Wie Kanzleichefs den Wunsch nach Teilzeit umsetzen können, beantwortet StBin Cordula Schneider vom Steuerberaternetzwerk "Delfinet" im Interview.

Redaktion: Frau Schneider, ist Teilzeit auch bei männlichen Steuerberatern inzwischen ein Thema?

Cordula Schneider: Für selbstständige Steuerberater ist die Falle, zum Workaholic zu werden, noch immer sehr groß. Die jüngeren Steuerberater achten zwar schon mehr auf die Balance zwischen Arbeit und Privatleben als die Generationen davor, aber Teilzeit ist bei ihnen noch lange nicht die Regel, sondern eher eine Ausnahme. Mir ist kein einziger selbstständiger Steuerberater bekannt, der dauerhaft in Teilzeit tätig ist, Steuerberaterinnen in Teilzeit gibt es dagegen schon.  

Redaktion: Wie sieht es bei angestellten Steuerberatern mit der Teilzeitarbeit aus?

Schneider: Bei den angestellten Steuerberatern, die hauptsächlich Fälle bearbeiten und wenig mit Führungsaufgaben betraut sind, ist Teilzeit viel eher machbar als bei den Selbstständigen und wird auch immer mehr nachgefragt. Bewährt hat sich dabei meist eine Kombination aus Präsenztagen in der Kanzlei mit Tagen im Homeoffice. Führung von Mitarbeitern ist aber eine Chefsache und eine Face-to-Face-Aufgabe. Man sollte sie nicht delegieren, aber man kann sie in Teilzeit praktizieren. Das funktioniert aber meiner Erfahrung nach nur, wenn Steuerberater nicht für die Führung die Zeit kürzen, sondern für ihre produktiven, also abrechenbaren Tätigkeiten. 

Redaktion: Wie können selbstständige Steuerberater am besten ihre Teilzeitwünsche verwirklichen?

Schneider: Wichtig ist, die Entscheidung, in Teilzeit zu arbeiten, bewusst zu leben und sie offen zu kommunizieren, vor allem auch gegenüber Mandanten. Viele selbstständige Steuerberater tun so, als würden sie Vollzeit arbeiten, und versuchen, sich heimlich Zeitinseln zu schaffen. Das klappt meistens nicht: Mandanten und Mitarbeiter ärgern sich, dass der Chef nicht erreichbar ist, Stress kommt auf. Auch dauerhafte Teilzeit des Steuerberaters wird allgemein akzeptiert, wenn er sie richtig kommuniziert und selbst berechenbar bleibt. Er muss einen Fahrplan festlegen, auf den Verlass ist: feste Zeiten für die Kommunikation mit den Mitarbeitern, die Kommunikation nach außen, Kanzleibesprechungen und Teamsitzungen, feste Zeiten, wann er definitiv nicht erreichbar sein will. Gleiches gilt für Abendtermine, die nur in Notfällen und nach Rücksprache vergeben werden können.

Redaktion: Welche Teilzeitmodelle eignen sich besonders für Steuerberater? Könnte Jobsharing funktionieren?

Schneider: Es gibt wahrscheinlich inzwischen so viele Teilzeitmodelle wie Steuerberater. Zunächst sollte man festlegen, wie viel Zeit man überhaupt in der Kanzlei verbringen will, und sich einen Plan machen. Meiner Erfahrung nach eignet sich am besten das Modell der täglichen Stundenreduktion oder man arbeitet als Steuerberater nur drei oder vier Tage in der Woche. Dabei kommunizieren einige Steuerberater einen Tag nach außen auch als sogenannte „stille Zeit“ – im Prinzip arbeite man schon, aber nicht im Büro, und man ist nicht erreichbar. Das Modell Jobsharing ist nach meiner Erfahrung bei Steuerberatern nicht praktikabel, da es einen erheblichen Dokumentationsaufwand mit sich bringen würde. Wenn man aber einen zweiten Steuerberater in der Kanzlei hat, sind Vertretungsregeln üblich. Bei großen Mandaten sind auch Tandemlösungen möglich: Zwei Mitarbeiter werden parallel mit einem Fall betraut und sind beide als Ansprechpartner zuständig. Diese können sich monatsweise abwechseln.

6 unterschiedliche Modelle, Teilzeit zu gestalten

(Quelle: www.bmas.bund.de)

Teilzeit ClassicTägliche Arbeitszeit wird stundenweise reduziert (z. B. klassische Halbtagsstelle).
Teilzeit Classic VarioDie wöchentliche Arbeitszeit wird mit variierender Stundenanzahl auf die einzelnen Tage verteilt (z. B. bei einer 5-Tage-Woche werden zwei Tage Vollzeit gearbeitet, ein Tag Teilzeit, zwei Tage frei).
Teilzeit JobsharingMehrere Mitarbeiter teilen sich eine Stelle. Die Einteilung der Aufgaben und der Arbeitszeit regeln die Job-Partner untereinander, wobei sowohl ein Halbtagesrhythmus als auch wechselnde Wochen- und Monatsrhythmen möglich sind. Bei Streit kann der Kanzleichef den Arbeitsrhythmus festlegen.
Teilzeit InvestAngestellte arbeiten Vollzeit, erhalten aber ein Teilzeitentgelt. Die Differenz wird als Zeit- oder Geldguthaben im Langzeitkonto für einen langfristigen Ausstieg (z. B. Weiterbildung, Sabbatical, vorgezogenen Ruhestand, längere Reisen) angespart.
Teilzeit TeamDer Kanzleichef gibt vor, wie viele Mitarbeiter zu Servicezeiten der Kanzlei anwesend sein müssen, das Team plant die persönlichen Arbeitszeiten in Absprache untereinander.
Teilzeit HomeAngestellte arbeiten von zu Hause aus in Teilzeit, wobei die Erreichbarkeit über vereinbarte Arbeitszeiten gewährleistet wird. Ideal ist, wenn wenigstens ein Tag pro Woche Arbeit in der Kanzlei vereinbart wird, um die Mitarbeiter in betriebliche Abläufe zu integrieren und sozialer Isolation vorzubeugen.

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