Finanzämter verderben Reisebranche die Stimmung

Post vom Finanzamt verheißt meist nichts Gutes. Die Erfahrung machen gerade die deutschen Reiseveranstalter: Sie sollen Gewerbesteuer in Millionenhöhe nachzahlen.

Das Geschäft läuft auf Hochtouren, doch die Reisebranche ist in Alarmstimmung. Tui, Alltours & Co. warnen vor steigenden Preisen, der Gefährdung Tausender Jobs und einer Pleitewelle. Der Grund: Die deutschen Veranstalter sollen für den Einkauf von Hotelübernachtungen rückwirkend ab 2008 Gewerbesteuer zahlen. Nach Schätzungen des Deutschen Reiseverbandes (DRV) könnten auf die Branche für die vergangenen Jahre Steuermehraufwendungen von rund 1,4 Milliarden Euro zukommen. Erste Bescheide hat die Finanzverwaltung verschickt.

"Wir schätzen, dass etwa 25.000 Arbeitsplätze und ein Drittel der Firmen unserer Branche vom Markt verschwinden würden", wenn die Politik nicht tätig werde, warnte Tui-Chef Friedrich Joussen jüngst. "Am Ende zahlen die Verbraucher die Zeche, Reisen wird teurer werden", ergänzt Alltours-Chef Willi Verhuven. Die Steuer werde in die Kalkulation der Preise einfließen. Neben den Nachforderungen befürchtet die Branche jährlichen Belastungen von 230 Millionen EUR.

Die Reiseprofis hoffen auf Unterstützung der Politik. Zusammen mit Dachverbänden wie dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) kämpft der DRV bei Bund und Ländern für seine Auslegung des Gewerbesteuerrechts. Seit der Reform aus dem Jahr 2008 werden bei der Berechnung der Gewerbesteuer auch Pacht- und Mietzahlungen sowie Leasinggebühren für "unbewegliche Anlagegüter" - also Betriebsgebäude - berücksichtigt. Aus Sicht der Finanzverwaltung müssen aber auch die Zahlungen für Hotelkontingente, die Reiseveranstalter weltweit für ihre Pauschalreisen einkaufen, bei der Berechnung der Gewerbesteuer hinzugerechnet werden.

"Ich kann diese Auslegung absolut nicht nachvollziehen und werde dagegen klagen, notfalls bis nach Karlsruhe", kündigte Gerald Kassner, Geschäftsführer von Schauinsland-Reisen in einem Interview mit dem Onlineportal der WAZ-Gruppe "DerWesten.de" an. Weder im Gewerbesteuergesetz noch im Gesetzgebungsverfahren finde sich ein Hinweis darauf, dass Reiseveranstalter mit ihrem Hoteleinkauf der Gewerbesteuer unterliegen sollten, erklärt der DRV. Zudem würden die Unternehmen gegenüber ausländischen Wettbewerbern benachteiligt, die von der Steuer nicht betroffen seien.

Als eines der ersten Unternehmen erhielt der Veranstalter Frosch Sportreisen aus Münster vom Finanzamt einen Nachzahlungsbescheid, ein Einspruch blieb erfolglos. "Wir haben unter Vorbehalt für 2008 und 2009 gezahlt und gehen jetzt vor Gericht", sagt Geschäftsführer Holger Schweins. Zwar glaubt die Branche nicht, "dass die Gewerbesteuernachzahlungen juristisch Bestand haben werden", so DRV-Präsident Jürgen Büchy. Das werde einige - vor allem kleinere - Veranstalter aber nicht vor existenziellen Problemen bewahren. Die Rechtsstreitigkeiten könnten sich mehrere Jahre hinziehen.

Vorerst droht den Unternehmen also weiter unangenehme Post vom Finanzamt. Das BMF bekräftigt auf Nachfrage seine Einschätzung, dass auch Hotelmieten, die Reiseveranstalter entrichten, dem gewerbesteuerlichen Gewinn hinzuzurechnen sind.

Torsten Kirstges, Direktor des Instituts für innovative Tourismus- und Freizeitwirtschaft (ITF) an der Jade-Hochschule in Wilhelmshaven glaubt zwar nicht, dass wegen der Steuernachforderungen ein Drittel der Firmen vom Markt verschwindet. "Das halte ich für übertrieben, aber einige Unternehmen können durchaus in existenzielle Probleme geraten." Ein paar Tausend Euro könnten für einen Mittelständler bereits schwierig werden. Manche Veranstalter erwirtschafteten Renditen von gerade einmal ein bis zwei Prozent, sagt Kirstges. "Die Branche jammert zu Recht".

dpa