Praxisfall Umsatzsteuer und Beteiligungen: Das Organ

In einer 3-teiligen Serie beleuchten wir einige umsatzsteuerrechtliche Fragestellungen, die sich im Zusammenhang mit Beteiligungen ergeben können. Im letzten Teil geht es um die Auswirkungen einer Anteilsveräußerung, insbesondere um die Frage, ob eine Geschäftsveräußerung im Ganzen anzunehmen ist.

Sachverhalt

Die A & B-oHG ist in Süddeutschland im Fensterbau (Produktion, Handel, Einbau) tätig. Um jederzeit preisgünstig an Kunststoff-Profile kommen zu können, hatte sich die A & B-oHG schon vor Jahren an der in Hamburg ansässigen Kunststoffe-GmbH mit 100 % beteiligt. Seit dieser Zeit ist die A & B-oHG größter Abnehmer der Kunststoff-Profile der GmbH. Der Gesellschafter A der A & B-oHG ist alleiniger Geschäftsführer der GmbH.

Aufgrund höherer Nachfrage im süddeutschen Raum nach FSC-zertifizierten Holzfenstern, beschließt die A & B-oHG, in Zukunft nur noch Holzfenster zu produzieren und anzubieten. Da die Beteiligung an der Kunststoffe-GmbH deshalb nicht mehr in die Unternehmensstrategie passt, beauftragt die A & B-oHG den selbstständigen Unternehmensvermittler V, einen Käufer für die Beteiligung an der Kunststoffe-GmbH zu suchen. V gelingt es, die in Norddeutschland tätige Fenster-AG für die Beteiligung an der Kunststoffe-GmbH zu begeistern. Zum 1.5.2013 erwirbt die Fenster-AG die 100 % der Anteile an der Kunststoffe-GmbH, nimmt ab diesem Zeitpunkt die Produkte der GmbH ab und beruft gleichzeitig den Vorstandsvorsitzenden der Fenster-AG als alleinigen Geschäftsführer der GmbH. Der Kaufpreis für die Anteile (3 Mio. EUR) wird fristgerecht an die A & B-oHG überwiesen.

Vermittler V berechnet der A & B-oHG für seine Vermittlungsleistung vereinbarungsgemäß 150.000 EUR zzgl. gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer.

Fragestellung

Die A & B-oHG ist unsicher, wie der Kaufpreis von 3 Mio. EUR aus dem Beteiligungsverkauf umsatzsteuerrechtlich zu behandeln ist. Darüber hinaus möchte die A & B-oHG wissen, ob sie zum Vorsteuerabzug aus der Rechnung des V berechtigt ist.

Lösung

Die A & B-oHG ist Unternehmer nach § 2 Abs. 1 UStG, da sie Leistungen selbstständig, nachhaltig und mit Einnahmeerzielungsabsicht ausführt. Der Rahmen des Unternehmens umfasst die Produktion, den Handel und den Einbau von Fenstern.

Die Beteiligung an der Kunststoffe-GmbH ist unselbstständiger Bestandteil des Unternehmens der A & B-oHG; die oHG ist Unternehmer und hat die GmbH finanziell (100 % Stimmanteil), organisatorisch (Gesellschafter A ist alleiniger Geschäftsführer der GmbH) und wirtschaftlich (Hauptabnehmer der GmbH ist die oHG) in ihr Unternehmen eingegliedert. Es liegt durch die Verflechtung auch ein hinreichend enger Zusammenhang mit der unternehmerischen Betätigung der A & B-oHG vor, sodass die Anteile Gegenstand des Unternehmens der oHG sind.

Praxis-Tipp: Liegen die Voraussetzungen für die Organschaft vor, besteht kein nationales Wahlrecht, ob die Rechtsfolgen der Organschaft angewendet werden sollen oder nicht.

Die GmbH ist damit unselbstständiger Bestandteil des Unternehmens der A & B-oHG.

Mit dem Verkauf der Beteiligung endet die Organschaft, da ab der Anteilsübertragung keinerlei Verflechtung mehr zur oHG vorhanden ist. Allerdings tritt der Erwerber – die Fenster-AG – an die Stelle des Organträgers, da jetzt eine finanzielle, organisatorische und wirtschaftliche Eingliederung zu der AG besteht; die GmbH ist ab Anteilsübertragung unselbstständiger Bestandteil des Unternehmens der Fenster-AG.

Die Übertragung der Anteile an der Kunststoffe-GmbH ist aus Sicht der A & B-oHG eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung nach § 1 Abs. 1a UStG (BFH, Urteil v. 27.1.2011, V R 38/09, BFH/NV 2011 S. 727 sowie BMF, Schreiben v. 3.1.2012, BStBl 2012 I S. 76 und Abschn. 1.5 Abs. 9 UStAE). Die Beteiligung steht auch bei dem Erwerber in einem hinreichend engen Zusammenhang mit der unternehmerischen Betätigung, sodass die Anteile dem Unternehmen zugeordnet werden konnten. Es wird damit ein hinreichend Ganzes übertragen, sodass es zu einer nicht steuerbaren Geschäftsveräußerung kommt.

Wichtig: Da eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung vorliegt, tritt der Erwerber in die Rechtsposition des Veräußerers ein.

Die Beratungsleistung des Vermittlers steht im Zusammenhang mit der nicht steuerbaren Geschäftsveräußerung. Da der Organkreis bis dahin offensichtlich den Vorsteuerabzug nicht ausschließende Ausgangsumsätze ausgeführt hat, steht dem Vorsteuerabzug kein Hinderungsgrund im Wege. Die A & B-oHG kann – soweit eine ordnungsgemäße Rechnung des V vorliegt – den Vorsteuerabzug i. H. v. 28.500 EUR vornehmen.

Wichtig: Für den Vorsteuerabzug im Zusammenhang mit einer nicht steuerbaren Geschäftsveräußerung ist keine gesetzliche Regelung vorhanden. Es muss daher eine Verknüpfung mit den bisherigen Umsätzen vorgenommen werden. Nicht sachgerecht erscheint es, den Vorsteuerabzug aus den Beratungskosten im Beispielsfall deshalb auszuschließen, weil bei einem steuerbaren Umsatz aus der Veräußerung der Anteile die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 8 Buchst. f UStG greifen würde.