Tz. 4

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Wer zur Abgabe einer Steuererklärung verpflichtet ist, lässt sich nicht der AO entnehmen (s. aber zum Verfahren der gesonderten Feststellung § 181 Abs. 2 AO), sondern wird in den einzelnen Steuergesetzen (§ 5 AO) bestimmt (s. §§ 25 Abs. 3 EStG, 56 ff. EStDV; § 14a GewStG; § 31 ErbStG; § 18 UStG; § 28 BewG; § 19 GrEStG). Steuererklärungen i. S. der Vorschrift sind auch die sich aus den Verbrauchsteuergesetzen ergebenden Anzeigen und Meldungen, die als Unterlagen für die Festsetzung einer Verbrauchsteuer dienen (a. A.: Heuermann in HHSp, Vor §§ 149–153 AO Rz. 4, soweit nicht ausdrücklich als Steuererklärung ausgewiesen), sowie Steueranmeldungen (§ 150 Abs. 1 Satz 3 AO; BFH v. 07.07.2005, V R 63/03, BStBl II 2005, 813 zur Anwendbarkeit von § 152 AO). Hat die Finanzbehörde wegen Nichtabgabe der Steuererklärung von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen (§ 162 AO), berührt dies die Steuererklärungspflicht nicht (§ 149 Abs. 1 Satz 4 AO).

 

Tz. 5

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Im Falle der Zusammenveranlagung von Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnern trifft die Erklärungspflicht jeden Ehegatten/Lebenspartner bezüglich der von ihm bezogenen Einkünfte bzw. ihm zustehenden Vermögenswerte. Eine Verantwortung auch für die Angaben des Ehegatten/Lebenspartners hat der Stpfl. nicht zu übernehmen; das gilt ungeachtet dessen, dass Ehegatten, die die Zusammenveranlagung wählen, eine gemeinsame Erklärung abzugeben haben (ebenso: Seer in Tipke/Kruse, § 149 AO Rz. 6; a. A. BFH v. 24.07.1996, I R 62/95, BStBl II 1997, 115: Gesamtschuldnerschaft der Erklärungspflichtigen; anders dagegen für die strafrechtliche Verantwortlichkeit: BFH v. 16.04.2002, IX R 40/00, BStBl II 2002, 501). Im Falle mehrerer Verpflichteter ist grundsätzlich jeder Einzelne zur Abgabe einer Steuererklärung verpflichtet. Die Erfüllung der Erklärungspflicht durch einen der Verpflichteten befreit die weiteren (s. § 181 Abs. 2 Satz 3 AO).

 

Tz. 6

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Für erklärungspflichtige, nicht handlungsfähige Personen (§ 79 AO) haben die gesetzlichen Vertreter in Erfüllung einer eigenen Pflicht (so BFH v. 27.06.1989, VIII R 73/84, BStBl II 1989, 955; zur Frage, ob ein Verspätungszuschlag gegen den Vertreter festgesetzt werden kann, s. § 152 AO Rz. 22) zu handeln (im Einzelnen s. § 34 AO). Zum Umfang der Erklärungspflicht des Testamentsvollstreckers s. BFH v. 07.12.1999, II B 79/99, BStBl II 2000, 233; v. 11.06.2013, II R 10/11, BStBl II 2013, 924). Ebenso wie andere Stpfl. kann sich auch der Insolvenzverwalter nicht mit dem Hinweis auf fehlende Mittel seiner Erklärungspflicht entziehen (BFH v. 23.08.1994, VII R 143/92, BStBl II 1995, 194; s. auch Onusseit, ZIP 1995, 1798).

 

Tz. 7

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Gem. § 149 Abs. 1 Satz 2 AO hat auch derjenige eine Steuererklärung abzugeben, der dazu von der Finanzbehörde besonders aufgefordert wird. Da der Finanzbehörde kein "Steuererklärungserfindungsrecht" zusteht, ermöglicht § 149 Abs. 1 Satz 2 AO lediglich die Aufforderung zur Erklärungsabgabe zum Zwecke der Feststellung der Besteuerungsgrundlagen bei für möglich gehaltener Steuer- und damit auch Erklärungspflicht (BFH v. 11.10.1989, I R 101/87, BStBl II 1990, 280; weitergehend mit Blick auf § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO: BFH v. 28.11.1990, I R 71/89, BStBl II 1991, 440).

 

Tz. 8

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Die Finanzbehörde hat nach pflichtgemäßem Ermessen (§ 5 AO) zu entscheiden, ob sie die Abgabe einer Steuererklärung verlangen will (zur floskelhaften Begründung "große Abschlusszahlung" vgl. FG Sachsen v. 20.05.2009, 4 K 1352/08, juris). Die Aufforderung zur Abgabe einer Steuererklärung ist in der Regel nicht ermessensfehlerhaft, wenn – unter Anwendung einer vertretbaren Rechtsauffassung (s. FG RP v. 24.04.1998, 4 K 3491/97, DStRE 1998, 598) – ausreichende Anhaltspunkte für die Möglichkeit einer subjektiven Steuerpflicht vorhanden sind. Die Klärung möglicher Zweifelsfragen ist dem Veranlagungsverfahren vorbehalten (BFH v. 02.07.1997, I R 45/96, BFH/NV 1998, 14). Steht fest, dass eine Steuerpflicht nach den Umständen nicht in Betracht kommt, ist die Anforderung von Steuererklärungen ermessenswidrig (BFH v. 24.01.1990, I B 58/89, BFH/NV 1990, 488). Die Aufforderung ist Verwaltungsakt (s. BFH v. 02.07.1997, I R 45/96, BFH/NV 1998, 14 zur Abgrenzung gegenüber einer bloßen Erinnerung).

 

Tz. 9

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Die Aufforderung kann auch durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen (§ 149 Abs. 1 Satz 3 AO). Sie informiert – anders als öffentliche Erinnerungen – nicht lediglich über bestehende Erklärungspflichten und stellt daher eine – anfechtbare – Allgemeinverfügung dar (gl. A. Heuermann in HHSp, § 149 AO Rz. 18; diff. Seer in Tipke/Kruse, § 149 AO Rz. 14).

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