§ 35c EStG: Zeitlicher Anwendungsbereich und Verfahren

Die Steuerermäßigung nach § 35c EStG ist befristet. Die energetischen Sanierungsmaßnahmen werden ab 2020 für einen Zeitraum von 10 Jahren gefördert. Sie gilt erstmals für Maßnahmen, mit deren Durchführung nach dem 31.12.2019 begonnen und die vor dem 1.1.2030 abgeschlossen werden (§ 52 Abs. 35 a Satz 1 2. Halbsatz EStG).

Die energetische (Einzel-)Maßnahme ist dann abgeschlossen, wenn die Leistung tatsächlich erbracht (vollständig durchgeführt) ist, die steuerpflichtige Person eine Rechnung (Schlussrechnung) erhalten und den Rechnungsbetrag auf das Konto des Leistungserbringers eingezahlt hat. Die Erledigung unwesentlicher Restarbeiten, die für die tatsächliche Reduzierung von Emissionen nicht hinderlich sind, ist unschädlich.

Auch soweit bei einer mehrteiligen Maßnahme für einzelne Teilleistungen Teilrechnungen erstellt und diese von der steuerpflichtigen Person beglichen wurden, wird die Steuerermäßigung abweichend vom Abflussprinzip gem. § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG erst ab dem VZ des Abschlusses der energetischen Maßnahme gewährt.

Vor dem Hintergrund des geltenden 3-jährigen-Förderzeitraums ist nach der derzeitigen Rechtslage § 35c EStG letztmals für den Veranlagungszeitraum 2032 anwendbar.

Hinweis: Beginn der Baumaßnahme

Als Zeitpunkt des Beginns der Maßnahme gilt

  • für Maßnahmen, für die eine Baugenehmigung erforderlich ist, der Zeitpunkt, zu dem der Bauantrag gestellt worden ist;
  • für nicht genehmigungspflichtige Maßnahmen, die nach Maßgabe des Bauordnungsrechts der zuständigen Behörde zur Kenntnis zu geben sind, der Zeitpunkt des Eingangs der Anzeige bei dieser Behörde;
  • für nicht genehmigungs- oder anzeigepflichtige Maßnahmen der Zeitpunkt des Beginns der Bauausführungen.

Bescheinigungsverfahren

Die Steuerermäßigung für energetische Maßnahmen bei zu eigenen Wohnzwecken genutzten Gebäuden kann nur in Anspruch genommen werden, wenn durch eine nach amtlichem Muster (BMF, Schreiben v. 15.10.2021) erstellte Bescheinigung des ausführenden Fachunternehmens (Muster I) nachgewiesen wird, dass die Voraussetzungen des § 35c Abs. 1 Sätze 1 bis 3 EStG sowie die Anforderungen nach der Verordnung zur Bestimmung von Mindestanforderungen für energetische Maßnahmen bei zu eigenen Wohnzwecken genutzten Gebäuden nach § 35c EStG (Energetische Sanierungsmaßnahmen-Verordnung – ESanMV) erfüllt sind.

Nach § 2 Abs. 2 ESanMV sind auch Personen mit Ausstellungsberechtigung nach § 88 Gebäudeenergiegesetz (GEG) zur Erstellung entsprechender Bescheinigungen berechtigt (hierfür ist Muster II vorgesehen). Welche Personen hierzu zählen, hat die Finanzverwaltung geregelt (BMF, Schreiben v. 15.10.2021).

Hinweis: Änderung der Energetische Sanierungsmaßnahmen-Verordnung

Mit der Verordnung zur Änderung der Energetische Sanierungsmaßnahmen-Verordnung v. 14.6.2021, wurde die ESanMV an die neue Bundesförderung für effiziente Gebäude angepasst. Zudem wurde der Begriff des Fachunternehmens auf weitere Gewerke und Unternehmen der Fenstermontage ausgedehnt.

Für die Bescheinigung nach § 35c Abs. 1 Satz 7 EStG sind vorgeschriebene Muster zu verwenden (BMF, Schreiben v. 31.3.2022) Auf der Grundlage des Musters erstellt das ausführende Fachunternehmen oder die Person mit Ausstellungsberechtigung nach § 88 GEG eine eigene Bescheinigung mit seinem bzw. ihrem eigenen Layout. Vom Inhalt, Aufbau und von der Reihenfolge der Angaben darf nicht abgewichen werden. Eine individuelle Gestaltung der Felder für die Bezeichnung des ausführenden Fachunternehmens und des Bauherrn sowie eine Ergänzung der Bescheinigungen um ein zusätzliches Adressfeld sind zulässig. Die Ausstellung der Bescheinigung erfolgt für den bzw. die Eigentümer des Wohngebäudes/der Wohnung. In Fällen des Miteigentums an einem Wohngebäude/einer Wohnung bedarf es der Angabe der Miteigentumsanteile.

Die Kosten der jeweiligen energetischen Maßnahme sind grundsätzlich einzeln in der Bescheinigung auszuweisen. Ein gesonderter Ausweis wird nicht benötigt, wenn die der Bescheinigung beigefügte Rechnung selbst entsprechend gegliedert ist und die Kosten der jeweiligen Maßnahme zugeordnet werden können.

Als Kosten für die energetische Maßnahme können die Aufwendungen für den Einbau bzw. die Installation, für die Inbetriebnahme von Anlagen, für notwendige Umfeldmaßnahmen und die direkt mit der Maßnahme verbundenen Materialkosten ausgewiesen werden. Zudem ist ein Ausweis der Kosten möglich, die dem Steuerpflichtigen dadurch entstanden sind, dass ein Energieberater mit der planerischen Begleitung oder Beaufsichtigung der energetischen Maßnahme beauftragt wurde, wenn das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) den Energieberater als fachlich qualifiziert zum Förderprogramm "Energieberatung für Wohngebäude" zugelassen hat.

Dem gleichgestellt ist die Beauftragung eines Energie-Effizienz-Experten der Energie-Effizienz-Experten-Liste für Förderprogramme des Bundes. Nicht berücksichtigungsfähig sind die Aufwendungen für Personen ausschließlich mit Ausstellungsberechtigung nach § 21 der Energieeinsparverordnung (EnEV).

Wichtig: Fachunternehmen i. S. v. § 35c Abs. 1 Satz 6 EStG

Fachunternehmen gem. § 35c Abs. 1 Satz 6 EStG ist jedes Unternehmen, das in den nachfolgend aufgeführten Gewerken tätig ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 ESanMV):

  • Mauer- und Betonbau,
  • Stuckateur,
  • Maler und Lackierer,
  • Zimmerer, Tischler und Schreiner,
  • Wärme-, Kälte- und Schallisolierung,
  • Steinmetz und Steinbildhau,
  • Dachdecker,
  • Brunnenbau,
  • Sanitär und Klempner,
  • Glaser,
  • Heizungsbau und -installation,
  • Kälteanlagenbau,
  • Elektrotechnik- und -installation,
  • Metallbau.

Als Fachunternehmen gelten auch Unternehmen, die sich auf die Fenstermontage spezialisiert haben und in diesem Bereich gewerblich tätig sind (§ 2 Abs. 1 Satz 2 ESanMV).

Bei der ausgeführten energetischen Maßnahme muss es sich zudem um eine Maßnahme handeln, die dem Gewerk des Fachunternehmens zugehörig ist (§ 2 Abs. 1 Satz 3 ESanMV).

Werden energetische Maßnahmen an einem aus mehreren selbstgenutzten Eigentumswohnungen bestehenden Gebäude durchgeführt, ist grundsätzlich für jede einzelne Eigentumswohnung eine Bescheinigung auszustellen. Es wird nicht beanstandet, dass das ausführende Fachunternehmen aus Vereinfachungsgründen eine Gesamtbescheinigung ausstellt, wenn es sich entweder um das Gesamtgebäude betreffende Sanierungsaufwendungen handelt oder die auf das Sondereigentum einzelner Wohnungen entfallenden Aufwendungen den einzelnen Wohnungen klar und eindeutig zugeordnet werden können.

Hat die Wohnungseigentümergemeinschaft zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben und Interessen einen Verwalter bestellt, ist dieser als Auftraggeber zu adressieren. Es reicht in diesen Fällen aus, wenn der Verwalter die anteiligen auf das Miteigentum entfallenden Aufwendungen nach dem Verhältnis des Miteigentumsanteils aufteilt und dem einzelnen Wohnungseigentümer mitteilt. Dazu erstellt der Verwalter eine der Anzahl der Berechtigten entsprechende Anzahl von Abschriften der Bescheinigung des Fachunternehmens, auf welcher er die Höhe der anteilig auf den jeweiligen Berechtigten entfallenden Aufwendungen am Gesamtgebäude für den jeweiligen Berechtigten vermerkt und die auf das Sondereigentum einzelner Wohnungen entfallenden Aufwendungen den konkreten Wohnungseigentümern zuweist (BMF, Schreiben v. 31.3.2022).

Formelle Voraussetzungen

Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Steuermäßigung für energetische Maßnahmen ist, dass

  • der Steuerpflichtige für die Aufwendungen eine Rechnung erhalten hat, die die förderungsfähigen energetischen Maßnahmen, die Arbeitsleistung des Fachunternehmens und die Adresse des begünstigten Objekts ausweisen, und die in deutscher Sprache ausgefertigt ist. Einer Rechnung in deutscher Sprache gleichzustellen ist eine Rechnung in ausländischer Sprache, die von einem vereidigten Übersetzer übersetzt worden ist. Die Kosten für die Übersetzung sind nicht förderfähig.
  • die Zahlung auf das Konto des Erbringers der Leistung erfolgt ist (§ 35c Abs. 4 EStG).

Die Inanspruchnahme der Steuerermäßigung durch die steuerpflichtige Person ist auch möglich, wenn die Aufwendungen für die energetischen Maßnahmen, für die die steuerpflichtige Person eine Rechnung erhalten hat, von dem Konto einer dritten Person bezahlt worden sind (BMF, Schreiben v. 14.1.2021).

Die Zahlung auf das Konto des Leistungserbringers (Fachunternehmens) ist durch einen Beleg des Kreditinstituts nachzuweisen. Dies dient der Bekämpfung der Schwarzarbeit und fördert legale Beschäftigungen im Baugewerbe (BT-Drucks. 19/14338 S. 22).

Förderausschluss

Der Steuerpflichtige kann die Steuerermäßigung nach § 35c Abs. 1 EStG nicht in Anspruch nehmen, soweit die Aufwendungen als Betriebsausgaben, Werbungskosten, Sonderausgaben oder außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt worden sind (§ 35c Abs. 3 Satz 1 EStG).

Die Steuerermäßigung ist ebenfalls nicht zu gewähren, wenn für die energetischen Maßnahmen die Steuerbegünstigung für Modernisierungsaufwendungen in Sanierungsgebieten oder für Baudenkmale nach § 10f EStG oder eine Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen oder haushaltsnahe Dienstleistungen nach § 35a EStG in Anspruch genommen wird (§ 35c Abs. 3 Satz 2 EStG).

Entsprechendes gilt, wenn der Steuerpflichtige zinsverbilligte Darlehen oder steuerfreie Zuschüsse nach anderen Förderprogrammen (z. B. KfW-Förderung) für die Einzelmaßnahmen am Wohngebäude erhält.

Der Ausschluss der Förderung nach § 35c EStG betrifft den gesamten Begünstigungszeitraum. D. h., liegen für die energetische Maßnahme sowohl die Voraussetzungen nach § 10f EStG, § 35a EStG, § 35c EStG als auch für die direkte Förderung (Darlehen/Zuschüsse) vor, ist die steuerpflichtige Person für die jeweilige energetische Maßnahme an die einmal getroffene Entscheidung für den gesamten Förderzeitraum gebunden. Ein Wechsel zwischen den Fördertatbeständen ist nicht möglich.

Die steuerpflichtige Person kann z. B. nicht für den Austausch von Fenstern in einem zu eigenen Wohnzwecken genutzten denkmalgeschützten Einfamilienhaus für den VZ 2021 den Abzug der Aufwendungen unter Vorlage der Bescheinigung der Denkmalschutzbehörde nach § 10f EStG und für den VZ 2022 die Steuerermäßigung nach § 35c EStG unter Vorlage der Bescheinigung des Fachunternehmens beanspruchen. Gleiches gilt entsprechend, wenn im VZ 2021 zunächst die Steuerermäßigung gem. § 35c EStG gewährt wird und im folgenden VZ 2022 anstelle der Steuerermäßigung gem. § 35c EStG die Steuerbegünstigung für zu eigenen Wohnwecken genutzte Baudenkmale und Gebäude in Sanierungsgebieten und städtebaulichen Entwicklungsbereichen gem. § 10f EStG für dieselbe Maßnahme beantragt wird.

Die Gewährung der Steuerermäßigung nach § 35c EStG ist nicht ausgeschlossen, wenn für das Objekt gleichzeitig Baukindergeld gezahlt wird (BMF, Schreiben v. 14.1.2021).

Praxis-Beispiel: Gemischt genutztes Gebäude

Die Eheleute B sind Eigentümer eines Gebäudes mit 2 Vollgeschossen in Saarbrücken. Im 80 qm großen Erdgeschoss befindet sich ein Ladengeschäft, das sie selbst betreiben. Im ebenfalls 80 qm großen Obergeschoss befindet sich die von den Eheleuten B ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken genutzte Wohnung. Das Ladengeschäft im Erdgeschoss und die zu Wohnzwecken selbstgenutzte Wohnung im Obergeschoss sind jeweils selbstständige unbewegliche Wirtschaftsgüter, da sie nicht in einem einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang stehen (§ 35c Abs. 5 EStG).

Im Jahr 2022 lassen die Eheleute die Heizungsanlage energetisch sanieren. Die Kosten hierfür betragen 20.000 EUR. Jeweils die Hälfte der Sanierungskosten entfallen auf das Erd- bzw. Obergeschoss (als Aufteilungsmaßstab sind jeweils die Flächenverhältnisse heranzuziehen).

Da die anteiligen auf das Ladengeschäft im Erdgeschoss entfallenden Sanierungskosten als Betriebsausgaben bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb der Eheleute zu berücksichtigen sind, ist hierfür keine Förderung nach § 35c EStG möglich. Die hälftigen auf die selbstgenutzte Wohnung im Obergeschoss entfallenden Sanierungskosten sind dagegen grundsätzlich unter den weiteren Voraussetzungen des § 35c EStG steuerlich begünstigt.

Teil 3- Höhe der Steuerermäßigung

Schlagworte zum Thema:  Gebäude, Heizung, Steuerermäßigung