Praxisfall Umsatzsteuer bei Immobilien: Hintergrund

In einer 4-teiligen Serie beleuchten wir umsatzsteuerliche Fragestellungen, die sich im Zusammenhang mit Immobilienumsätzen ergeben können. Im 1. Teil wird zunächst die grundlegende Problematik erläutert und auf aktuelle Entwicklungen hingewiesen.

Immobilien und Umsatzsteuer sind zwei Themenbereiche, die in der Vergangenheit immer enger zusammengerückt sind. Angefangen bei der Frage der Steuerbarkeit bis hin zur Vorsteuerberichtigung können bei Leistungen im Zusammenhang mit Grundstücken fast alle Probleme des Umsatzsteuerrechts auftreten.

Besonders relevant sind allerdings die folgenden Fragestellungen:

  • Wo befindet sich der Ort der Leistung?
  • Unterliegt die Leistung einer Steuerbefreiung?
  • Wer wird der Steuerschuldner für die Leistung?
  • In welchem Umfang kann Vorsteuer abgezogen werden?
  • Muss eine Vorsteuerberichtigung vorgenommen werden?
  • Bestehen besondere Pflichten bei Erfassung und Meldung?

Zuletzt standen insbesondere zwei Entwicklungen im Mittelpunkt: Zum einen hat die Finanzverwaltung ihre bisherige Rechtsauffassung aufgegeben, dass der Begriff „Grundstück“ i. S. d. Regelung national und zivilrechtlich zu interpretieren ist (BMF, Schreiben v. 18.12.2012, BStBl 2012 I S. 1272, sowie Abschn. 3a.3 UStAE). Den Vorgaben des Gemeinschaftsrechts folgend, muss der Grundstücksbegriff gemeinschaftsrechtlich ausgelegt werden, um eine einheitliche Behandlung zu gewährleisten.

Wichtig: Ob eine Leistung im Zusammenhang mit einem Grundstück vorliegt oder nicht, ist insbesondere für die zutreffende Festlegung des Orts der sonstigen Leistung von Bedeutung. Eine Leistung im Zusammenhang mit einem Grundstück ist immer am Grundstücksort ausgeführt (§ 3a Abs. 3 Nr. 1 UStG). Liegt keine Leistung im Zusammenhang mit einem Grundstück vor, hängt der Ort der sonstigen Leistung von der Art der ausgeführten Leistung und dem Status des Leistungsempfängers ab. Bei einer Leistung gegenüber einem Unternehmer für dessen Unternehmen ist die Leistung dort ausgeführt, wo der Leistungsempfänger sein Unternehmen betreibt (§ 3a Abs. 2 UStG).

In einer weiteren Frage musste sich der EuGH positionieren. Bezieht ein Unternehmer eine Leistung im Zusammenhang mit einem Grundstück, das der Unternehmer sowohl für vorsteuerabzugsberechtigende als auch für vorsteuerabzugsschädliche Zwecke verwendet, muss eine Vorsteueraufteilung (§ 15 Abs. 4 UStG) vorgenommen werden. Nachdem zum 1.1.2004 durch § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG eingeführt worden war, dass eine Vorsteueraufteilung im Verhältnis der Ausgangsumsätze nur vorgenommen werden kann, wenn kein anderer Aufteilungsmaßstab ermittelbar ist, sollte ausschließlich eine Aufteilung nach dem Flächenverhältnis infrage kommen.

Nachdem diese – im Regelfall den Unternehmer schlechter stellende - Regelung eingeführt worden war, ergab sich der Streit, ob sie mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist oder nicht:

  • Niedersächsisches FG (Urteil v. 23.4.2009, 16 K 271/06, EFG 2009 S. 1790): Die ab 2004 geltende Regelung des § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG, die eine Vorsteueraufteilung nach dem Umsatzschlüssel faktisch ausschließt, ist europarechtswidrig.
  • FG Düsseldorf (Urteil v. 11.9.2009, 1 K 996/07 U, EFG 2010 S. 178): Die ab 2004 geltende Regelung des § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG (grundsätzliche Vorsteueraufteilung nach Flächenanteilen) steht in Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht.

Der BFH (Beschluss v. 22.7.2010, V R 19/09, BStBl 2010 II S. 1090) hatte das Revisionsverfahren nach dem Urteil des Niedersächsischen FG ausgesetzt und den EuGH angerufen. Der EuGH hat nun entschieden, dass das Gemeinschaftsrecht es den Mitgliedstaaten erlaubt, zum Zweck der Berechnung des Aufteilungssatzes für den Abzug der Vorsteuern aus der Errichtung eines gemischt genutzten Gebäudes vorrangig einen anderen Aufteilungsschlüssel als den Umsatzschlüssel vorzuschreiben. Voraussetzung ist aber, dass die herangezogene Methode eine präzisere Bestimmung dieses Aufteilungssatzes gewährleistet (EuGH, Urteil v. 8.11.2012, C-511/10 (BLC Baumarkt GmbH & Co. KG), DStR 2012 S. 2333).

Hinweis: Ob nun – entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung – doch eine Aufteilung nach einem Umsatzschlüssel bei einer gemischt genutzten Immobilie möglich ist, bleibt der Entscheidung des BFH vorbehalten. Allerdings hat der EuGH dem BFH ausreichend Gründe vorgegeben, die derzeitige Rechtslage in Deutschland als mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar anzusehen.

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