Tz. 47

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die Entscheidung darüber, ob tatsächlich und in welchem Umfang ein gesondertes Feststellungsverfahren durchgeführt werden soll, steht nach § 4 Satz 1 VO im pflichtgemäßen Ermessen der Finanzbehörde. Die Ermessensentscheidung hat sich an dem Zweck der Ermächtigung zu orientieren, nämlich die Sicherstellung einheitlicher Rechtsanwendung bei gleichen Sachverhalten und die Erleichterung des Besteuerungsverfahrens (§ 180 Abs. 2 Satz 1 AO). Ist der Zweck im Einzelfall zu bejahen, ist das Ermessen auf null reduziert (BFH v. 03.11.2005, V R 53/03, BFH/NV 2006, 841 m. w. N.). Stets müssen die Besteuerungsgrundlagen einen materiell-rechtlichen Bezug zu den in § 1 VO genannten Tätigkeiten und Objekten haben, um feststellungsfähig zu sein (BFH v. 23.09.1992, X R 156/90, BStBl II 1993, 11). Dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist Rechnung zu tragen. Die Ermessensentscheidung zur Durchführung eines Feststellungsverfahrens ist nicht in einem gesonderten Verwaltungsakt zu treffen (so Streck/Mack, DStR 87, 707). Eine solche "Feststellungsanordnung" verlangt der Zweck der Feststellung nicht; sie ist auch nicht aus Gründen der Rechtssicherheit geboten. Denn die Aufforderung zur Abgabe der Erklärung macht nach außen deutlich erkennbar, dass die Finanzbehörde ein Feststellungsverfahren für voraussichtlich geboten erachtet. Die für die Ermessenserwägungen erforderliche Vertrautheit mit den tatsächlichen Gegebenheiten setzt i. d. R. voraus, dass der Finanzbehörde die Erklärung vorliegt. Feststellungsbedarf besteht, wenn bei Bauherren- und Erwerbermodellen zumindest für einen Veranlagungszeitraum die Einkünfte von mindestens drei Beteiligten festzustellen sind und der einzelne Beteiligte insgesamt Werbungskosten (ausgenommen Finanzierungs- und Notarkosten) von mehr als 5 000 DM (= rd. 2 500 Euro) geltend macht (BMF v. 02.05.2001, IV A 4 – S 0361 – 4/01, BStBl I 2001, 256, Tz. 4.2 Abs. 2).

 

Tz. 48

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Hält die Finanzbehörde die Voraussetzungen für die Durchführung eines gesonderten Feststellungsverfahrens für gegeben, so hat sie den Feststellungsbescheid zu erlassen und in diesem ihre Entscheidung für die Durchführung des Verfahrens zu begründen (§ 121 AO), d. h. darzulegen, weshalb sie sie für erforderlich hält und ggf. warum sie die Feststellung umfangmäßig beschränkt hat.

 

Tz. 49

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Nach § 4 Satz 2 VO "kann" die Behörde, wenn sie eine gesonderte Feststellung nicht für erforderlich hält, "dies durch Bescheid feststellen". Eine derartige Negativfeststellung ist stets dann geboten, wenn eine Erklärung zur gesonderten Feststellung – angefordert oder unaufgefordert – vorliegt: wurde die Erklärung unaufgefordert eingereicht, ist darin das Begehren zu sehen, ein Feststellungsverfahren durchzuführen; wurde sie aufgrund ausdrücklicher Aufforderung durch die Finanzbehörde abgegeben, so ist der Negativbescheid aus Gründen der Rechtssicherheit zu erlassen (BMF v. 02.05.2001, IV A 4 – S 0361 – 4/01, BStBl I 2001, 256, Tz. 4.3 Satz 1). Das Absehen von der Durchführung des Feststellungsverfahrens führt dazu, dass die Ermittlungspflicht auf das für die Besteuerung des jeweiligen Beteiligten zuständige FA übergeht (BMF v. 02.05.2001, IV A 4 – S 0361 – 4/01, BStBl I 2001, 256, Tz. 4.3 Satz 2).

 

Tz. 50

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Der Negativbescheid gilt nach § 4 Satz 3 VO als Steuerbescheid. Er ist schriftlich zu erteilen (§ 155 Abs. 1 Satz 1 AO) und kann nur nach Maßgabe der §§ 172ff. AO aufgehoben werden. Die VO regelt nicht, wem gegenüber er zu erlassen ist. Ist unaufgefordert eine Erklärung zur gesonderten Feststellung nur von einem oder mehreren am Gegenstand der Feststellung Beteiligten, die keine Erklärungspflicht haben, abgegeben worden, muss der Negativbescheid nur den Erklärenden gegenüber bekannt gegeben werden, und zwar – bei mehreren Erklärenden – als einheitlicher Negativfeststellungsbescheid. Ist die Erklärung auf Aufforderung durch die Finanzbehörde abgegeben und gleichzeitig ein gemeinsamer Empfangsbevollmächtigter bestellt worden, so ist ebenfalls ein einheitlicher Negativfeststellungsbescheid zu erlassen, der diesem mit Wirkung für und gegen alle am Gegenstand der Feststellung Beteiligten bekannt zu geben ist (s. § 6 Abs. 1 Sätze 1 und 5 VO), denn auch die Negativfeststellung kann allen gegenüber nur einheitlich ergehen. Hat eine der in § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VO bezeichneten Personen auf Aufforderung lediglich die Erklärung abgegeben, so erscheint es vertretbar, den Negativbescheid nur dieser bekannt zu geben.

 

Tz. 51

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Gegen den Negativbescheid ist der Einspruch gegeben. Einspruchsbefugt sind nur diejenigen Personen, die Feststellungsbeteiligte wären; im Übrigen s. § 352 AO.

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