Tz. 28

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht festgesetzt werden. Im Fall der Veranlagungssteuern tritt der Verkürzungserfolg ein, wenn die Veranlagungsarbeiten für den betreffenden Zeitraum im Wesentlichen abgeschlossen sind. Das ist bei einem Erledigungsstand von 90 bis 95 v. H. der Fall (FG He v. 16.09.2003, 13 K 29/00, EFG 2004, 1274: 95 v. H.). Zu diesem Zeitpunkt wäre der Täter, hätte er seine Steuererklärung ordnungsgemäß abgegeben, spätestens veranlagt worden (BGH v. 23.10.1998, 5 StR 500/98, wistra 1999, 385; BGH v. 07.11.2001, 5 StR 395/01, BStBl II 2002, 259; BGH v. 18.05.2011, 1 StR 209/11, wistra 2011, 346). Zur Feststellung dieses Zeitpunkts ist u. E. nicht auf den Veranlagungsschluss des zuständigen FA, sondern auf den Veranlagungs- bzw. Teilbezirk abzustellen, weil einerseits innerhalb einer Behörde erhebliche Schwankungen auftreten können und andererseits mit den Mitteln der Statistik der Kausalverlauf bezogen auf den einzelnen Arbeitsbereich konkret festgestellt werden kann. Im Schrifttum ist umstritten, ob bei einem dem FA bekannten Stpfl. diese Grundsätze gleichermaßen gelten, da es das FA in der Hand habe, durch eine rechtzeitige Schätzung den Erfolgseintritt zu verhindern (Dörn, NStZ 2002, 189; a. A. Buse, wistra 2008, 51). Schätzt das FA vor dem allgemeinen Veranlagungsschluss die Steuer zu niedrig, tritt mit Bekanntgabe dieses Bescheids die Tatvollendung ein. Ist die Schätzung richtig oder gar zu hoch, kommt es nicht zu einer vollendeten Steuerhinterziehung (BGH v. 22.08.2012, 1 StR 317/12, wistra 2013, 65).

 

Tz. 29

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Im Fall der Fälligkeits- oder Anmeldesteuern tritt der Taterfolg ein, wenn die Steueranmeldung am gesetzlich vorgeschriebenen Tag nicht eingereicht ist (z. B. USt-Voranmeldung: s. § 18 Abs. 1 UStG; Jahresanmeldung s. § 18 Abs. 4 UStG i. V. m. § 149 Abs. 2 AO; LSt-Anmeldung s. § 41a Abs. 1 EStG). Die Steueranmeldung steht einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich (s. § 168 AO), sodass die Steuer mit der Anmeldung festgesetzt ist. Liegt die Anmeldung zum gesetzlich vorgeschriebenen Termin nicht vor, ist die Steuer nicht bzw. zu spät festgesetzt (BGH v. 11.02.1990, 5 StR 519/90, wistra 1991, 215; BGH v. 27.03.1991, 3 StR 358/90, wistra 1991, 222). Die Nichtanmeldung der Lohnsteuer für in Privathaushalten geringfügig Beschäftigte wird nach § 50e Abs. 2 EStG nicht als Steuerstraftat, sondern als Ordnungswidrigkeit verfolgt. Kein Verkürzungserfolg tritt trotz einer Falscherklärung ein, wenn ein Nichtunternehmer, widerspruchslos inhaltlich unzutreffende Gutschriften vermeintlicher Leistungsempfänger akzeptiert und sodann zwar nicht die nach § 14c Abs. 2 Satz 2 UStG geschuldete Steuer anmeldet, wohl aber die Umsätze aus den tatsächlich nicht steuerbaren – vermeintlichen – Leistungen an den Gutschriftaussteller (BGH v. 03.12.2013, 1 StR 579/13, wistra 2014, 144; ggf. Beihilfe zur Steuerhinterziehung wegen des nicht berechtigten Vorsteuerabzugs des Gutschrifterstellers).

 

Tz. 29a

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Im Fall der Tabaksteuerhinterziehung durch Unterlassen tritt der Taterfolg der Nichtfestsetzung ein, wenn der Verbringer von Tabakwaren ohne Steuerzeichen in die Bundesrepublik nicht unverzüglich die in § 19 Abs. 3 TabStG vorgesehene Steuererklärung abgibt. Allein der Ankauf geschmuggelter Zigaretten im Ausland genügt nicht (BGH v. 28.08.2008, 1 StR 443/08, wistra 2008, 470). Zur Steuerschuldnerschaft des Erwerbers s. BGH v. 02.02.2010, 1 StR 635/09, NStZ 2010, 644.

 

Tz. 30

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Das Gesetz spricht mit der Nichtfestsetzung die Hinterziehung auf Dauer an, mit der der Täter den Verkürzungserfolg, der durch die Nichtfestsetzung einer geschuldeten Steuer bewirkt wird, endgültig anstrebt. Im Gegensatz dazu steht die Verkürzung auf Zeit, mit der der Täter einen nur vorübergehenden Erfolg anstrebt. Diese Variante ist mit der verspäteten Festsetzung der Steuer angesprochen. Die Differenzierung spielt für die Strafzumessung eine Rolle (s. Rz. 39 f.), nicht aber für den Umfang der verkürzten Steuer (BGH v. 17.03.2009, 1 StR 627/08, NJW 2009, 1979; kritisch: Weidemann, wistra 2009, 440).

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