BRAO-Reform: Rechtsformwahl

Wollen sich (Patent-)Anwälte und Steuerberater zur Zusammenarbeit in einer Gesellschaft zusammenschließen, gab es lange Zeit bereits bei der Rechtsformwahl Einschränkungen.

Gerade für die Zusammenarbeit von Rechts- bzw. Patentanwälten gab es außer dem Zusammenschluss als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) über viele Jahrzehnte kaum Möglichkeiten. Erst seit den 1990er Jahren wurde ihnen die Möglichkeit zur gemeinsamen Organisation in Partnerschaftsgesellschaften mit oder ohne beschränkter Berufshaftung (PartG bzw. PartG mbB), Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) und – ohne dass es hierfür jedoch eine gesetzliche Regelung gibt – in Aktiengesellschaften (AG) möglich. In sonstigen Formen der Personengesellschaft (z. B. der Kommanditgesellschaft) konnten sich jedenfalls Rechts- und Patentanwälte nicht rechtssicher zusammenschließen; Steuerberater hatten insofern etwas mehr Gestaltungsmöglichkeiten.

Neben den Vorgaben zu den möglichen Rechtsformen einer Berufsausübungsgesellschaft gab es diverse berufsrechtliche Vorgaben (z. B. zur Zusammensetzung des Gesellschafter- und Geschäftsführerkreises und der Stimmrechtsverteilung). In der Praxis wurde die Umsetzung umso schwieriger, weil bei einigen Regelungen bereits ihre Verfassungswidrigkeit festgestellt wurde.
Der Reformbedarf war vor diesem Hintergrund erheblich. Entsprechend umfangreich sind die Neuregelungen im Gesellschaftsrecht der (Patent-)Anwälte und Steuerberater, die von der Rechtsformwahl über die innere Ausgestaltung der Gesellschaften und Möglichkeit zur interprofessionellen Zusammenarbeit bis hin zu Registrierungs- und Zulassungspflichten reichen.

Gesellschaftsrechtliche Organisationsfreiheit und Rechtsformwahl

Rechtsanwälten, Patentanwälten und Steuerberatern ist ab 1.8.2022 die Möglichkeit eröffnet , sich in nahezu jeder Gesellschaftsform zusammenschließen zu können (§ 59b Abs. 2 BRAO, § 52b Abs. 2 PAO, § 49 Abs. 2 StBerG). Ihre gesellschaftsrechtlichen Organisationsmöglichkeiten werden dadurch erheblich ausgeweitet.
Rechtsanwälte, Patentanwälte und Steuerberater können sich in jeder Gesellschaftsform nach deutschem Recht zusammenschließen. Das ermöglicht insbesondere die (für Anwälte bislang nicht mögliche) Gründung einer Offenen Handelsgesellschaft (OHG) oder Kommanditgesellschaft (auch in Form einer GmbH & Co. KG).
Vor dem Hintergrund der Niederlassungsfreiheit ist außerdem die Wahl europäischer Gesellschaftsformen möglich, z. B. der Zusammenschluss als Europäische Gesellschaft/Societas Europaea (kurz: SE) und der Zusammenschluss in anderen Gesellschaftsformen nach dem Recht eines Mitgliedstaats der EU oder eines Vertragsstaats des EWR.

Hinweis:
Unabhängig von der Rechtsform werden die Gesellschaften in den berufsrechtlichen Einzelgesetzen zukünftig als Berufsausübungsgesellschaft bezeichnet.

Gesellschafterkreis und interprofessionelle Zusammenarbeit

Nachdem das Bundesverfassungsgericht ( BVerfG, Beschluss v. 12.1.2016, 1 BvL 6/13.) die bislang geltenden Vorschriften der BRAO unter anderem deswegen kritisiert hat, weil sie die Möglichkeit zur interprofessionellen Zusammenarbeit unzulässig einschränken,sind zukünftig interprofessionelle Zusammenschlüsse mit anderen freien Berufen ebenso möglich wie mehrstöckige Berufsausübungsgesellschaften.

Vorgaben zum potenziellen Gesellschafterkreis

Eine interprofessionelle Zusammenarbeit ist weiterhin zwischen Angehörigen der sog. sozietätsfähigen Berufe (Rechts- und Patentanwälte, Steuerberater und –bevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfern) zulässig. In Zukunft können sie sich außerdem mit Angehörigen anderer freier Berufe (z. B. Ärzte, Ingenieure, Architekten) zusammenschließen (§ 59c Abs. 1 BRAO, § 52c Abs. 1 PAO, § 50 Abs. 1 StBerG). Unternehmensgegenstand derartiger Berufsausübungsgesellschaften kann dementsprechend neben der Erbringung von (patent-)rechts- oder steuerberatenden Leistungen die Erbringung sonstiger Dienstleistungen freier Berufe sein (§ 59c Abs. 2 BRAO, § 52c Abs. 2 PAO, § 50 Abs. 2 StBerG). 

Interprofessionelle Zusammenarbeit

Mit Blick auf eine Spezialisierung kann diese Möglichkeit für die Zusammenarbeit von Ärzten und Anwälten für Medizinrecht oder von Ingenieuren oder Architekten mit Anwälten für Bau- und Architektenrecht interessant sein.

Eine Erweiterung der Kooperationsmöglichkeiten mit anderen, nicht freien Berufen wird es weiterhin nicht geben. Zu groß wäre das Risiko, dass kaufmännische Aspekte in den Vordergrund rücken und dadurch der das Berufsbild prägenden Aspekt der unabhängigen, persönlichen Dienstleistungserbringung verloren geht. In einer Bürogemeinschaft könnten sich Anwälte und Steuerberater jedoch auch mit solchen, anderen Berufen gemeinschaftlich organisieren (dazu unten).
Ausdrückliche Voraussetzung ist stets, dass durch den Zusammenschluss die Stellung der beteiligten (Patent-)Anwälte oder Steuerberater als unabhängiges Organ der (Steuer-)Rechtspflege nicht gefährdet wird. So dürfen beispielsweise keine Personen zum Kreis der Mitgesellschafter gehören, denen – wären sie Rechtsanwälte – nach § 7 BRAO die Zulassung zu verweigern wäre (z. B. wegen bestimmter Vorstrafen).

Einschränkungen interprofessioneller Zusammenarbeit im Gesellschaftsvertrag

Unabhängig von den berufsrechtlichen Vorgaben steht es den Gesellschaftern einer Berufsausübungsgesellschaft selbstverständlich frei, im Rahmen ihrer Satzungsautonomie weitere Vorgaben zum Gesellschafterkreis zu machen. Der Gesellschaftsvertrag kann beispielsweise vorsehen, welche Personen Gesellschafter werden sollen (z. B. nur Rechtsanwälte oder nur Steuerberater) oder einzelne Berufsgruppen aus dem Gesellschafterkreis herausnehmen.
Besonderheiten gibt es bei Anwaltsnotaren zu beachten, die wegen ihrer notariellen Tätigkeit nochmals anderen Berufs- und vor allem Neutralitätspflichten unterliegen. Ihnen sind Kooperationen weiterhin nur mit anderen sozietätsfähigen Berufen erlaubt (§ 9 Abs. 2 BNotO).

Mehrstöckige Berufsausübungsgesellschaften

Schon bisher konnten sich Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften an anderen Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften beteiligen, sich Rechts- oder Patentanwaltsgesellschaften als GbR zusammenschließen und sich GbRs an Rechts- oder Patentanwaltsgesellschaften beteiligen.

Die Beteiligung von Rechts- oder Patentanwaltsgesellschaften an anderen Rechts- oder Patentanwaltsgesellschaften war nicht vorgesehen, was allerdings mit Blick auf die Frage der Verfassungsmäßigkeit zur Entscheidung beim Bundesverfassungsgericht anhängig ist ( AGH Stuttgart, AGH 18/15; BGH, AnwZ (Brfg) 33/16 bzw. BVerfG, 1 BvR 1072/17).

Nun gibt es auch insofern mehr Flexibilität: Zugelassene bzw. anerkannte Berufsausübungsgesellschaften können als Gesellschafter an anderen Berufsausübungsgesellschaften beteiligt sein, wenn mindestens ein anderer direkter Gesellschafter Rechts- bzw. Patentanwalt oder Steuerberater ist (§ 59i Abs. 1 BRAO, § 52i Abs. 1 PAO, § 55a Abs. 1 StBerG). Dies gilt nicht für Partnerschaftsgesellschaften: Dort können weiterhin nur natürliche Personen Gesellschafter sein (§ 1 Abs. 3 S. 3 PartGG). Die Zulassung mehrstöckiger Berufsausübungsgesellschaften geht mit Folgeänderungen einher: Kommt es beispielsweise auf persönliche Eigenschaften der Gesellschafter oder Geschäftsführer an, ist dies anhand der Verhältnisse in der übergeordneten Berufsausübungsgesellschaft zu ermitteln.

Ein-Personen-Berufsausübungsgesellschaft

Klargestellt wurde, dass Berufsausübungsgesellschaften auch als Ein-Personen-Gesellschaften zulässig sind, wenn das anwendbare Gesellschaftsrecht dies zulässt (§ 59b Abs. 1 S. 2 BRAO, § 52b Abs. 1 S. 2 PAO, § 49 Abs. 1 S. 2 StBerG). Berufsausübungsgesellschaften in der Form einer Kapitalgesellschaft können daher auch nur einen Gesellschafter haben, der dann natürlich Rechts- bzw. Patentanwalt oder Steuerberater sein muss. Personengesellschaften bedürfen nach wie vor mehrerer Gesellschafter.

Erfordernis der aktiven Mitarbeit

Unverändert ist die Vorgabe, dass jeder Gesellschafter einer Berufsausübungsgesellschaft seinen Beruf aktiv ausüben muss ("zur gemeinschaftlichen Ausübung des Berufs"). Das schließt selbstverständlich keine Teilzeitbeschäftigungen, jedoch rein kapitalmäßige Beteiligungen an Berufsausübungsgesellschaften aus. Für mehrstöckige Berufsausübungsgesellschaften gilt diese Vorgabe über die Ebenen hinweg, d. h. es müssen die Gesellschafter der als Gesellschafterin beteiligten Berufsausübungsgesellschaften aktiv in ihrem Beruf tätig sein.

Ausweitung der Berufspflichten

Bislang knüpfen die Berufspflichten weitgehend an die Berufsträger persönlich an. Für Rechtsanwalts- und Steuerberatergesellschaften in Form einer Kapitalgesellschaft galten die Berufspflichten ebenfalls, allerdings ohne die Möglichkeit zur berufsrechtlichen Durchsetzung. Dies wurde geändert: Der Verpflichtetenkreis wird auf die Berufsausübungsgesellschaft, deren Gesellschafter, Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane ausgedehnt und die Pflichten sollen besser durchgesetzt werden können.

Geltung der Berufspflichten für Berufsausübungsgesellschaften

Alle Berufsausübungsgesellschaften unterliegen nun (unabhängig von ihrer Zulassung) den berufsrechtlichen Pflichten, d. h. insbesondere der Unabhängigkeits- und Verschwiegenheitspflicht sowie der Pflicht zur Vermeidung von Interessenskollisionen. Sie müssen diese Pflichten gegenüber ihren Gesellschaftern unabhängig von deren Beruf durchsetzen und sicherstellen (§ 59e BRAO, § 52e PAO, § 52 StBerG). Im Gesellschaftsvertrag ist entsprechende Vorsorge (z. B. in Form von Ausschließungsmöglichkeiten gegen pflichtwidrig handelnde Gesellschafter) zu treffen. Daneben kann die Bestellung eines Compliance-Officers sinnvoll sein; sie ist jedoch nicht zwingend.

Sanktionsmöglichkeiten gegenüber den Berufsausübungsgesellschaften

Berufspflichtverletzungen durch zugelassene Berufsausübungsgesellschaften (die selbst Mitglieder der Rechtsanwalts-, Patentanwalts- und Steuerberatungskammern sind) können unter bestimmten Voraussetzungen durch die Kammern oder im berufsgerichtlichen Verfahren sanktioniert werden (§§ 74, 113 Absatz 3 BRAO-; § 95 PAO, § 89 StBerG). Sanktionen werden gegen die zugelassene Berufsausübungsgesellschaft selbst verhängt. Dies betrifft dann mittelbar auch die Gesellschafter, die keine Berufsträger (also Anwälte oder Steuerberater) sind und für die die Berufspflichten daher nicht unmittelbar gelten. Gegen nicht zugelassene Berufsausübungsgesellschaften können solche Verfahren nicht eingeleitet werden; bei ihnen sind aber ohnehin alle Gesellschafter Berufsträger, die persönlich für die Einhaltung der Berufspflichten einstehen müssen.

Die eigene Verpflichtung der Berufsausübungsgesellschaft zur Einhaltung der Berufspflichten tritt neben die Pflichten der Gesellschafter, Geschäftsführer und Aufsichtsorgane. Diese werden von ihren eigenen berufsrechtlichen Pflichten nicht durch die Verantwortlichkeit der Berufsausübungsgesellschaft befreit.

Geltung der Berufspflichten für Gesellschafter

Gesellschafter, die selbst Rechtsanwälte, Patentanwälte oder Steuerberater sind, obliegen unmittelbar und persönlich den berufsrechtlichen Verpflichtungen. Damit die Berufspflichten auch bei interprofessionellen Zusammenschlüssen gewahrt bleiben, sind daneben außerdem alle nicht-rechtsanwaltlichen Gesellschafter (bzw. in der PAO und dem StBerG nicht-patentanwaltliche und nicht-steuerberatende Gesellschafter) zur Beachtung der Berufspflichten verpflichtet (§ 59d BRAO, § 52d PAO, § 51 StBerG). Fachfremde Gesellschafter werden dadurch zwar nicht selbst zu Adressaten der Berufspflichten, sie dürfen aber den Berufsträgern die Einhaltung der berufsrechtlichen Pflichten nicht erschweren oder unmöglich machen. Weiterhin gelten auch für Nicht-Berufsträger Verschwiegenheitspflichten; Verstöße können nach § 203 StGB strafrechtlich verfolgt werden.
Für die fachfremden Gesellschafter gelten zudem Tätigkeitsverbote, wenn ihre Anwalts- bzw. Steuerberaterkollegen mit einer Angelegenheit anwaltlich bzw. steuerberatend vorbefasst waren (§§ 59d Abs. 3, 43a BRAO, §§ 52d Abs. 3, 39a PAO, §§ 51, 57a StBerG). So wären insbesondere gutachterliche oder beratende Folgetätigkeiten von Nicht-Anwälten bzw. Nicht-Steuerberatern untersagt, die im Widerspruch zur vorangegangenen Tätigkeit durch einen Kollegen liegen. Insofern gilt nichts anderes als für die Vorbefassung des Anwalts bzw. Steuerberaters selbst und die Erstreckung etwaiger Tätigkeitsverbote auf die Sozietät (dazu unten). Verstöße gegen dieses Verbot können zwar keine berufsrechtlichen Sanktionen gegen die pflichtwidrig handelnden Gesellschafter nach sich ziehen. Der mit ihnen abgeschlossene Vertrag wäre jedoch nach § 134 BGB nichtig, sodass insbesondere ihr Vergütungsanspruch entfällt.
Um eine wirksame Durchsetzung der erweiterten Berufspflichten zu ermöglichen, sind weitere Sicherungs- und Sanktionsmechanismen vorgesehen. Von vornherein dürfen sich Rechts- und Patentanwälte bzw. Steuerberater nur mit Personen zusammenschließen, wenn gewährleistet ist, dass aus dem beruflichen Zusammenschluss heraus keine Verletzungen ihrer Berufspflichten erfolgen (§ 59d Abs. 4 und Abs. 5 BRAO, § 52d Abs. 4 und Abs. 5 PAO, § 51 Abs. 4 und Abs. 5 StBerG). Dazu müssen sie sicherstellen, dass es nicht zu derartigen Verstößen kommt bzw. dass im Fall eines Verstoßes dieser abgestellt wird und sich nicht wiederholen kann. Im schlimmsten Fall muss es die Möglichkeit geben, die Zusammenarbeit zu beenden (z. B. durch einen Ausschluss des pflichtwidrig handelnden Gesellschafters). Ähnlich ist dies bereits in den Berufsordnungen (z. B. § 30 BORA) geregelt.

Geltung der Berufspflichten für Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane

Nach dem geplanten Verzicht auf das Mehrheitserfordernis für Anwälte bzw. Steuerberater bei den Geschäftsführungs- und Aufsichtsorganen von Berufsausübungsgesellschaften soll die Sicherung der anwaltlichen bzw. steuerberatenden Unabhängigkeit zukünftig – neben diversen anderen Neuregelungen zu den Personen der Geschäftsführer und Aufsichtsorgane und ihrer Tätigkeit (dazu unten) – dadurch erreicht werden, dass die Mitglieder des Geschäftsführungs- bzw. Aufsichtsorgans die Einhaltung der berufsrechtlichen Grundpflichten sicherstellen müssen (§ 59j Abs. 4 BRAO, § 52j Abs. 4 PAO, § 51 Abs. 4 StBerG). Außerdem sollen alle Geschäftsführer bzw. Aufsichtsorgane, die keine Gesellschafter sind, wie (anwaltliche und nicht anwaltliche) Gesellschafter an die berufsrechtlichen Grundpflichten gebunden sein. Die Einhaltung dieser Pflichten soll durch die Kammern überwacht werden, in denen die Mitglieder der Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane selbst Mitglied werden sollen (§ 59j Abs. 5 BRAO, § 52j Abs. 5 PAO, § 51 Abs. 4 StBerG).