Keine Erwerbsobliegenheit bei gleichgestellten Personen

Beim Abzug von Unterhaltszahlungen an Personen, die den gesetzlich unterhaltsberechtigten gleichgestellt sind, stellt sich die Frage, ob eine Erwerbsobliegenheit zu prüfen ist.

Erwachsen einem Steuerpflichtigen Aufwendungen für den Unterhalt einer dem Steuerpflichtigen oder seinem Ehegatten gegenüber gesetzlich unterhaltsberechtigten Person, so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass die Aufwendungen bis zu 8.652 EUR (2016) im Kalenderjahr vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden (§ 33a Abs. 1 Satz 1 EStG). Den gesetzlich unterhaltsberechtigten Personen ist nach § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG eine Person gleichgestellt, wenn bei ihr zum Haushalt bestimmte inländische Mittel mit Rücksicht auf die Unterhaltsleistungen des Steuerpflichtigen gekürzt werden.

Bestehen der Erwerbsobliegenheit

Die von § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG verlangte gesetzliche Unterhaltsberechtigung setzt u. a. voraus, dass der potentiell Unterhaltsberechtigte außerstande ist, sich zu unterhalten, mithin bedürftig ist. Nach Auffassung das BFH ist die Bedürftigkeit der unterhaltenen Person jeweils konkret zu bestimmen und kann nicht typisierend unterstellt werden (BFH, Urteil v. 5.5.2010, VI R 29/09, Haufe Index 2375976). Bei Personen im erwerbsfähigen Alter ist davon auszugehen, dass sie ihren Lebensunterhalt durch eigene Arbeit verdienen. Hierzu hat die unterhaltene Person ihre Arbeitskraft als die ihr zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts zur Verfügung stehende Quelle in ausreichendem Maße auszuschöpfen (sog. Erwerbsobliegenheit). 

Beispiel: Unterhaltszahlungen bei einer gleichgestellten Person

Der nichtselbstständige A lebt seit Dezember 2015 mit seiner Lebensgefährtin B in einem Haushalt. Obwohl keine besonderen Umstände vorliegen, die der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit entgegenstehen (z. B. Krankheit), hat sich B bislang nicht um eine Arbeitsstelle bemüht. Bis Dezember 2015 erhielt sie Leistungen nach SGB II (ALG II). Über den 31.12.2015 hinaus wurden keine Leistungen mehr gezahlt, weil sie mit A in einer Bedarfsgemeinschaft lebt. A erzielte in 2016 Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit i. H. v. 150.000 EUR. In seiner Einkommensteuererklärung macht A 9.680 EUR (Höchstbetrag zuzüglich Krankenversicherungsbeiträge) Unterhaltsleistungen als außergewöhnliche Belastung geltend.

Laut FG Niedersachsen ist die Erwerbsobliegenheit immer zu prüfen

B gehört zu den gleichgestellten Personen, weil sie sich mit A in einer sozialrechtlichen Bedarfsgemeinschaft befindet, aufgrund dessen ihr die zum Unterhalt bestimmten Mittel ab 2016 gestrichen wurden. Aufgrund der Rechtsprechung des BFH ging das FG Niedersachsen jüngst davon aus (Urteil v. 28.4.2016, 10 K 57/15, Haufe Index 9564943), dass im Anwendungsbereich des § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG auch eine generelle Erwerbsobliegenheit des Unterhaltsempfängers besteht. Bei einer Verletzung der Erwerbsobliegenheiten sollen danach bei der Berechnung der den Unterhaltsaufwendungen gegenzurechnenden Einkünften gem. § 33a Abs. 1 Satz 5 EStG die objektiv erzielbaren fiktiven Einkünfte des Unterhaltsempfängers im Schätzungswege anzusetzen sein.

Praxis-Tipp: BFH macht bei § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG eine Ausnahme

Der BFH teilt die Auffassung des FG aber nicht (Urteil v. 9.3.2017, VI R 16/16, Haufe Index 10874543), weil bei Vorliegen einer Bedarfsgemeinschaft regelmäßig davon ausgegangen werden kann, dass dem gleichgestellten Unterhaltsempfänger zum Unterhalt bestimmte inländische öffentliche Mittel mit Rücksicht auf die Unterhaltsleistungen des Steuerpflichtigen gekürzt werden. Auf die Höhe der Kürzung kommt es dabei nicht an. 

Weitere Abzugsvoraussetzungen benennt § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG nicht. Vielmehr nimmt das Gesetz die im Sozialrecht angelegte - im Tatbestand der Bedarfsgemeinschaft geregelte - Vermutung, dass Lebenspartner einander bei Bedürftigkeit unterhalten, auf und stellt Unterhaltsleistungen an Personen, die wegen der Kürzung/Versagung von Sozialleistungen an Einkommen und Vermögen des Lebenspartners teilhaben, in der steuerlichen Rechtsfolge Zuwendungen an gesetzlich Unterhaltsberechtigte gleich. 

§ 33a Abs. 1 Satz 3 EStG unterstellt für diesen Fall eine der gesetzlichen Unterhaltspflicht gleichzusetzende konkrete Beistandsverpflichtung. Durch die Gleichstellung beider Personenkreise entfällt die ansonsten im Einzelfall aufwändige Prüfung, ob und in welcher Höhe der Steuerpflichtige gegenüber gesetzlich nicht unterhaltsberechtigten Personen aus sittlichen Gründen unterhaltsverpflichtet ist. Die Frage der Erwerbsobliegenheit stellt sich somit im Bereich dieser Vorschrift, weil bei einer Bedarfsgemeinschaft auf das Einkommen und Vermögen des Lebenspartners verwiesen wird. Folglich kommt auch eine Anrechnung fiktiver Einkünfte nicht in Betracht.