Erstattungsüberhang durch Kirchen-Abgeltungsteuer

Gezahlte Kirchensteuer ist nicht als Sonderausgabe abzugsfähig, soweit sie als Zuschlag zur Kapitalertragsteuer oder als Zuschlag auf die nach dem gesonderten Tarif des § 32d Abs. 1 EStG ermittelte Einkommensteuer gezahlt wurde. 

Die in § 10 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 2 EStG geregelten Einschränkungen zum Sonderausgabenabzug gezahlter Kirchensteuer dienen der Vermeidung einer Doppelbegünstigung nach Einführung des besonderen Steuertarifs gemäß § 32d EStG (Abgeltungsteuer), weil sich die Kapitalertragsteuer gemäß § 32d Abs. 1 Satz 3 EStG um 25 % der auf die Kapitalerträge entfallenden Kirchensteuer ermäßigt. Damit wird die erhobene Kirchensteuer bereits bei der Ermittlung der Höhe der Abgeltungssteuer berücksichtigt und kann nicht - ein zweites Mal - im Wege des Sonderausgabenabzugs berücksichtigt werden.

Unter anderem aufgrund des fiktiven Sonderausgabenabzugs wurde von einem Finanzamt im Rahmen eines Klageverfahrens beim FG Niedersachsen die Auffassung vertreten, dass Erstattungsüberhänge aus nicht veranlagter der Kirchensteuer zum Kapitalertrag nach § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG steuererhöhend zu erfassen sind.

Beispiel: Zu niedrig vergebener Freistellungsauftrag

Aufgrund eines zu niedrig vergebenen Freistellungsauftrags beantragte A für seine Kapitalerträge 2017 die Überprüfung des Steuereinbehalts. Im Rahmen seines Einkommensteuerbescheids 2017 ergab sich folgende Kirchensteuer-Abrechnung:

Kirchensteuer ohne Kapitalerträge 600 EUR + Kirchensteuer auf Kapitalerträge 100 EUR700 EUR        
./. Lohnkirchensteuer 700 EUR + Kirchensteuer auf Kapitalerträge 200 EUR900 EUR
= Gesamterstattung                                          200 EUR

Die Abgeltungsteuer wurde mit 24,45 % (siehe oben Ermäßigung wegen fiktivem Sonderausgabenabzug, bei 9 % KiSt) berechnet. Die Erstattung der 200 EUR erfolgte in 2018. In 2018 wurde keine Kirchensteuer gezahlt die als Sonderausgabe abzugsfähig ist. 

Es stellt sich nun für 2019 die Frage, ob 100 EUR (ohne Kirchensteuer auf Kapitalerträge) oder 200 EUR als Erstattungsüberhang nach § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG zu erfassen sind. 

Regelung des § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG

Bei jährlich wiederkehrenden Sonderausgaben, wie z. B. Kirchensteuern, mindern im Jahr der Zahlung erfolgte Erstattungen den steuerlich berücksichtigungsfähigen Betrag. § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG bestimmt, dass die bei den Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG ergebenden Erstattungsüberhänge dem Gesamtbetrag der Einkünfte hinzuzurechnen sind. Begründet wird dies damit, dass die Aufwendungen zuvor in vollem Umfang als Sonderausgaben abziehbar waren. Die Erstattung von Kirchensteuer führt nach der gesetzlichen Regelung zu einem Erstattungsüberhang, wenn keine Verrechnungsmöglichkeit mit in demselben Veranlagungszeitraum gezahlter Kirchensteuer zur Verfügung steht. Inwieweit sich die als Erstattungsüberhang anzusetzende Kirchensteuererstattung in den Veranlagungszeiträumen der jeweiligen Zahlung steuermindernd ausgewirkt hat, ist unerheblich.

FG Niedersachsen teilt nicht die Auffassung des Finanzamts

Das FG Niedersachsen ist entgegen dem Finanzamt der Auffassung (Urteil v. 21.11.2018, 2 K 25/17), dass nicht veranlagte Kirchensteuer zum Kapitalertrag nicht nach § 10 Abs. 4b EStG zu erfassen ist (hier sind also nur 100 EUR zu erfassen). Das Gesetz unterscheide in § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG. Während die als Zuschlag zur Lohn- und Einkommensteuer gezahlte Kirchensteuer unbeschränkt als Sonderausgaben abziehbar ist, scheidet ein Sonderausgabenabzug für als Zuschlag zur Kapitalertragsteuer gezahlte Kirchensteuer von vornherein aus.

Zwar sei dem Finanzamt darin zuzustimmen, dass sich auch durch die Berücksichtigung der als Zuschlag zur Kapitalertragsteuer gezahlten Kirchensteuer im Rahmen einer Ermäßigung der Kapitalertragsteuer eine einem unbeschränkten Sonderausgabenabzug vergleichbare Steuerminderung ergibt. Dies rechtfertige aber nicht den Ansatz einer Erstattung einer solchen Kirchensteuer als Erstattungsüberhang nach § 10 Abs. 4b EStG, weil die gesetzgeberische Entscheidung, durch die Einführung der Abgeltungsteuer die Einkünfte aus Kapitalvermögen einer eigenständigen Besteuerung zu unterwerfen, nach dem Grundsatz der Folgerichtigkeit auch bei der Anwendung dieser Vorschrift zu beachten sei.

Das FG legt somit die in § 10 Abs. 4b EStG getroffene Regelung zum Erstattungsüberhang als gesetzgeberisches korrespondierendes Gegenstück zur Regelung des § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG aus. Wenn also die als Zuschlag zur Kapitalertragsteuer gezahlte Kirchensteuer vom Sonderausgabenabzug ausgeschlossen ist, ist auch die als Zuschlag zur Kapitalertragsteuer erstattete Kirchensteuer vom Ansatz eines Erstattungsüberhangs auszunehmen. Der Entscheidung des FG ist m. E. uneingeschränkt zuzustimmen.