprüfung im Rahmen einer Änderung nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a AO ist nicht zulässig, es sei denn, dass der Stpfl. zustimmt, bei Auswirkungen zu seinen Gunsten vor Ablauf der Einspruchsfrist (Seer in Tipke/Kruse, § 164 AO Rz. 23; Frotscher in Schwarz/Pahlke, § 164 AO Rz. 37). Dies ist auch aufgrund von Änderungen nach anderen Vorschriften wie z. B. § 173 Abs. 1 AO oder § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO nicht möglich, weil diese Vorschriften lediglich eine punktuelle Änderung zulassen (BFH v. 30.10.1980, IV R 168 – 170/79, BStBl II 1981, 150). Der Vorbehalt der Nachprüfung kann auch nicht in einem Einspruchsverfahren gegen einen Änderungsbescheid, der nicht auf § 164 Abs. 2 AO, sondern auf andere Vorschriften wie § 173 AO oder § 175 AO gestützt ist, erstmalig verfügt werden, da § 351 Abs. 1 AO die Anfechtung eines Änderungsbescheids nur insoweit, d. h. in dem Umfang zulässt, als die Änderung reicht (Frotscher in Schwarz/Pahlke, § 164 AO Rz. 40; von Wedelstädt in Bartone/von Wedelstädt, Rz. 494).

 

Tz. 15

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Der Vorbehalt der Nachprüfung ist eine unselbstständige Nebenbestimmung zum Steuerbescheid i. S. des § 120 AO, die nicht selbstständig in einem gesonderten Verwaltungsakt verfügt werden kann. Fehlerhaftigkeit hinsichtlich des Vorbehalts führt nicht zur isolierten Rechtswidrigkeit des Vorbehalts, sondern zur Rechtswidrigkeit der gesamten Steuerfestsetzung. Der Vorbehalt ist im Steuerbescheid anzugeben, wenn er nicht kraft Gesetzes besteht (AEAO zu § 164, Nr. 1).

 

Tz. 16

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Der Vorbehalt der Nachprüfung bedarf keiner Begründung (§ 164 Abs. 1 Satz 1 AO). Soweit sich der Vorbehalt der Nachprüfung nicht wie bei der Steueranmeldung oder bei Vorauszahlungen kraft Gesetzes ergibt, muss er aus dem Steuerbescheid eindeutig ersichtlich sein, da er anderenfalls mangels hinreichender Bestimmtheit unwirksam (§ 119 Abs. 1 AO; §§ 124 Abs. 3, 125 Abs. 1 AO; AEAO zu § 164, Nr. 1), der Steuerbescheid mithin endgültig ist. Dabei kommt es nicht darauf an, dass die Worte "Unter dem Vorbehalt der Nachprüfung" verwendet werden. Es muss für den Stpfl. jedoch eindeutig erkennbar sein, dass hinsichtlich der Steuerfestsetzung eine Nachprüfung vorbehalten ist. Eine Bezugnahme im Steuerbescheid auf sonstige Unterlagen reicht nicht aus, solange sich hieraus für den Stpfl. nicht eindeutig eine entsprechende Ermessensentscheidung des zuständigen Veranlagungsbeamten ergibt (BFH v. 02.12.1999, V R 19/99, BStBl II 2000, 284 m. w. N.). Ein versehentlich unterbliebener Vorbehaltsvermerk kann nach § 129 AO im Wege der Berichtigung der Steuerfestsetzung nachträglich ergänzt werden (h. M.; BFH v. 06.11.2012, VIII R 15/10, BStBl II 2013, 307 m. w. N.; von Wedelstädt in Gosch, § 129 AO Rz. 47 m. w. N.; a. A. Seer in Tipke/Kruse, § 164 AO Rz. 25; Weber, DStR 2007, 1561). Bei Vorliegen der Voraussetzungen für die Berichtigung nach § 129 AO kann das FA auch...

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