Tz. 8

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Im Unterschied zur Verpflichtungsklage ist die sonstige (allgemeine) Leistungsklage nicht auf den Erlass eines Verwaltungsakts gerichtet, sondern auf ein sonstiges Tun, Dulden oder Unterlassen (BFH v. 07.11.1990, II R 56/85, BStBl II 1991, 183). Auch eine auf ermessensfehlerfreie Bescheidung gerichtete Leistungsklage ist zulässig, wenn das Klagevorbringen erkennen lässt, dass der Kläger sein subjektives Recht auf fehlerfreie Ermessensausübung durch Versagung oder Unterlassung einer (anderen) Leistung als verletzt sieht (BFH v. 12.04.1994, VII R 67/93, BFH/NV 1995, 77). Die Leistungsklage ist – weil nicht verwaltungsaktbezogen – unbefristet und ohne Durchführung eines außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens zulässig (vgl. §§ 44 Abs. 1, 47 FGO). Sie ist der Verpflichtungsklage gegenüber subsidiär in der Weise, dass sie unzulässig ist, wenn der Kläger sein Ziel mit der Verpflichtungsklage verfolgen kann (BFH v. 07.11.1987, I R 66/84, BFH/NV 1988, 319; FG Köln v. 15.05.2002, 2 K 1781/99, EFG 2002, 1150). Die Entscheidung über die Gewährung einer tatsächlichen Handlung, insbes. in deren Ablehnung (z. B. Herausgabe von Schriftstücken, Abbruch der Schlussbesprechung, Gewährung von Akteneinsicht) ist Verwaltungsakt, wenn auch das begehrte Tun keinen Verwaltungsakt darstellt (z. B. BFH v. 07.11.1987, BFH/NV 1988, 319). Daher sind solche Begehren mit der Verpflichtungsklage zu verfolgen (BFH v. 07.11.1987, I R 66/84, BFH/NV 1988, 319; FG Köln v. 15.05.2002, 2 K 1781/99, EFG 2002, 1150; a. A. für die Akteneinsicht FG Sa v. 04.11.1994, 1 K 151/94, EFG 1995, 156). Der Anwendungsbereich der allgemeinen Leistungsklage ist daher erheblich eingeschränkt und verengt sich im Wesentlichen auf Klagen, mit denen der Behörde ein bestimmtes Verhalten untersagt werden soll (z. B. BFH v. 02.04.1984, I R 269/81, BStBl II 1984, 563: Unterlassen der Verwertung von Unterlagen). Zahlungsansprüche können mit der Leistungsklage nur dann verfolgt werden, wenn sie in einem entsprechenden Verwaltungsakt festgesetzt oder in einem Abrechnungsbescheid (§ 218 Abs. 2 Satz 1 AO; s. Rz. 7) festgestellt sind und es nur noch am Vollzug, an der tatsächlichen Auszahlung fehlt (z. B. BFH v. 12.06.1986, VII R 103/83, BStBl II 1986, 702; BFH v. 29.01.1991, VII R 45/90, BFH/NV 1991, 791; s. Rz. 7). Dies gilt insbes. für Erstattungsansprüche i. S. von § 37 Abs. 2 AO, für die zunächst ein Abrechnungsbescheid beantragt und ggf. mit Einspruch und Anfechtungsklage angefochten werden muss, sodass eine stattdessen unmittelbar erhobene Leistungsklage unzulässig ist (BFH v. 12.06.1986, VII R 103/83, BStBl II 1983, 702; BFH v. 10.05.2007, VII B 195/06, juris). Die Leistungsklage ist nicht gegen das Kassen-FA, sondern gegen das für die Veranlagung und Vollstreckung zuständige FA zu richten (FG RP v. 15.08.1988, 5 K 106/88, EFG 1989, 65). Eine vorbeugende Unterlassungsklage ist zulässig, wenn substantiiert und in sich schlüssig Umstände vorgetragen werden, wonach ein weiteres Abwarten unzumutbar ist, weil ein bestimmtes, künftig zu erwartendes Handeln der Finanzbehörde zu einer nicht oder nur schwerlich wiedergutzumachenden Rechtsverletzung führen würde, die über die reine Geldleistung hinausgehende einschneidende Beeinträchtigungen mit sich brächte. Dies ist z. B. der Fall, wenn einem Vollstreckungsschuldner erhebliche Nachteile drohen, die seine persönliche oder wirtschaftliche Existenz gefährden und die nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen wiedergutzumachen sind (z. B. BFH v. 24.02.2015, VII R 1/14, BFH/NV 2015, 801; BFH v. 16.03.2016, VII R 36/13, BFH/NV 2016, 1189; BFH v. 28.11.2017, VII R 30/15, BFH/NV 2018, 405).

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