Tz. 1

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

§ 177 AO ordnet die Berichtigung von materiellen Fehlern (s. Rz. 11) an, wenn ein Bescheid aufgehoben oder geändert wird. § 177 AO ergänzt die Korrekturvorschriften, durch welche die Bestandskraft von Steuerfestsetzungen durchbrochen wird. Für die Anwendung des § 177 AO müssen die Voraussetzungen einer Korrekturnorm und ein weiterer materieller Fehler vorliegen. Unter diesen Bedingungen ermöglicht § 177 AO die Berichtigung dieses materiellen Fehlers (bzw. mehrerer materieller Fehler, s. Rz. 29), der seinerseits nicht Anlass der Korrektur ist. Die Korrektur von Steuerbescheiden und ihnen gleichgestellten Bescheiden (s. Vor §§ 172–177 AO Rz. 3 ff.) ist grds. jedoch lediglich punktuell möglich (keine "Gesamtaufrollung"; s. Vor §§ 172–177 AO Rz. 22). Der Umfang der im einzelnen gem. § 177 AO zulässigen und gebotenen Maßnahmen ist durch die Beschränkung auf den Korrekturgrund ("soweit") in den betreffenden Vorschriften (§ 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a bis c AO, bzw. § 172 Abs. 1 Nr. 2d AO i. V. m. §§ 173 bis 175a AO und den in den Einzelsteuergesetzen umschriebenen Aufhebungs- und Änderungsvorschriften (s. § 172 AO Rz. 41) genau abgesteckt. Eine Berücksichtigung der materiellen Fehler ist daher nur in dem Umfang (Korrekturrahmen) zulässig, in dem die Bestandskraft aufgrund einer Korrekturnorm zulässigerweise durchbrochen wird (s. Rz. 21).

 

Tz. 2

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Systematisch ist zwischen § 177 Abs. 1 und § 177 Abs. 2 AO zu unterscheiden: § 177 Abs. 1 AO dient dazu, bereits bei der Bescheidkorrektur solche materiellen Fehler zu berücksichtigen, die der Stpfl. in einem Rechtsbehelfsverfahren geltend machen könnte (Loose in Tipke/Kruse, § 177 AO Rz. 3), hingegen bezweckt § 177 Abs. 2 AO, das FA insoweit dem Stpfl. gleichzustellen, wenn es einen Steuerbescheid zugunsten des Stpfl. korrigieren muss (Loose in Tipke/Kruse, § 177 AO Rz. 3).

 

Tz. 3

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

§ 177 AO dient der Einzelfallgerechtigkeit (BFH v. 05.08.1986, IX R 13/81, BStBl II 1987, 297; BFH v. 10.04.2003; V R 26/02, BStBl II 2003, 785), indem innerhalb gesetzter Grenzen der Rechtsrichtigkeit der Vorrang vor der Rechtssicherheit eingeräumt und so die materielle Bestandskraft zurückdrängt wird (z. B. BFH v. 10.04.2003, V R 26/02, BStBl II 2003, 785; BFH v. 22.04.2015,X R 24/13, BFH/NV 2015, 1334); Loose in Tipke/Kruse, § 177 AO Rz. 3). Aus dem Recht, die Mehr- oder Minderbesteuerung, die sich aus dem Korrekturgrund ergibt, mit der Mehr- oder Minderbesteuerung zu saldieren, die aus dem materiellen Fehler resultiert (Saldierungsrecht), entspringt eine Saldierungspflicht für die Finanzbehörde (Loose in Tipke/Kruse, § 177 AO Rz. 7; Rüsken in Klein, § 177 AO Rz. 6).

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