Brexit: Diskriminierungsverbot

Die X-Ltd. ist in UK ansässig und unterhält eine Betriebsstätte in Deutschland. Als in Deutschland durch ein neues Gesetz die Dokumentationserfordernisse und Regeln über das Dotationskapital für deutsche Betriebsstätten von Drittstaaten-Kapitalgesellschaften erheblich verschärft werden sollen, fragt die X-Ltd., ob und wie sie sich gegen diese Benachteiligung wehren kann.

Hinweis zu den Fällen: Die in dieser Serie erscheinenden Fälle zum Brexit sind aus der Sicht des immer wahrscheinlicher werdenden "harten" Brexits entworfen worden. Sie behandeln die wesentlichen steuerlichen Fragen, die durch das Ausscheiden des Vereinigten Königreiches (UK) aus der EU entstehen.

Lösung:

Europarechtlich und verfassungsrechtlich besteht kein Schutz gegen die Diskriminierung, jedoch kommt ein Schutz aufgrund des Diskriminierungsverbots in Art. 25 Abs. 3 DBA-UK in Betracht.

Hintergrundinfo:

Die Regelungen des deutschen Gesetzes sind europarechtlich an der Niederlassungsfreiheit, Art. 49 AEUV, zu messen. Die Einrichtung und Unterhaltung einer Betriebsstätte unterliegt der Niederlassungsfreiheit, die insoweit die Kapitalverkehrsfreiheit verdrängt. Da die Niederlassungsfreiheit für Drittstaaten nicht gilt, kann sich die X-Ltd. nach Wirksamwerden des Brexits nicht mehr auf sie berufen.

Die neue Regelung für inländische Betriebsstätten stellt einen Eingriff in das Grundrecht auf Gleichbehandlung, Art. 3 GG, dar, da diese belastenden Regelungen für inländische Stpfl. sowie für Stpfl. aus EU- und EWR-Staaten nicht gilt. Betroffen sein könnten auch das Grundrecht auf Berufsfreiheit, Art. 12 GG, und das Eigentumsrecht, Art. 14 GG. Es kann offen bleiben, ob tatsächlich ein Eingriff in die Grundrechte der Art. 12, 14 GG vorliegt, und ob nicht der Eingriff in die Grundrechte nach Art. 3, 12 und 14 GG durch die für die Finanzverwaltung schwierigere Besteuerungssituation bei beschränkter Stpfl. gerechtfertigt wäre. Entscheidend ist demgegenüber, dass die X-Ltd. nach Art. 19 Abs. 3 GG nicht grundrechtsfähig ist. Nach dieser Vorschrift gelten die Grundrechte, die ihrem Wesen nach auch auf juristische Personen anwendbar sind, nur für inländische juristische Personen. Die X-Ltd. als ausländische juristische Person ist daher nicht grundrechtsfähig und genießt keinen Grundrechtsschutz. Die Erweiterung des Grundrechtsschutzes auf juristische Personen, die in einem EU-Staat ansässig sind und die aus Art. 2 GG abgeleitet wird, ist ab Wirksamwerden des Brexit auf juristische Personen, die dem UK-Gesellschaftsstatut unterliegen, nicht mehr anwendbar. In UK ansässige natürliche Personen könnten sich demgegenüber auf die Grundrechte berufen.

In Betracht kommt jedoch ein Schutz der X-Ltd. aufgrund des Gleichbehandlungsgebots des Art. 25 DBA-UK. Nach Art. 25 Abs. 3 DBA-UK darf die Besteuerung einer Betriebsstätte, die ein UK-Unternehmen in Deutschland unterhält, nicht ungünstiger sein als die Besteuerung der in Deutschland ansässigen Unternehmen mit vergleichbarer Tätigkeit. Unter "Besteuerung" sind sowohl die materielle Besteuerung als auch Verfahrensregelungen zu verstehen. Daher verstoßen sowohl die erweiterten Dokumentationserfordernisse als auch die verschärften Regeln über das Dotationskapital gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 25 Abs. 3 DBA-UK. Ein Rechtsbehelfsverfahren gegen Steuerbescheide, in denen aufgrund der verschärften Regelungen für die X-Ltd. nachteilige steuerliche Folgen festgesetzt worden sind, hätte daher Aussicht auf Erfolg.

Checkliste zum Diskriminierungsverbot für britische Kapitalgesellschaften:

  • Gibt es deutsche steuerliche Regelungen, die Betriebsstätten von Stpfl., die in UK ansässig sind, materiell nachteiliger besteuern als vergleichbaren deutschen Stpfl.?
  • Gibt es deutsche steuerliche Regelungen, die deutschen Betriebsstätten von Stpfl., die in UK ansässig sind, umfangreichere Dokumentationspflichten und andere verfahrensrechtliche Pflichten auferlegen als vergleichbaren deutschen Stpfl.?

Alle 100 Fälle zu den Rechtsfolgen eines "harten" Brexit

In Ihren Haufe Steuer Office Produkten finden Sie aktuell unter dem Haufe Index 12414049 die komplette Fallsammlung zu den wesentlichen steuerlichen Fragen, die durch das Ausscheiden von UK aus der EU im Falle eines "harten" Brexit entstehen. Gegliedert sind die Fälle in 7 Abschnitte mit folgendem Inhalt:

  • Schutzumfang der europäischen Grundfreiheiten;
  • Ertragsteuern der Unternehmen;
  • Umwandlungen;
  • Umsatzsteuer;
  • Zollrecht;
  • Ertragsteuern der natürlichen Personen;
  • Erbschaftsteuer.

Die Fälle werden bei Änderung der rechtlichen Rahmenbedingungen zeitnah angepasst. 

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Schlagworte zum Thema:  Brexit, Betriebsstätte