Praxisfall Umsatzsteuer bei Immobilien: Der Plan

In einer 4-teiligen Serie zeigen wir anhand von Praxisbeispielen, welche umsatzsteuerlichen Problemstellungen sich bei Leistungen im Zusammenhang mit Grundstücken ergeben können. Im 2. Teil geht es um Planungsleistungen eines im Ausland ansässigen Architekten.

Sachverhalt

Die Musterbau AG (M) aus Flensburg möchte in den Norden Europas expandieren. Sie beauftragt einen Architekten aus Dänemark, Pläne für einen neuen Typ Fertighaus (Prototyp) zu entwerfen, das besonders den nordischen Ansprüchen genügen soll. M plant, dieses Fertighaus auf noch von ihr zu erwerbenden Grundstücken in Dänemark und Schweden zu errichten und dann an Interessenten zu veräußern.

Darüber hinaus erteilt M dem Architekten den Auftrag, für ein Grundstück in der Nähe von Kolding (DK) einen angepassten Entwurf zu erstellen. Dieses Musterhaus soll langfristig für Werbezwecke verwendet werden.

Für die Entwurfsplanung des Prototyps wird zwischen M und dem Architekten ein Honorar von 100.000 EUR vereinbart, für die angepasste Planung des Musterhauses in Kolding ein Honorar von 20.000 EUR. Eine auf diese Beträge evtl. anfallende Umsatzsteuer soll zusätzlich entrichtet werden.

Fragestellung

M bittet um Auskunft, welche umsatzsteuerrechtlichen Auswirkungen sich aus diesen Sachverhalten ergeben.

Lösung

M und auch der Architekt sind Unternehmer, die selbstständig, nachhaltig und mit Einnahmeerzielungsabsicht tätig sind. Sie handeln im Rahmen ihres Unternehmens. Dass der Architekt aus Dänemark stammt, ist für die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung grundsätzlich ohne Bedeutung.

M erhält für sein Unternehmen 2 verschiedene Leistungen, die separat zu beurteilen sind, eine einheitliche Leistung liegt nicht vor, da es sich jeweils um unterschiedliche Planungen handelt.

Planung für den Prototyp

Die Planung des Prototyps ist eine sonstige Leistung (§ 3 Abs. 9 Satz 1 UStG), da keine Lieferung ausgeführt wird.

Wichtig: Selbst wenn der Architekt – was heute eher unüblich wäre – die Pläne auf Papier (Ausdruck) übergeben sollte, würde keine Lieferung bedruckten Papiers vorliegen. Wesensgehalt der Leistung ist die Überlassung der Entwurfstätigkeit, sodass hier nicht Verfügungsmacht an einem Gegenstand verschafft wird.

Wenn es sich bei der Leistung des Architekten um eine Leistung im Zusammenhang mit einem Grundstück handeln würde, wäre die Leistung am Grundstücksort ausgeführt (§ 3a Abs. 3 Nr. 1 UStG). Allerdings ist die Leistung keinem besonderen Grundstück zuzuordnen, sodass die Bestimmung des Orts der sonstigen Leistung nicht nach den Grundsätzen des § 3a Abs. 3 Nr. 1 UStG erfolgen kann (Abschn. 3a.3 Abs. 10 Nr. 1 UStAE). Da die Leistung an einen Unternehmer für dessen Unternehmen ausgeführt wird, bestimmt sich der Ort der sonstigen Leistung nach § 3a Abs. 2 Satz 1 UStG und ist dort, wo der Leistungsempfänger (M) sein Unternehmen betreibt. Die Leistung ist damit in Flensburg (DE) ausgeführt und somit steuerbar nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG

Wichtig: Wenn die Leistung des Architekten an eine Betriebsstätte der M ausgeführt worden wäre, würde nach § 3a Abs. 2 Satz 2 UStG der Ort der Betriebsstätte für die Bestimmung des Orts der sonstigen Leistung maßgeblich sein. Nach dem Sachverhalt ergibt sich aber kein Anhaltspunkt dafür, dass zu diesem Zeitpunkt eine Betriebsstätte in Dänemark oder in Schweden unterhalten wird.

Die Planungsleistung des Architekten unterliegt in Deutschland keiner Steuerbefreiung, die Leistung ist steuerpflichtig. Da der Architekt ein ausländischer Unternehmer ist (§ 13b Abs. 7 UStG) und in Deutschland eine steuerpflichtige sonstige Leistung nach § 3a Abs. 2 UStG ausführt, unterliegt der Vorgang dem Reverse-Charge-Verfahren nach § 13b Abs. 1 UStG. Der Leistungsempfänger (M) wird zum Steuerschuldner für die ihm gegenüber ausgeführte Leistung ( § 13b Abs. 5 Satz 1 UStG). Die Steuer entsteht dabei mit Ausführung der Leistung (nicht erst mit Ausstellung der Rechnung; § 13b Abs. 1 UStG).

Praxis-Tipp: Da es sich um eine sonstige Leistung nach § 3a Abs. 2 UStG handelt, muss der dänische Architekt den Vorgang in Dänemark (im Meldezeitraum der Ausführung der Leistung) unter der USt-IdNr. der M in seiner dänischen Zusammenfassenden Meldung angeben und separat in der dänischen Umsatzsteuer-Voranmeldung erfassen.

Darüber hinaus würde sich eigentlich (gemeinschaftsrechtlich zwingend seit dem 1.1.2013 vorgeschrieben) die Verpflichtung für den Architekten ergeben, die Rechnung bis zum 15. Tag des auf den Monat der Ausführung der Leistung folgenden Monats auszustellen. Die Anforderungen an diese Rechnung würden sich – obwohl es sich um eine in Deutschland steuerbare und steuerpflichtige Leistung handelt – nach den Rechtsvorschriften Dänemarks richten. Diese gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben sind wegen des politischen Streits um das JStG 2013 bzw. das Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz bislang nicht ins UStG aufgenommen worden.

Die Bemessungsgrundlage für die M gegenüber ausgeführte Leistung bestimmt sich nach § 10 Abs. 1 UStG mit 100.000 EUR, auf diese Leistung ist der Regelsteuersatz anzuwenden (§ 12 Abs. 1 UStG). Es entsteht eine Umsatzsteuer i. H. v. 19.000 EUR, Steuerschuldner ist M.

Die Steuer ist grundsätzlich nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG als Vorsteuer abzugsfähig. Zu prüfen ist aber, ob dem ein Abzugsverbot nach § 15 Abs. 2 UStG entgegensteht. Dabei ist zu prüfen, mit welchen Ausgangsleistungen die Eingangsleistung wirtschaftlich in Zusammenhang zu bringen ist. Nach den Sachverhaltsangaben will M auf ihm gehörenden Grundstücken in Dänemark und Schweden Häuser errichten und diese Häuser veräußern. Dies würde zu Lieferungen von Grundstücken führen, die (als ruhende Lieferungen) dort ausgeführt sind, wo sich der Gegenstand im Zeitpunkt der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet (§ 3 Abs. 7 Satz 1 UStG). Die Lieferungen werden damit in Dänemark und Schweden ausgeführt und führen nicht zu steuerbaren Umsätzen in Deutschland.

Stehen Eingangsleistungen im Zusammenhang mit nicht in Deutschland ausgeführten Umsätzen, muss nach § 15 Abs. 2 Nr. 2 UStG geprüft werden, ob diese Leistungen – wenn sie in Deutschland ausgeführt worden wären – steuerfrei wären. Soweit sie in Deutschland steuerfrei wären, würde sich kein Vorsteuerabzug ergeben. Der Verkauf der Grundstücke wäre in Deutschland ein unter das GrEStG fallender Umsatz, der nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfrei wäre. Damit kann die bei M entstandene Umsatzsteuer nicht als Vorsteuer abgezogen werden, eine Ausnahme vom Abzugsverbot nach § 15 Abs. 3 UStG liegt auch nicht vor.

Praxis-Tipp: Eine Optionsmöglichkeit nach § 9 Abs. 1 UStG würde sich in Deutschland auch nicht ergeben, da die Erwerber offensichtlich Nichtunternehmer sind und damit die Grundvoraussetzung für den Verzicht auf die Steuerbefreiung (Unternehmer erwirbt für sein Unternehmen) schon nicht vorliegt. Würde sich in Deutschland ein Optionsrecht ergeben, könnte sich in Deutschland der Vorsteuerabzug ergeben, wenn der Umsatz dann auch im Ausland steuerpflichtig ausgeführt wird (Abschn. 15.14 Abs. 1 UStAE).

Wichtig: Eine andere Lösung wäre denkbar, wenn M die Häuser nicht auf ihr selbst gehörenden Grundstücken errichten würde. In diesem Fall würden sich Werklieferungen ergeben, die – in Deutschland – nicht unter die Befreiung nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG fallen würden. Insoweit wäre M zum Vorsteuerabzug für die entstehende Umsatzsteuer berechtigt.

Planung für das Musterhaus

Die Planung des angepassten Musterhauses ist eine sonstige Leistung (§ 3 Abs. 9 Satz 1 UStG), da keine Lieferung ausgeführt wird.

Da die Planung des Musterhauses konkret mit einem bestimmten Grundstück verbunden ist, handelt es sich bei der Leistung um eine solche im Zusammenhang mit einem Grundstück. Der Leistungsort bestimmt sich damit nach § 3a Abs. 3 Nr. 1 Buchst. c UStG. Die Leistung ist folglich am Grundstücksort in Kolding (DK) ausgeführt und damit in Deutschland nicht steuerbar. Die Leistung unterliegt aber in Dänemark als steuerbarer und steuerpflichtiger Umsatz der (dänischen) Umsatzsteuer, mit der M wirtschaftlich belastet ist. Ob M in Dänemark zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, richtet sich ausschließlich nach dänischem Recht und hängt auch dort davon ab, welche Ausgangsumsätze mit dem Musterhaus (mittelbar) geplant sind.

Schlagworte zum Thema:  Vorsteuerabzug, Umsatzsteuer, Immobilien