Positionierungsstrategien für Steuerkanzleien: Generalist

Die wachsende Komplexität des Steuerrechts, die Verzahnung der verschiedenen Wirtschaftsbereiche, die zunehmend grenzüberschreitenden Tätigkeiten der Mandanten, Wissensanforderungen, Gesetzesänderungen und Mandantenerwartungen legen den Schluss nahe, dass Spezialisten gegenüber Generalisten im Vorteil sind. Das ist aber nicht zwangsläufig so. Auch der Generalist kann seine Stärken ausspielen.

Der Generalist hat auch im 21. Jahrhundert nach wie vor seine Berechtigung und ist vor allem bei den rund 70 % der Einzelkanzleien mit einem Inhaber und 10 bis 12 Mitarbeitern zu finden. Gerade für Kanzleien mit regionalem Bezug ist der Generalist die ideale Ausprägung, um durch intensiven Kontakt bestehende Mandanten zu binden und bei Spezialfragen auf ein funktionierendes Netzwerk von Fachberatern und Wirtschaftsberatern im persönlichen Umfeld zurückzugreifen. Diese Kanzleien haben die Funktion vergleichbar mit einem Hausarzt. Mit allen normalen "Steuer-Wehwehchen" kommen die Mandanten zu ihm, für alles Weitere werden sie an den Spezialisten überwiesen.

Generalistische Positionierung: 5 wichtige Bereiche

Diese Kanzleien zeichnen positionieren sich über diese Bereiche:

  1. Konzentration auf das Kerngeschäft
  2. Hervorragende Servicequalität
  3. Langfristiger Unternehmensbegleiter
  4. Regionaler Bezug
  5. Schaltstelle für besondere Wirtschaftsfragen

Generalisten: Konzentration auf das Kerngeschäft

Voraussetzung für eine erfolgreiche Generalisten-Kanzlei: Sie hat die Kernprozesse Fibu, Lohn, Jahresabschluss und Steuererklärungen so prozessoptimiert, dass trotz ständigem Preiskampf und Honorardiskussionen mit all diesen Bereichen Geld verdient wird und ausreichend Zeit für die persönliche Betreuung vorhanden ist. Was diese Kanzleien richtig gut können und worauf sie ihr Augenmerk legen, ist effizientes und rationelles Abarbeiten der Aufträge, indem die technischen Entwicklungen angewendet werden. Dadurch haben sie Zeit und ein Ohr für die individuellen Belange des Mandanten und nutzen dies, um daraus passende Serviceangebote und Zusatzleistungen zu schnüren.

Die Mitarbeiter haben ein geschultes Auge dafür, welche Leistungen dem Mandanten Nutzen bringen und bieten diese professionell an. Das Augenmerk liegt auf einer engen Kanzleibindung mit hohem Zufriedenheitsgrad und dadurch verbesserte Weiterempfehlungsquoten.

Generalisten: Hervorragende Servicequalität

Welches Manko haben viele Kanzleien aus heutiger Sicht? Sie bieten die klassischen Steuerberaterleistungen und sind zu stark mit dem Tagesgeschäft ausgelastet, um sich ausreichend persönlich um ihre guten Mandanten zu kümmern.

Wenn es im Marketing-Seminaren um Maßnahmen zur aktiven Beziehungspflege geht, ist häufig zu hören: "Woher soll ich denn die Zeit dafür nehmen? Monatlich meine A- und B-Mandanten anzurufen, ist doch nur in der Theorie eine schöne Idee, aber in der Praxis nicht umsetzbar." Generalisten, die das in den nächsten Jahren nicht auf die Reihe bekommen, werden mit erheblichen Mandatsabgängen zu kämpfen haben. Denn die Mandanten werden heiß umworben werden, von der Vielzahl der jungen Kolleginnen und Kollegen, die sich neu am Markt etablieren oder von Kanzleien, die die Zeichen der Zeit rechtzeitig erkannt haben.

Eine hohe Servicequalität entspricht zum einen der Erwartungshaltung des erfolgreichen verwöhnten Unternehmers, der hofiert werden will und kann zum anderen in der Außendarstellung wirksam als Unterscheidungsmerkmal eingesetzt werden. Schneller, höher, weiter, freundlicher – bei der Servicequalität geht es um die Suche nach einem spürbar unterscheidbaren Profil für die Art und Weise der Leistungserbringung. Sie sind der Erfolgshebel bei der Weiterempfehlung, weil sie den Mandanten Ansatzpunkte geben, worüber sie anderen positiv berichten können. Um dieses Potential zu nutzen, muss die Kanzlei aber erhebliche Vorleistungen erbringen: Serviceleistungen müssen aufgebaut und die gegebenen Leistungsversprechen auch eingehalten werden.

Studien zur Mandantenzufriedenheit zeigen, worauf es ankommt. 3 Punkte werden am häufigsten genannt bei der Frage: "Was ist Ihnen besonders wichtig in der Zusammenarbeit mit Ihrem Steuerberater?"

  • Erreichbarkeit,
  • Termintreue,
  • aktiv informiert werden.

Steuerberatungskanzleien, die diese Grundbdürfnisse der Mandanten im rahmen ihrer Serviceleistungen befriedigen, sollten dies in der Außendarstellung zur Profilierung nutzen und auch klar kommunizieren. Zunächst kommt es jedoch darauf an, die an den Grundbedürfnissen der Mandanten orientierten Leistungsversprechen der Kanzlei nutzenorientiert – aus der Sicht des Mandanten – zu definieren (vgl. die Beispiele in der folgenden Tabelle).

Leistungsversprechen

Nutzenorientierte Leistung

Individuelle Beratung

In regelmäßigen, mindestens jährlichen Entwicklungsgesprächen diskutieren wir den Handlungsbedarf und erstellen für Sie einen Aktivitätenplan.

Schnelle Abwicklung

Sie erhalten Ihre Unterlagen innerhalb von drei Arbeitstagen zurück.

Jederzeit erreichbar

Rückruf innerhalb von vier Stunden, 24-Stunden-Service-Hotline.

Flexibel

Tragen Sie Ihren Wunschtermin in unseren Online-Kalender ein.

Kompetenz/Qualität

Jeder Kanzlei-Mitarbeiter besucht mindestens 5 Fortbildungsveranstaltungen pro Jahr.

Termingerecht

Sie kennen die geplanten Fertigstellungstermine und werden laufend über die Arbeitsfortschritte informiert.

Laufende Informationen

Sie erhalten aktiv von uns Tipps und Tricks rund um das Thema "Steuern optimieren", und zwar zugeschnitten auf Ihre persönlichen Verhältnisse.

Wie sieht die Erwartungshaltung bestehender und potenzieller Mandanten aus? Welcher Service wird als nützlich empfunden und besonders wahrgenommen? Das eigene Empfinden, was das Leben erleichtert und angenehmer macht, kann hier der Maßstab sein, um eigene Serviceleistungen zu kreieren.

Um Wettbewerbern immer eine Nasenlänge voraus zu sein, sollte auch das Servicepotenzial solcher Themenbereiche ausgelotet werden, die nichts mit der unmittelbaren Leistungserbringung zu tun haben, aber ein offenes oder verstecktes Bedürfnis des Mandanten befriedigen, etwa das Bedürfnis nach Anerkennung und Zuwendung. Das können ganz banale Dinge sein wie eine ausreichende Anzahl an Parkplätzen, ein barrierefreier Zugang zu den Kanzleiräumen, eine Auswahl guter Tee- oder Kaffeespezialitäten, eine Spielecke für Kinder oder Kickerturniere mit Mandanten während einer Fußball-Großveranstaltung.

Tipp: Beziehungspflege in der Leistungserfassung

Führen Sie in der Leistungserfassung und Analyse die Tätigkeit "Beziehungspflege" ein. Hier werden alle Zeiten mit den Mandanten notiert, die nicht unmittelbar einem Auftrag zugeordnet werden können – etwa das Gespräch über die Kinder oder die Viertelstunde Telefonat über die pflegebedürftige Mutter. Diese Zeiten können selbstverständlich nicht berechnet werden, aber sie zeigen, dass etwas für die Mandatsbindung getan wird. Zwei Erkenntnisse sind daraus besonders interessant: 

  1. Mandanten oder auch Mitarbeiter, die besonders leutselig sind, können so aufgespürt werden. Mit Rhetoriktraining kann dann gezielt Hilfestellung geben werden, wie diese Gespräche auf ein vernünftiges Maß eingegrenzt werden können.
  2. Mandanten, bei denen keine Beziehungszeiten erfasst wurden, können als gefährdet erkannt werden. Wenn sich niemand um diese Mandanten persönlich kümmert, wird es über kurz oder lang eine andere Kanzlei tun.

Generalist: Langfristiger Mandatsbegleiter

Die Hausarztfunktion des Generalisten ist seine große Stärke. Durch die langjährige Beziehung kennt die Kanzlei die Entwicklung, hat Höhen und Tiefen mit dem Mandanten durchlebt und genießt dadurch hohes Vertrauen. Die durchschnittliche Mandatszugehörigkeit in Jahren ist ein guter Indikator, um sich seines Potenzials bewusst zu werden. Diese Kennzahl ist auf Unternehmermandate und auf Einkommensteuermandate getrennt anzuwenden, um aussagekräftig zu sein. In der Regel wird der Wert bei den Unternehmermandaten höher sein.

Je länger Mandant und Berater zusammen arbeiten, desto bekannter sind die individuellen Bedürfnisse. Für die Betreuung können einzelne Beratungsbausteine nach Unternehmens- und Lebensphasen gegliedert angeboten und bereits zu Beginn des Mandats aufgezeigt werden, wie sich die Mandatsbeziehung weiter entwickelt. Unter der Marke "Beratung mit Perspektive" könnte daraus eine Besonderheit aufgezeigt werden, die andere Kanzleien zwar intuitiv anbieten, aber nicht nach außen kommunizieren. Hier lohnt es sich, zusätzlich zum unternehmerischen Blickwinkel auch die persönlichen Veränderungen abzubilden und zu benennen, z. B. so:

Phase

Kennzeichen, Ausprägung

Sturm und Drang

Existenzgründung, Expansion, Start in das Berufsleben, Firmenübernahme, Familiengründung, Vermögensaufbau

Wachsen und Etablieren

Unternehmenswachstum, Planung, Mitarbeiterführung, Delegation, Outsourcing, Partnerschaft und Kinder, Hausbau, Soziales Engagement, Werte schaffen, Nachhaltigkeit, unternehmerische Partnerschaft, Zukauf, Kooperationen

Veränderungen und Krisen

Notfallplanung, Absicherung, Szenario-Technik, Abbau, Trennung, finanzielle Schieflage, Verlust, Neuorientierung, neue Partnerschaft, Patchwork-Familie, Testament

Ernten und Genießen

Unternehmensnachfolge, Verkauf, Ruhestand, Lebensträume verwirklichen, Neuorientierung, kürzer treten, Gesund altern, Erfahrung teilen

Unter diesem Gesichtspunkt lohnt es sich bereits heute, eine Mandantenanalyse nach Altersstruktur und Mandatszugehörigkeit zu erstellen:

  • Neumandant: 0 bis 3 Jahre,
  • Gefestigtes Mandat: 4 bis 7 Jahre,
  • Treuer Mandant: über 7 Jahre,
  • Kanzleibegleiter: Mandanten, die seit Kanzleigründung (innerhalb der ersten 3 Jahre) dabei sind.

In dieser Analyse werden die Mandanten nach diesem Schema kategorisiert und dann das jeweilige Alter und die Lebensphase zugeordnet. So lässt sich ein gutes Bild über die Mandatsentwicklung zeichnen. Ein individuelles Danke-Schön für die langjährigen Mandanten ist dabei ein wertvolles "Abfallprodukt", um diesen Mandanten besondere Wertschätzung entgegen zu bringen.

Tipp: Beraternachwuchs in der eigenen Kanzlei

Wenn die Mandanten mit dem Berater altern, ergibt sich früher oder später ein natürliches Ende des Mandats. Neue Mandanten, die jünger sind, fühlen sich eventuell nicht angesprochen, wenn der Altersunterschied zum Kanzleiinhaber zu groß ist. Bei Unternehmensnachfolge sucht der Junior in der Regel bewusst auch einen neuen Berater, um sich vom Senior abzunabeln. Der Beraternachwuchs in der eigenen Kanzlei ist deshalb eine wichtige Überlegung, um die Kanzlei generationenübergreifend zu positionieren.

Generalisten: Regionaler Bezug

Die Generalisten–Kanzlei hat gerade im regionalen Umfeld große Bedeutung. Aber auch innerstädtisch punktet die Nachbarschaftskanzlei durch die persönliche Nähe und direkte Ansprechbarkeit. In Zeiten zunehmender Globalisierung und Krise suchen Menschen Nähe und Vertrautheit, die über den regionalen Aspekt hergestellt werden kann.

Je nach Region kann der Heimatbezug mehr oder weniger stark herausgestellt werden. Kleidung, Dialekt, Historie oder Vereinsengagement sind dabei Merkmale, die genutzt und in der Außendarstellung hervorgehoben werden können.

Die regionale Vernetzung mit den Multiplikatoren und das Wissen um standortpolitische Besonderheiten bietet dabei Zusatznutzen für den Mandanten. Eine geografische Standortanalyse hilft Kanzleien dabei, sich attraktiv zu machen. Eine erste Momentaufnahme dazu ist relativ einfach erstellt über eine ein- bis zweistündige Webrecherche. Jede Stadt bzw. Region zeigt auf ihren Websites im Bereich Wirtschaft die Standortdaten mit Besonderheiten, Gremien und Ausschüssen. Von hier aus kann weiter recherchiert werden und Förderprojekte, Zukunftsthemen oder Branchenschwerpunkte ermittelt werden. Daraus können dann wiederum spezifische Kanzleimerkmale und Botschaften abgeleitet werden, um zu zeigen, dass man ein wertvoller regionaler Ansprechpartner ist.

Generalisten: Schaltstelle für besondere Wirtschaftsfragen

Damit die bisher genannten Bereiche von Generalisten sinnvoll auf- und ausgebaut werden können, ist ein Netzwerk von Spezialisten der zentrale Dreh- und Angelpunkt, um den Beratungsbedarf umfassend abzudecken. Die gut vernetzte Kanzlei profitiert in mehrerer Hinsicht davon:

  • Sie konzentriert sich auf das eigene Kerngeschäft und kann gleichzeitig das volle Beratungsportfolio von großen Kanzleien zeigen.
  • Die Kanzlei wird aktiv konsultiert, wenn ein passender Berater für weiterführende Fragen gesucht wird.
  • Ein solches Netzwerk kann hervorragende Synergieeffekte erzielen, wenn es sich auch nach außen präsentiert und Öffentlichkeitsarbeit gemeinsam wahrnimmt - z. B. durch informative Kundenzeitungen, gemeinsame Veranstaltungen und die Verlinkung der Websites untereinander.

Ein solches Netzwerk entwickelt nach einiger Zeit eine Sogwirkung, die umso stärker wird, je besser die einzelnen Berater innerhalb dieses Netzwerks positioniert sind und somit insgesamt einen starken Verbund zeigen.

Kapitel 3: Der Spezialberater als Themen - oder Zielgruppenexperte