Tz. 27

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Bei einer abweichenden Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen nach § 163 AO ergibt sich die Zinsfestsetzung nach dem festgesetzten Steuerbetrag; einer gesonderten Zinsfestsetzung aus Billigkeitsgründen bedarf es wegen der Verbindung von Steuerfestsetzung und Zinsfestsetzung deshalb nicht. Bei einem Erlass nach § 227 AO bleibt die Steuerfestsetzung grundsätzlich unberührt. Da der Erlass den Steueranspruch zum Erlöschen bringt (Loose in Tipke/Kruse, § 227 AO Rz. 110), endet der Zinslauf mit der Bekanntgabe der Erlassverfügung. Über den Erlass der bis zu diesem Zeitpunkt entstandenen Zinsen ist gesondert zu entscheiden, da der Erlass zu keiner Änderung der Steuerfestsetzung führt, die automatisch eine Änderung der Zinsfestsetzung nach sich ziehen könnte.

 

Tz. 28

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Neben dem Erlass der Hauptforderung sind auch zinsspezifische Billigkeitsmaßnahmen möglich (BFH v. 24.07.1996 X R 23/94, BFH/NV 1997, 92; BFH v. 31.05.2017, I R 77/15, BFH/NV 2017, 1409). § 163 AO und § 227 AO finden gleichermaßen Anwendung, wie sich aus der Verweisung in § 239 Abs. 1 AO ergibt. Deshalb ist bei der Frage, ob eine Zinsfestsetzung unbillig ist, auf die individuellen Verhältnisse des Stpfl. als Zinsschuldner abzustellen (BFH v. 21.10.2009, I R 112/08, BFH/NV 2010, 606; BFH v. 03.07.2014, III R 53/12, BStBl. II 2017, 3). Bei der Entscheidung, ob ein Billigkeitserlass ausgesprochen wird, ist stets in die Betrachtung einzubeziehen, dass Zweck des Gesetzes ist, Liquiditätsvorteile des Steuerschuldners auszugleichen (BFH v. 24.02.2005, V R 62/03, BFH/NV 2005, 1220; BFH v. 08.10.2013, X R 3/10, BFH/NV 2014, 5), sodass allein der Umstand, dass – auch größere – Zinsbeträge anfallen, die Festsetzung und Erhebung der Zinsen nicht unbillig macht. Folglich ist die Erhebung von Nachzahlungszinsen nur dann sachlich unbillig, wenn zwar die gesetzlichen Voraussetzungen der Verzinsung erfüllt sind, die Verzinsung aber den Wertungen des Gesetzgebers zuwiderläuft und deshalb die Erhebung der Zinsen mit Rücksicht auf den Zweck der Verzinsungsregelung nicht gerechtfertigt ist (BFH v. 13.03.2007, I B 5/06, BFH/NV 2007, 1266). Da die reine Möglichkeit der Kapitalnutzung die Zinspflicht auslöst, ist auch für Verschuldenserwägungen kein Raum (BFH v. 03.05.2000, II B 124/99, BFH/NV 2000, 1441; BFH v. 30.11.2001, V B 169/00, BFH/NV 2001, 656; BFH v. 30.10.2001, X B 147/01, BFH/NV 2002, 506; BFH v. 31.01.2008 VIII B 253/05, BFH/NV 2008, 740; BFH v. 03.07.2014, III R 53/12, BStBl. II 2017, 3). Deshalb rechtfertigt auch die verzögerte oder fehlerhafte Bearbeitung der Steuererklärung keinen Erlass (BFH v. 02.02.2001, XI B 91/00, BFH/NV 2001, 1003; FG Mchn v. 21.07.2017; 7 K 1505/16, – juris; a. A. Loose in Tipke/Kruse, § 233a AO Rz. 79 m. w. N.). Gleiches gilt für eine nicht zeitnahe Auswertung von Mitteilungen über Besteuerungsgrundlagen, zumal dem FA durch das Verfahrensrecht nach § 171 Abs. 10 AO eine Anpassungsfrist von zwei Jahren eingeräumt ist (BFH v. 17.08.2007, XI B 22/07, BFH/NV 2007, 2075, bestätigt durch BVerfG v. 03.09.2009, 1 BvR 2539/07, HFR 2010, 171). Allerdings lässt die FinVerw (AEAO zu § 233a AO, Nr. 69.2) im Anschluss an die Rspr. (BFH v. 11.07.1996, V R 18/95, BStBl II 1997, 259; BFH v. 12.04.2000, XI R 21/97, BFH/NV 2000, 1178; BFH v. 28.07.2009, I B 42/09, BFH/NV 2010, 5) einen Billigkeitserlass zu, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Stpfl. durch die verspätete Steuerfestsetzung keinen Vorteil erlangt hat. Zweifelhaft ist aber, ob diese Voraussetzung schon erfüllt ist, wenn der Stpfl. die zu erwartende Nachzahlung auf einem nicht verzinslichen Konto bereithält. U. E. rechtfertigt dies einen Erlass – ungeachtet etwaiger Nachweisfragen – wegen des pauschalierenden Charakters von § 233a AO nicht (gl. A. BFH v. 19.03.1997, I R 7/96, BStBl II 1997, 446; a. A. Loose in Tipke/Kruse, § 233a AO Rz. 79 m. w. N.). Davon zu unterscheiden ist der Fall, dass das FA dem Stpfl. irrtümlich Vorauszahlungsbeträge zurücküberweist, der Stpfl. das FA auf diesen Fehler hinweist und den Betrag zur sofortigen Rückzahlung auf einem unverzinslichen Konto bereithält. Dann steht einer Zinsfestsetzung Treu und Glauben entgegen (BFH v. 17.08.2007, XI B 22/07, BFH/NV 2007, 2075; BFH v. 25.11.1997, IX R 28/96, BStBl II 1998, 550).

Bei Gewinnverlagerungen kommt ein Erlass grundsätzlich nicht in Betracht. Denn es entspricht dem Zweck des Gesetzes, auch Verschiebungen von Einkünften zwischen den Veranlagungszeiträumen der Einkommensteuer zu unterwerfen, die typischerweise z. B. nach Außenprüfungen entstehen. Gerade in Kenntnis solcher Sachverhalte hat der Gesetzgeber an dem Anknüpfungspunkt der typischerweise jahresbezogenen Steuerfestsetzung festgehalten (BFH v. 16.11.2005, X R 3/4, BStBl II 2006, 155). Nur in Ausnahmefällen, in denen der Steuerpflichtige während des Zinslaufs keinen Liquiditätsvorteil hat und zudem die Änderung der zeitlichen Zurechnung aufkommensneutral ist, kann ein Erlass in Betracht komm...

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