Tz. 6

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Eine Abtretung wird erst wirksam, wenn sie nach Entstehung des Anspruchs angezeigt wird (§ 46 Abs. 2 AO). Ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss bzw. eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung dürfen erst nach Entstehung des Anspruchs erlassen werden (§ 46 Abs. 6 AO). Maßgeblich ist der Entstehungszeitpunkt nach § 38 AO i. V. m. § 37 Abs. 1 bzw. Abs. 2 AO (BFH v. 14.05.2002, VII R 6/01, BStBl II 2002, 677 zu den Erstattungszinsen nach § 233a AO).

 

Tz. 7

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Der Abtretungsempfänger (Zessionar) bzw. der Pfandgläubiger, der zur Einziehung der Forderung berechtigt ist (s. § 1282 BGB), oder der Pfändungspfandgläubiger, dem die Forderung zur Einziehung überwiesen ist (s. § 835 ZPO), haben bezüglich des Zahlungsanspruchs dieselben Rechte wie derjenige, dem der Anspruch von Gesetzes wegen zusteht. Über die Frage, ob der Neuberechtigte damit auch Beteiligter (s. § 78 AO) an dem jeweiligen Besteuerungsverfahren wird, sagt die Vorschrift nichts aus.

 

Tz. 8

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Gemäß § 37 Abs. 2 AO setzt ein Erstattungsanspruch voraus, dass eine Steuer, ein Haftungsbetrag oder eine steuerliche Nebenleistung ohne rechtlichen Grund gezahlt worden oder dass der rechtliche Grund für die Zahlung später weggefallen ist. Damit steht fest, dass der Erstattungsanspruch i. S. des § 38 AO erst entsteht, wenn die in § 37 Abs. 2 AO genannten Voraussetzungen vorliegen (s. § 37 AO Rz. 6 ff.). Da andererseits eine wirksame Abtretung, Verpfändung oder Pfändung vor Entstehung des Erstattungsanspruchs nicht möglich ist, ist der Zessionar an dem Besteuerungsverfahren (Festsetzungsverfahren) selbst nicht beteiligt. Übertragbar ist nur der reine Zahlungsanspruch, d. h. die Rechtsstellung, die der Gläubiger eines Erstattungsanspruchs im Erhebungsverfahren hat (BFH v. 24.05.1978, VII R 2/75, BStBl II 1978, 464; BFH v. 27.01.1993, II S 10/92, BFH/NV 1993, 350). Der Zessionar oder Pfändungsgläubiger ist nicht berechtigt, durch Abgabe einer von ihm gefertigten Steuererklärung die Veranlagung zur Einkommensteuer nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG zu beantragen (BFH v. 18.08.1998, VII R 114/97, BStBl II 1999, 84; BFH v. 29.02.2000, VII R 109/98, BStBl II 2000, 573). Er hat keinen Hilfsanspruch auf Abgabe der Steuererklärung, den er aus seinem Titel gegen den Vollstreckungsschuldner durch Haftantrag vollstrecken kann (BGH v. 27.03.2008, VII ZB 70/06, NJW 2008, 1675 unter Aufgabe von BGH v. 12.12.2003, IXa ZB 115/03, NJW 2004, 954; Wolf/Müller, NJW 2004, 1775).

 

Tz. 9

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Ob eine Steuer usw. "ohne rechtlichen Grund gezahlt" worden ist bzw. ob der rechtliche Grund für die Zahlung später weggefallen ist, erweist sich erst in dem Zeitpunkt, in dem die Steuer usw. mit einem niedrigeren Betrag als dem bisher tatsächlich entrichteten festgesetzt wird. Dies kann im Verhältnis zu geleisteten Vorauszahlungen durch den Jahressteuerbescheid geschehen oder durch die Änderung bzw. Aufhebung früherer Festsetzungen. Entsprechendes gilt bei Doppelzahlung sowie Zahlung nach Eintritt anderer Erlöschensgründe i. S. des § 47 AO (z. B. Aufrechnung, Erlass, Verjährung). Der BFH sieht allerdings (zumindest) aufgrund "allgemeiner Praxis"Einkommen- und Lohnsteuererstattungsansprüche unabhängig von der Festsetzung der Jahressteuer mit Ablauf des Veranlagungszeitraums als abtretbar und pfändungsfähig an (BFH v. 06.02.1990, VIII R 86/88, BStBl II 1990, 523). Auch die negative Umsatzsteuerschuld ist in diesem Sinn mit Ablauf des jeweiligen Voranmeldungszeitraums entstanden (BFH v. 30.03.1993, VII R 108/92, BFH/NV 1993, 583). Einer formellen Festsetzung bedarf es insoweit nicht.

 

Tz. 10

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die Rechte des Zessionars eines Erstattungsanspruchs beschränken sich auf dessen Verwirklichung. Kommt es insoweit zu Streitigkeiten mit der Finanzbehörde, so entscheidet diese durch Abrechnungsbescheid (s. § 218 Abs. 2 AO), der mit dem Einspruch angefochten werden kann. An diesem Verfahren ist der Zessionar bzw. der Pfand- oder Pfändungspfandgläubiger beteiligt.

 

Tz. 11

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Richtet sich der Anspruch eines Pfändungsgläubigers im Fall der Zusammenveranlagung von Ehegatten, die nur Lohnbezüge hatten, nur gegen einen Ehegatten, so ist eine Aufteilung der Steuererstattung im Verhältnis der den beiden Ehegatten einbehaltenen Lohnsteuerabzugsbeträge erforderlich (BFH v. 01.03.1990, VII R 103/88, BStBl II 1990, 520).

 

Tz. 12

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Beruht die Entstehung des Erstattungsanspruchs i. S. des § 37 Abs. 2 AO darauf, dass die Zahlung aufgrund eines gem. § 125 AO nichtigen Verwaltungsakts erfolgt ist, kann dessen Nichtigkeit gem. § 125 Abs. 5 AO auch der Zessionar feststellen lassen. Auch die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Verwaltungsakts gem. § 41 Abs. 1 FGO steht dem Zessionar offen.

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