Brexit: Einbringung von Wirtschaftsgütern in UK-Betriebsstätte

Im entworfenen Fall will die deutsche A-KG (alternativ: A-GmbH) einzelne Wirtschaftsgüter in ihre im Vereinigten Königreich belegene Betriebsstätte übertragen. Führt das zur Aufdeckung der stillen Reserven?

Hinweis zu den Fällen: Die in dieser Serie erscheinenden Fälle zum Brexit sind aus der Sicht des immer wahrscheinlicher werdenden "harten" Brexits entworfen worden. Sie behandeln die wesentlichen steuerlichen Fragen, die durch das Ausscheiden des Vereinigten Königreichs (UK) aus der EU entstehen.

Lösung:

Die Übertragung führt zur Gewinnrealisierung und Versteuerung der stillen Reserven in Deutschland. Eine Verteilung des Gewinns auf 5 Jahre ist nicht möglich.

Hintergrundinfo:

Die zu einer im Inland belegenen Betriebsstätte gehörenden Wirtschaftsgüter unterliegen der deutschen Besteuerung. Werden sie in eine in UK belegene Betriebsstätte überführt, besteht die Gefahr, dass Deutschland das Besteuerungsrecht verliert, da Deutschland nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. a DBA-UK für eine in UK belegene Betriebsstätte die Freistellungsmethode anwendet. Sollte die UK-Betriebsstätte nicht nachweislich ausschließlich oder fast ausschließlich "aktive" Einkünfte i. S. d. § 8 Abs. 1 AStG erwirtschaften, wendet Deutschland nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. c DBA-UK statt der Freistellungsmethode die Anrechnungsmethode an. Die Überführung der Wirtschaftsgüter in eine solche Betriebsstätte führt zwar nicht zu einem Ausschluss, wohl aber zu einer Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts, da Deutschland dann eine etwaige britische Steuer anrechnen muss.

Es kann argumentiert werden, dass Deutschland für die während der Zugehörigkeit des Wirtschaftsguts entstandenen stillen Reserven trotz der Überführung das Besteuerungsrecht behält. Unabhängig von dieser Frage bestimmt jedoch § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG, je nach Auffassung als Klarstellung oder Fiktion, dass die Überführung in eine ausländische Betriebsstätte immer zu einem Ausschluss oder einer Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts führt. Rechtsfolge ist nach § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG, dass die Überführung fiktiv als Entnahme aus dem Betriebsvermögen zu beurteilen ist. Diese Entnahme ist nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 letzter Halbs. EStG mit dem gemeinen Wert zu bewerten. Damit sind die stillen Reserven einschließlich eines Gewinnaufschlags aufzulösen und in Deutschland zu versteuern. Die Versteuerung kann nicht nach § 4g EStG durch Bildung eines Ausgleichspostens auf 5 Jahre gestreckt werden, da diese Vorschrift nur bei einer Überführung des Wirtschaftsguts in eine EU-/EWR-Betriebsstätte anwendbar ist. Es erfolgt daher eine sofortige Versteuerung.

Im Fall der Überführung durch die A-GmbH gilt Entsprechendes. Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG führt der Ausschluss oder die Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts durch Überführung eines Wirtschaftsguts in die UK-Betriebsstätte zu einer fiktiven Veräußerung des Wirtschaftsguts zum gemeinen Wert. Auch hier gilt die Überführung eines Wirtschaftsguts in eine ausländische Betriebsstätte nach § 12 Abs. 1 Satz 2 KStG immer als Ausschluss oder Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts. Die Möglichkeit zur Bildung eines Ausgleichspostens nach § 4g EStG, der in § 12 Abs. 1 S. 1 Halbs. 2 KStG in Bezug genommen ist, ist mangels einer EU-/EWR-Betriebsstätte ausgeschlossen.

Ob die UK-Betriebsstätte Abschreibungen von dem gemeinen Wert der überführten Wirtschaftsgüter vornehmen kann, richtet sich nach britischem Steuerrecht. Erzielt die Betriebsstätte nicht ausschließlich oder fast ausschließlich "aktive" Einkünfte nach § 8 Abs. 1 KStG und wendet Deutschland daher die Anrechnungsmethode an, hat die UK-Betriebsstätte für Zwecke der deutschen Besteuerung ihren Gewinn auch nach deutschem Steuerrecht zu ermitteln. Dabei sind die überführten Wirtschaftsgüter mit dem gemeinen Wert als Einlagewert anzusetzen. Der (fiktiven) Entnahme bzw. der (fiktiven) Veräußerung der Wirtschaftsgüter zum gemeinen Wert auf deutscher Seite entspricht für Zwecke der deutschen Besteuerung eine (fiktive) Einlage oder ein (fiktiver) Erwerb zum gemeinen Wert in die britische Betriebsstätte. Nach deutschem Steuerrecht sind daher die Abschreibungen der überführten Wirtschaftsgüter vom gemeinen Wert vorzunehmen. Bei Umlaufvermögen ist der Gewinnaufschlag bereits bei der Überführung realisiert worden, sodass bei einer Veräußerung in der UK-Betriebsstätte nach deutschem Steuerrecht kein weiterer Gewinn anfällt.

Checkliste:

  • Ist der gemeine Wert der überführten Wirtschaftsgüter ermittelt?
  • Hat nach UK-Steuerrecht eine Abschreibung von diesen gemeinen Werten zu erfolgen?
  • Erzielt die UK-Betriebsstätte ihre Einkünfte ausschließlich oder fast ausschließlich aus "aktiven" Einkünften nach § 8 Abs. 1 AStG?
  • Ist der Vorteil aus der späteren Abschreibung vom gemeinen Wert bei Anwendung der Anrechnungsmethode als DCF (discounted cash flow) ermittelt worden?

Alle 100 Fälle zu den Rechtsfolgen eines "harten" Brexit

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  • Schutzumfang der europäischen Grundfreiheiten;
  • Ertragsteuern der Unternehmen;
  • Umwandlungen;
  • Umsatzsteuer;
  • Zollrecht;
  • Ertragsteuern der natürlichen Personen;
  • Erbschaftsteuer.

Die Fälle werden bei Änderung der rechtlichen Rahmenbedingungen zeitnah angepasst. 

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