Leitsatz

1. Auch telefonische Beratungen im Rahmen eines sog. Gesundheitstelefons können einen therapeutischen Zweck verfolgen und unter den Begriff "Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin" fallen.

2. Telefonische Beratungen im Rahmen von Patientenbegleitprogrammen können Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin sein, wenn diese als Patientenschulungen im Rahmen der ergänzenden Leistungen zur Rehabilitation nachgewiesen einen therapeutischen Zweck erfüllen.

3. Für die nicht unter einen der Katalogberufe des § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG fallenden Unternehmer kann sich die erforderliche Berufsqualifikation entweder aus einer berufsrechtlichen Regelung oder daraus ergeben, dass die betreffenden heilberuflichen Leistungen in der Regel von den Sozialversicherungsträgern finanziert werden.

 

Normenkette

§ 4 Nr. 14 Buchst. a UStG a.F., Art. 132 Abs. 1 Buchst. c EGRL 112/2006 (= MwStSystRL)

 

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betrieb im Februar 2014 (Streitzeitraum) im Auftrag von gesetzlichen Krankenkassen ein sogenanntes Gesundheitstelefon, bei dem Versicherte medizinisch beraten wurden, und führte Patientenbegleitprogramme für erkrankte Versicherte durch.

Die telefonischen Beratungsleistungen wurden durch Krankenschwestern und medizinische Fachangestellte erbracht, die größtenteils auch als Gesundheitscoach ausgebildet waren. Soweit eine medizinische Beratung gewünscht wurde, erfolgte eine softwaregestützte Befunderhebung, das heißt, eine Kontexteinstufung mit gezielten Fragen zur Thematik, und darauffolgend eine Beratung zu der vom Anrufer angegebenen therapeutischen Versorgungssituation. Dabei wurden Diagnosen und mögliche Therapien erklärt und Ratschläge zu Verhaltens- und Behandlungsänderungen erteilt.

In mehr als einem Drittel der Fälle wurde zudem ein (Fach-)Arzt hinzugezogen, der die Beratung übernahm bzw. bei Rückfragen Anweisungen oder eine zweite Meinung erteilte. Die abgeschlossenen Fälle wurden dem ärztlichen Leiter stichprobenartig eingespielt und insbesondere auf die medizinisch fachliche Nachvollziehbarkeit überprüft.

Die Teilnehmer der Patientenbegleitprogramme wurden auf der Basis von Abrechnungsdaten und Krankheitsbildern von den Krankenkassen ermittelt, von diesen angeschrieben und auf Wunsch in das Programm eingeschrieben. Die Teilnehmer, die von Mitarbeitern der Klägerin über einen Zeitraum von drei bis zwölf Monaten angerufen wurden, konnten bei Fragen jederzeit die medizinische Hotline erreichen und rund um die Uhr situationsbezogene Informationen zu ihrem Krankenbild erhalten. Ziel war es, die Kosten bei Versicherten mit chronischen oder psychischen Erkrankungen besser zu managen und insbesondere die Zahl erneuter stationärer Aufnahmen der Teilnehmer deutlich zu verringern.

Die Klägerin stufte ihre Umsätze aus dem Betrieb des Gesundheitstelefons und der Patientenbegleitprogramme als umsatzsteuerfreie Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin ein. Das Finanzamt sah die betreffenden Umsätze als steuerpflichtig an.

Das FG (FG Düsseldorf, Urteil vom 14.8.2015, 1 K 1570/14 U, Haufe-Index 8732084, EFG 2015, 2232) wies die Klage ab.

 

Entscheidung

Der BFH hob die Vorentscheidung auf und verwies den Rechtsstreit an das FG zurück, damit das FG auf Basis der Rechtsauffassung des EuGH die notwendigen tatsächlichen Feststellungen nachholt, um beurteilen zu können, welche Leistungen der Klägerin steuerfrei sind und welche nicht. Sodann wird das FG den Vorsteuerabzug an dieses Ergebnis anpassen müssen.

Ebenfalls hingewiesen hat der BFH das FG auf die Vorschrift des § 14c Abs. 1 UStG.

 

Hinweis

1. Die Steuerbefreiung für ambulante Heilbehandlungen (§ 4 Nr. 14 Buchst. a UStG, Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL) verlangt in sachlicher Hinsicht, dass eine Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin vorliegt, und in personeller Hinsicht, dass der Behandler (nicht: der umsatzsteuerrechtlich Leistende) vom Mitgliedstaat als dazu befähigt anerkannt ist (d.h. über einen anerkannten beruflichen Befähigungsnachweis verfügt).

2. Auf Vorlage des BFH (BFH, Beschluss vom 18.9.2018, XI R 19/15, BStBl II 2019, 178, BFH/PR 2019, 79) hat der EuGH (EuGH, Urteil vom 5.3.2020, C-48/19, X-GmbH, BFH/NV 2020, 607) klargestellt, dass

  • in sachlicher Hinsicht eine telefonische Gesundheitsberatung eine Heilbehandlung (und damit befreit) sein kann, sofern sie eine therapeutische Zielsetzung verfolgt;
  • es dafür keiner ärztlichen Verordnung der Telefonberatung bedarf;
  • allgemeine Auskünfte oder Auskünfte administrativer Art nicht befreit sind,
  • in personeller Hinsicht Krankenpfleger und medizinische Fachangestellte bzw. Gesundheitscoaches, die die telefonische Beratung durchführen, nur deshalb, weil die Beratung telefonisch erbracht wird, keine zusätzlichen Anforderungen an die berufliche Qualifikation erfüllen müssen. Für die Steuerbefreiung genügt es, dass sie ein vergleichbares Qualitätsniveau aufweisen wie die von anderen Anbietern auf diese Weise erbrachten Leistungen.

Das bedeutet: Krankenpfleger, medizinische Fachanges...

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