Tz. 5

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Mit dem Eintritt der Gesamtrechtsnachfolge wächst der Rechtsnachfolger in vollem Umfang in die Stellung des Vorgängers hinein (für den Erben s. BFH v. 21.07.2016, X R 43/13, BFHE 255, 27). Das bedeutet, dass bei der Feststellung der Rechte und Pflichten, die den Rechtsnachfolger betreffen, so zu verfahren ist, als ob der Rechtsnachfolger mit dem Vorgänger identisch wäre, "eine Rechtsnachfolge also gar nicht eingetreten wäre". Ein steuerlich relevantes Verhalten des Rechtsvorgängers ist grundsätzlich dem Rechtsnachfolger zuzurechnen (zur Veräußerung von geerbten Unternehmensgegenständen durch den Erben s. BFH v. 13.01.2010, V R 24/07, BStBl II 2011, 241). Die Forderungen und Schulden aus dem Steuerschuldverhältnis, an dem der Rechtsvorgänger beteiligt war, gehen unverändert auf den Rechtsnachfolger über (§ 45 Abs. 1 Satz 1 AO). Der Gesamtrechtsnachfolger wird anstelle des Vorgängers mit dem Eintritt der Gesamtrechtsnachfolge Beteiligter (s. § 78 AO). Wegen des für Vollstreckungsmaßnahmen erforderlichen Leistungsgebots s. § 254 Abs. 1 Satz 3 AO. Wird der Fiskus Erbe eines Steuerschuldners, vereinigen sich Anspruch und Forderung in einer Person. Diese Konfusion bewirkt das Erlöschen des Anspruchs (BFH v. 07.03.2006, VII R 12/05, BStBl II 2006, 584).

 

Tz. 6

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die Rechtsprechung macht von dem Grundsatz, dass der Gesamtrechtsnachfolger materiell- und verfahrensrechtlich in die abgabenrechtliche Stellung des Rechtsvorgängers einrückt (BFH v. 15.08.1983, IV R 99/80, BStBl II 1984, 31), insofern eine Ausnahme, als höchstpersönliche Verhältnisse oder Umstände, die unlösbar mit der Person des Rechtsvorgängers verknüpft sind, von der Zurechnung ausgeschlossen sind (BFH v. 12.11.1997, X R 83/94, BStBl II 1998, 148: Realsplitting). Daher kann auch ein Erbe einen vom Erblasser nicht ausgenutzten Verlustabzug nach § 10d EStG nicht bei seiner eigenen Veranlagung zur Einkommensteuer geltend machen (BFH v. 17.12.2007, GrS 2/04, BStBl II 2008, 608, m. w. N. auf die durch die Entscheidung gegenstandslos gewordene frühere Rechtsprechung).

 

Tz. 7

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die Unanfechtbarkeit eines gegen den Rechtsvorgänger ergangenen Steuerbescheids muss der Gesamtrechtsnachfolger gegen sich gelten lassen (s. § 166 AO). § 166 AO enthält insoweit hinsichtlich des Gesamtrechtsnachfolgers keine eigenständige Regelung, denn dessen Einrücken in die verfahrensrechtliche Stellung des Vorgängers folgt bereits aus § 45 AO. § 166 AO erweitert aber die Bekanntgabewirkungen (s. § 124 AO) eines gegenüber dem Vorgänger ergangenen VA auf den Gesamtsrechtsnachfolger. Keine Wirkungen gegenüber dem Gesamtrechtsnachfolger erlangen Verwaltungsakte, die nach Eintritt der Gesamtrechtsnachfolge an den Rechtsvorgänger gerichtet werden (BFH v. 17.06.1992, X R 47/88, BStBl II 1993, 174), selbst wenn sie in den Machtbereich des Gesamtrechtsnachfolgers gelangt sind. Ist durch die wirksame Bekanntgabe an den Rechtsvorgänger eine Rechtsbehelfsfrist in Gang gesetzt worden (s. § 355 Abs. 1 Satz 1 AO), so beginnt mit dem Eintritt der Rechtsnachfolge keine neue Rechtsbehelfsfrist. Auf das Verfahren nach der AO ist die sinngemäße Anwendung der ZPO nicht vorgeschrieben (anders für das finanzgerichtliche Verfahren, s. § 155 FGO), sodass eine Unterbrechung der Rechtsbehelfsfrist entsprechend § 239 ZPO nicht in Betracht kommt. Ggf. ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

 

Tz. 8

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die auf den Gesamtrechtsnachfolger übergegangenen Ansprüche ("Schulden") sind in derselben Weise geltend zu machen, wie sie gegenüber dem Rechtsvorgänger geltend zu machen gewesen wären, also durch Steuer- bzw. Haftungsbescheid ihm gegenüber. Zur Ablaufhemmung der Festsetzungsfrist s. § 171 Abs. 12 AO. Auch Feststellungsbescheide sind an den Gesamtrechtsnachfolger zu richten (BFH v. 25.11.1987, II R 227/84, BStBl II 1988, 410). Da die Erbengemeinschaft keine eigene Rechtspersönlichkeit hat, sind die den Rechtsvorgänger betreffenden Verwaltungsakte an die namentlich zu bezeichnenden Erben zu richten. Zur Möglichkeit des Erlasses zusammengefasster Verwaltungsakte bei einer Mehrheit von Erben s. § 155 Abs. 3 AO.

 

Tz. 9

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Nach § 45 Abs. 1 Satz 1 AO gehen die Forderungen und Schulden aus dem Steuerschuldverhältnis auf den Gesamtrechtsnachfolger über. Der Rechtsnachfolger wird damit selbst Stpfl. i. S. des § 33 Abs. 1 AO. Als solcher ist er auch zur Erfüllung der einen Steuerpflichtigen treffenden sog. steuerlichen Hilfspflichten verpflichtet. Sie erlöschen, so weit sie in der Person des Rechtsvorgängers entstanden waren und entstehen neu in der Person des Gesamtrechtsnachfolgers (Drüen in Tipke/Kruse, § 45 AO Rz. 15). Hinsichtlich der Pflicht zur Berichtigung von Erklärungen u. Ä. s. § 153 Abs. 1 Satz 2 AO. Wegen der sonstigen steuerlichen Pflichten im Einzelnen s. insbes. §§ 90ff., 134 ff. AO. Der ist Erbe auch verpflichtet, die Durchführung einer Außenprüfun...

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